Die literarische Erörterung hebt sich durch ihre thematische Begrenzung
auf Fragen oder Problemfelder
aus dem Bereich der Literatur und Kunst von den Themenstellungen
der thematisch mehr oder minder
freien
Problem- und Sacherörterung und der
Texterörterung
ab. Da man aber schon lange von allgemeinen Themen zur
▪ freien Problem- und Sacherörterung im Abituraufsatz deutlich abgerückt ist, trat die
literarische Erörterung mehr und mehr an die Stelle, die früher einmal der
freien Erörterung zugedacht gewesen war.
Aus diesem Grunde entwickelte sich auch mehr und mehr die
Vorstellung, dass das, was im Abitur (frei) erörtert werden sollte,
zusehends an die in der Oberstufe zur Pflicht gemachten Lektüren anknüpfte.
Geschah dies mit dem Hinweis auf eigene Leseerfahrungen (vgl.
Projekt Lesen), dann blieb deren Einbezug noch vergleichsweise frei.
Doch immer stärker rückte die Aufsatzform an die literarischen
Themenstellungen heran, die sich der Interpretation eines bestimmten
literarischen Werkes widmeten. Der thematische Horizont zwischen
Pflichtlektüren und literarischer Erörterung konvergiert heutzutage in
besonders ausgeprägter Weise: werkübergreifende, aber auf die
Pflichtlektüren bezogene Themen überwiegen heute freier gestellte Aufgaben
bei weitem.
Dies ist, angesichts der Tatsache, dass viele Schülerinnen und
Schüler heutzutage kaum über mehr als die schulisch vermittelten Leseerfahrungen im Umgang mit belletristischer Literatur verfügen, natürlich
nicht zum Nachteil eines großen Teils gegenwärtiger Abiturientinnen und
Abiturienten. Und dass die Aufgabenart "literarische Erörterung"´, wie in
den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (EPA)
2002 niedergelegt, ihren festen Platz neben der
▪ freien Problem- und
Sacherörterung (vgl.
▪
Operator Erörtern) erhalten hat, ist somit nur konsequent.
Zugleich ist freilich zu betonen, dass gerade die literarische Erörterung
eine im Allgemeinen sehr anspruchsvolle Aufgabe darstellt, da sie
umfangreiche Kenntnisse über die Pflichtlektüren, sowie Reflexionsleistungen
über
▪ grundlegende anthropologisch-gesellschaftliche oder kulturästhetische
Sachverhalte erfordert. Ohne eine gute, speziell auf diese Aufgabenart
fokussierte Vorbereitung werden Schülerinnen und Schüler den komplexen
Anforderungen wohl kaum gerecht werden können.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.03.2023