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Themabereich: Lesen
Was löst der Text nach dem ersten Lesen bei mir/uns aus?
Was einem Leser zunächst in den Sinn
kommt, wenn er einen Text zum ersten Mal liest, sind spontane
Leseeindrücke,
so genannte ▪
Erstleseeindrücke.
Es lohnt sich meistens, alles festzuhalten, was einem
nach der ersten Lektüre eines Textes einfällt
Zunächst einmal ist es ziemlich gleichgültig, um was
für einen Text es sich handelt. Wir reagieren schließlich auf jeden
Text, wenn wir ihn zum ersten Mal lesen in gewisser Weise spontan,
auch wenn wir beim Lesen selbst schon versuchen, uns mit den uns
geläufigen Vorstellungen von Texten und gewohnten Strategien der
Sinnfindung in einem Text zurechtzufinden. So "bastelt" also jeder
Leser / jede Leserin dran, dem Text einen subjektiven Sinn zu geben.
Lange bevor man sich also in den Text "hineingekniet" hat, entsteht
in unserem Kopf eine Art Sinnentwurf.
Jeder Text hinterlässt nach der Lektüre durch einen Leser mentale
und emotionale Spuren.
Selbst wenn man meint, man "finde" gar nichts an einem
Text, habe überhaupt nichts verstanden oder einfach keine Lust, einen Text auf sich
wirken zu lassen, zeigen sie sich.
Dabei sind die Spuren, die Texte zunächst bei uns hinterlassen,
nicht nur für das Verständnis von Texten wichtig. Sie sind, wenn wir
uns selbst, unsere Befindlichkeiten ebenso wie unsere Erfahrungen im
Umgang mit Texten mit einfließen lassen, auch sehr interessant und
aufschlussreich für uns selbst: Erfahren wir
doch im "Dialog" mit dem Text eben auch viel über uns selbst.
Aber: Das klappt eben einmal mehr und einmal weniger und hängt von
zahlreichen Faktoren ab.
Bilder und Gefühle mit berücksichtigen
Der beim Lesen entstandene Sinnentwurf muss einem nicht ausformuliert vor Augen stehen. Dies ist auch nur bei einem sehr
geringen Teil der Menschen der Fall. Deshalb ist bei
den Erstleseeindrücken auch so wichtig, alles mit einzubeziehen, was an
der Rezeption beteiligt ist. Und dazu gehören auch Bilder und Gefühle,
die wir in unserer rechten Gehirnhälfte speichern.
▪
Funktionen der beiden
Gehirnhälften
 Nicht
bei jedem dominieren in seinem Denken die Leistungen
der linken Gehirnhälfte, die für diese "sprachlichen
Denkoperationen" besonders
ausgebildet ist. Viele von uns sind auch auf der
rechten Gehirnhälfte
stärker,
die für Bilder, Gefühle usw. "zuständig" ist. Aber gerade auch
die linke Gehirnhälfte tut das Ihre dazu, um Erstleseeindrücke zu
speichern. Nur sind stehen uns diese nicht in
sprachlicher Form zur Verfügung.
Sie sind aber mindestens genau so wichtig,
vielleicht sogar spannender als die Eindrücke auf der anderen, der linken
Gehirnhälfte.
Die Erstleseeindrücke sind bei jedem anders
Im privaten Umgang mit Informationen und Texten, besonders wenn wir
allein sind, brauchen wir uns um unsere spontanen Eindrücke nicht sonderlich kümmern.
Entweder wir folgen ihnen weiter oder lassen es eben sein.
Beim beim ▪
kritischen und
▪ interpretierenden
Lesen ist dies allerdings anders. Hier machen wir uns die
Erstleseeindrücke gezielt zunutze. Selbstverständlich unterscheiden sich die Erstleseeindrücke der Menschen voneinander.
Jeder ist anders, jeder hat andere Vorstellungen, jeder lebt in seiner eigenen
Wirklichkeit und so vielfältig wie diese sind die Spuren, die ein Text im Bewusstsein
oder Unterbewusstsein der verschiedenen Leser hinterlässt.
Aber wie spannend kann es
sein, sich mit anderen darüber auszutauschen! Oder wie aufregend kann es sein, wenn man
beim Verfolgen der "Spuren" Neues über sich selbst erfahren kann!
Erstleseeindrücke beim Interpretieren literarischer
Texte
Bei der ▪
Interpretation
eines literarischen Textes (besonders bei der ▪
werkimmanenten Interpretation) spielen die Erstleseeindrücke bei der
▪
Klärung
des Vorverständnisses eine ganz zentrale Rolle. U
m zu einem vertieften Textverständnis zu gelangen,
ist es dabei von großem Vorteil, wenn man die während und nach bei
der ersten Lektüre entstandenen Urteile, Deutungsansätze und
Sinnkonstruktionen wahr- und zur Kenntnis nimmt und das Ganze als
sein erstes
Textverständnis annimmt bzw. akzeptiert. Denn: Die "Vermutungen",
die wir von unserem
jeweiligen Vorverständnis ausgehend über den Text anstellen, setzen uns quasi
die Brille auf, durch die hindurch wir einen Text zunächst einmal sehen.

Wie es nach dem Festhalten von Erstleseeindrücken
weitergehen kann, verdeutlicht der sogenannte ▪
hermeneutische
Zirkel, der die Denkbewegungen als ▪
fragendes Verstehen vom Text weg und wieder zum Text
zurück, als Grundlage für das Textverstehen ansieht. In Form
einer Zirkelbewegung, die immer wieder zur Vertiefung, Erweiterung
und Neukonstruktion dieses ersten Textverständnisses zurückführt,
entwickelt sich das Textverständnis immer weiter.
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.04.2022
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