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Die Räuber

Entstehungsgeschichte des Dramas

Friedrich Schiller (1759-1805)

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Friedrich Schiller Biographie
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"Die Räuber" haben eine sehr wechselvolle Entstehungsgeschichte. Schulz (1959, S. 14) spricht sogar von einem "mäandrischen Entstehungsprozess, der fortdauernden Umschmelzungen und Ergänzungen" der "Räuber", "die schließlich, nachdem die Frage der Aufführung des Stückes im Mannheimer Nationaltheater in Schillers Blickfeld rückte, in die großen Auseinandersetzungen mit Wolfgang Heribert von Dalberg (1750-1806) mündete, bis Schiller sich um die Zeit der Uraufführung des völlig veränderten Stückes anschickte, ihm abermals eine neue Form zu geben."

Etwas kompliziert wird die Geschichte der "Räuber" aber vor allem deshalb, weil fortwährende Um- und Bearbeitungen des ursprünglichen Lesedramas auch zu verschiedenen zeitgenössischen Bühnenfassungen des Stücks führen, an denen Schiller zwar beteiligt ist, nicht aber immer den bestimmenden Einfluss ausübt.

Die wichtigsten • Fassungen der "Räuber" sind:

Friedrich Schiller selbst beschreibt zwei Jahre nach der Uraufführung der • "Räuber", bei der Ankündigung der von ihm und anderen herausgegebenen Zeitschrift "Rheinische Thalia" (11. 11.1784), die Zeit seines Lebens, in der sein Debütdrama entsteht:

"Ich schreibe als Weltbürger, der keinem Fürsten dient. Frühe verlor ich mein Vaterland, um es gegen die große Welt auszutauschen, die ich nur eben durch die Fernröhre kannte. Ein seltsamer Mißverstand der Natur hat mich in meinem Geburtsort zum Dichter verurteilt. Neigung für Poesie beleidigte die Gesetze des Instituts, worin ich erzogen ward, und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre rang mein Enthusiasmus mit der militärischen Regel; aber Leidenschaft für die Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie ersticken sollte, fachte sie an. Verhältnissen zu entfliehen, die mir zur Folter waren, schweifte mein Herz in eine Idealenwelt aus – aber unbekannt mit der wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe schieden – unbekannt mit den Menschen – denn die vierhunderte, die mich umgaben, waren ein einziges Geschöpf, der getreue Abguß eines und eben dieses Modells, von welchem die plastische Natur sich feierlich lossagte – unbekannt mit den Neigungen freier, sich selbst überlassener Wesen, denn hier kam nur eine zur Reife, eine, die ich jetzo nicht nennen will; jede übrige Kraft des Willens erschlaffte, indem eine einzige sich konvulsivisch spannte; jede Eigenheit, jede Ausgelassenheit der tausendfach spielenden Natur ging in dem regelmäßigen Tempo der herrschenden Ordnung verloren – unbekannt mit dem schönen Geschlecht – die Tore dieses Instituts öffnen sich, wie man wissen wird, Frauenzimmern nur, ehe sie anfangen interessant zu werden, und wenn sie aufgehört haben es zu sein – unbekannt mit Menschen und Menschenschicksal mußte mein Pinsel notwendig die mittlere Linie zwischen Engel und Teufel verfehlen, mußte er ein Ungeheuer hervorbringen, das zum Glück in der Welt nicht vorhanden war, dem ich nur darum Unsterblichkeit wünschen möchte, um das Beispiel einer Geburt zu verewigen, die der naturwidrige Beischlaf der Subordination und des Genius in die Welt setzte. – Ich meine die »Räuber«.
Dies Stück ist erschienen. Die ganze sittliche Welt hat den Verfasser als einen Beleidiger der Majestät vorgefordert – Seine ganze Verantwortung sei das Klima, unter dem es geboren ward. Wenn von allen den unzähligen Klagschriften gegen die Räuber eine einzige mich trifft, so ist es diese, daß ich zwei Jahre vorher mich anmaßte, Menschen zu schildern, ehe mir noch einer begegnete.
Die Räuber kosteten mir Familie und Vaterland – – In einer Epoche, wo noch der Ausspruch der Menge unser schwankendes Selbstgefühl lenken muß, wo das warme Blut eines Jünglings durch den freundlichen Sonnenblick des Beifalls munterer fließt, tausend einschmeichlende Ahndungen künftiger Größe seine schwindelnde Seele umgeben und der göttliche Nachruhm in schöner Dämmerung vor ihm liegt – mitten im Genuß des ersten verführerischen Lobes, das ungehofft und unverdient aus entlegenen Provinzen mir entgegenkam, untersagte man mir in meinem Geburtsort bei Strafe der Festung – zu schreiben. Mein Entschluß ist bekannt – ich verschweige das übrige, weil ich es in keinem Falle für anständig halte, gegen denjenigen mich zu stellen, der bis dahin mein Vater war. Mein Beispiel wird kein Blatt aus dem Lorbeerkranz dieses Fürsten reißen, den die Ewigkeit nennen wird. Seine Bildungschule hat das Glück mancher Hunderte gemacht, wenn sie auch gerade das meinige verfehlt haben sollte."

Die Hauptentstehungszeit von Friedrich Schillers Drama "Die Räuber", das binnen kurzer Zeit "zum Kultbuch der jungen Generation" (Alt Bd. I, 2004, S. 277) werden sollte und ihren Dichter in den kommenden Jahren - auch wenn das Bild zu seinem eher gesetzten, manierlichen und stillen Wesen wenig passt (vgl. Storz 1959/31963, S.21) -  "zum Inbild des jungen Wilden " (Aufenanger 2006, S.44) macht, fällt in die Jahre 1779 und 1780.

Das Stück ist fertig, als Schiller im Dezember 1780 mit 21 Jahren die Militärakademie verlässt, wie sein Freund Friedrich von Hoven (1759-1838) später in seinen Erinnerungen berichtet. (vgl. Zymner 2002, S. 9)

Erste Arbeiten am Stück gehen aber wahrscheinlich schon in das Jahr 1776 zurück. Um sein Stück fertig zu schreiben, lässt sich Schiller mehrmals ins Krankenzimmer einweisen, um auch bei Tageslicht weiterarbeiten zu können. Im normalen Dienstablauf ist dies nur in den späten Abendstunden, meistens in tiefer Nacht und unter Kerzenschein, dazu noch bei weit strengerer Aufsicht in den Schlafsälen der   Karlsschule möglich.

So erinnert sich seine Schwester Christophine: "Die Zöglinge der Akademie durften abends nur bis zu einer bestimmten Stunde Licht brennen. Da gab sich Schiller, dessen Phantasie in der Stille der Nacht besonders lebhaft war, und der in den Nächten sich gern selbst lebte, was der Tag nicht erlaubte, oft als krank an, um in dem Krankensaale der Vergünstigung einer Lampe zu genießen. In solcher Lage wurden die 'Räuber' zum Teil geschrieben. Manchmal visitierte der Herzog den Saal; dann fuhren die 'Räuber' unter den Tisch; ein unter ihnen liegendes medizinisches Buch erzeugte den Glauben, Schiller benutze die schlaflosen Nächte für seine Wissenschaft." (Grawe 1976/2002, S.124, dort zit. n. Hoyer, S.38, ähnlich Caroline von Wolzogen, vgl.Alt Bd. I, 2004, S. 277)

Eine Handskizze (hier die Ausführung als Kupferstich seines Sohnes Karl Heideloff nach dieser (s.o.) seines Mitschülers Viktor Peter Heideloff zeigt Schiller aus seinem Werk deklamierend im Bopserwald im Kreis seiner Freunde.

Karl Heideloff, Sohn von Schillers Mitzögling Viktor Heideloff hat überliefert, was ihm sein Vater über dieses Treffen berichtet hat:

"Da [...] ästhetische Besprechungen im Krankenzimmer bei der ängstlich-strengen Aufsicht zu beschränkt und kärglich waren, so beschloss Schiller mit seinen Kameraden, die Gelegenheit des nächsten Spaziergangs zu benützen, um an einem ruhigen und ungestörten Orte die 'Räuber: zur Beurteilung und zum Genuss, wie Schiller es gerne tat, vorzutragen.
Als [...] sie in Begleitung des Hauptmanns und der andern Zöglinge am frühen Morgen eines schönen Sonntags des Mai über die Weinsteige in das so genannte Bopserwäldchen einen Spaziergang machten, sonderten sich die in den Plan Eingeweihten ihrer Verabredung gemäß von den andern ab und [...] gingen [...] tiefer in den Wald hinein. Hier lagerten sie sich, ihren Schiller umkreisend, der auf den hervorstehenden Wurzeln eines der stärksten Fichtenbäume Posto gefasst hatte.[...]
Nach Heideloffs, von Hovens und Schlotterbecks Angabe war Schillers Stimmung während seines Vortrags eine sehr heitere, mit sichtbarem Ausdruck eines behaglichen Gefühls der errungenen Freiheit und der Einsamkeit, in Umgebung des Waldes und der Freundschaft. Seine Deklamation war anfänglich eine ruhige. Als er aber zur Stelle der fünften Szene des vierten Akts gelangte, wo Räuber Moor mit Entsetzen seinen tot geglaubten Vater vor dem Turm anredet, steigerte sie sich in dem Grade, dass seine Freunde, mit gespannter Aufmerksamkeit Aug' und Ohr ihm zugewandt, durch den Ausbruch seines Affekts in Bestürzung gerieten, durch die Großartigkeit seiner Arbeit aber in Erstaunen, Bewunderung und in fast endlose Beifallsbezeugungen übergingen." (zit. n. Grawe 1976/2002, S.125f.)

Seit dem November 1780 bemüht sich Schiller "Die Räuber" zu veröffentlichen, doch seine Suche nach einem Verleger verläuft zunächst ergebnis-, wenngleich auch nicht folgenlos. Als ihm im März 1781 die ersten sieben von insgesamt vierzehn  Bogen im Reindruck vorliegen, sendet Schiller sie dem Mannheimer Verleger und Inhaber der dortigen Hofbuchhandlung • Christian Friedrich Schwan (1733-1815), der auf dem süddeutschen Literaturmarkt und insbesondere im kulturellen Leben der kurpfälzischen Residenzstadt eine bedeutende Position einnimmt. Schwan, den Schiller sehr schätzt, weil er sehr früh an seine dichterischen Fähigkeiten glaubt - 1795 hält er sogar ergebnislos um die Hand von dessen ältester Tochter • Anna Margaretha (1766-1796) an - verkörpert "den typischen Verleger seiner Generation". (Alt Bd. I, 2004, S. 280)

Im Verlagsgeschäft ist Schwan ein knallhart kalkulierender Kaufmann, der stets seinen eigenen Interessen gegenüber den finanziellen Wünschen sozial bedrängter Autoren den Vorrang gibt. Auch Schillers Werke lässt er später, wie das zu dieser Zeit ohne jeden Urheberrechtsschutz eben üblich ist, mehrfach ohne jede Absprache mit dem Autor und vor allem ohne die geringste Bezahlung nachdrucken, als er feststellt, dass der Markt nach den Schöpfungen des jungen Autors verlangt. Und die dem Publikumsgeschmack angepasste Bühnenbearbeitung der "Räuber" ist dann natürlich selbstredend auch darunter.

Das Haus des auch am kurpfälzischen Hof geschätzten Verlegers, der seit 1778 den Titel eines Hofkammerrats führen darf, ist eine Drehscheibe des kulturellen Lebens in Mannheim. Und zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten des literarischen Lebens in Deutschland verkehren mit seinem Besitzer oder machen in dem in großbürgerlichem Stil geführten Haus auf ihren Reisen Rast wie z. B. Lessing, Goethe, »Herder, »Wieland, Schubart, »Lenz oder »Sophie La Roche.

Was das Verlagsgeschäft anbelangt, bringt er auf den Markt, was das Publikum wünscht und geht mit seinen Autoren mitunter recht rüde um. Schiller erlebt ihn wohl nicht so, was erklärt, dass er ihn in seinem weiteren Leben zu seinen zuverlässigsten Freunden in Mannheim zählt.

1786 schreibt Schiller an L. F. Huber: "Schwan ist der erste Ausländer, der mir sagte, ich wäre etwas, der erste überhaupt. den meine Schriftstellerei angeworben, und der keinen geringen Anteil an der Fortdauer meiner Autorschaft hat. Von meinen eigenen Landsleuten ignoriert, empfing ich von ihm die Opferung, und die erste so süß, so unvergesslich." (Brief v. 17.5.1786, zit. n. Lautenbach 2003, S. 707)

Zunächst werden die Hoffnungen Schillers auf den Mannheimer Verleger jedoch enttäuscht. Schwan lehnt es ab, die "Räuber" wegen ihrer Zumutungen für das Publikum zu veröffentlichen.

Als Resonanz darauf und wahrscheinlich auf eine Anregung Schwans hin verfasst Schiller seine "Vorrede" zum Stück, in der  wegen seines Inhalts davon abrät, sein "Schauspiel auf der Bühne zu wagen." (Schiller, Vorrede zu den "Räubern") Aber auch wenn Schwan aus kaufmännischen Überlegungen und Rücksichtnahmen auf das Publikum an den "Räubern" als Verleger nicht interessiert ist, liegt ihm das Debütdrama des in seinen Augen sehr talentierten Schiller doch am Herzen. Da er zugleich maßgeblichen Einfluss auf das Mannheimer Nationaltheater hat, für dieses eigene Bühnenbearbeitungen französischer Dramen schreibt und immer wieder auf den Spielplan des Theaters Einfluss nimmt, macht er den Intendanten des Mannheimer Theaters, • Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg (1750-1806), auf das Stück aufmerksam. "Voller Enthusiasmus", schreibt Dalberg in einem Brief an • Christian Gottfried Körner (1756-1831) vom 14.7.1781, habe er diesem die ersten sieben Bogen "brühwarm" vorgelesen. (vgl. Wais 2005, S.30)

Schiller, der entschlossen ist, sein Erstlingswerk unter allen Umständen zu publizieren, bleibt aber währenddessen nichts anderes übrig, als das Stück auf eigene Rechnung drucken und damit im Selbstverlag erscheinen zu lassen. Bis zum Ende April ist die erste Auflage in Höhe von 800 Exemplaren wahrscheinlich bei Johann Philipp Erhard in Stuttgart gedruckt, eine der drei zu diesem Zeitpunkt in der Stadt befindlichen Druckereien.

Das Stück erscheint als Ganzes Ende Mai/Mitte Juni anonym und unter Angabe eines fingierten Druckorts (Die Räuber. Ein Schauspiel, Frankfurt und Leipzig, 1781), anders war dies unter den politischen Bedingungen im • Herzogtum Württemberg unter Carl Eugen kaum möglich.

Grundsätzlich gesehen ist der Selbstverlag von Büchern in dieser Zeit nichts besonderes und • Lessing, • Goethe und etliche andere Autoren müssen dies bewerkstelligen, weil "minimale Honorare oder Desinteresse der Verleger" (Fröhlich 1998, S.72) keine andere Wahl lassen. Mit Subskriptionen (verbindlichen Vorbestellungen) oder Pränumeration (Vorauszahlung) können aber nur wenige Autoren, die einen Namen und entsprechendes Vertrauen genießen, die Risiken von Fall zu Fall vergleichsweise gering halten. Für einen gänzlich unbekannten Autor bzw. ein Werk, das anonym erscheint, birgt die von Schiller gewagte Auflagenhöhe beträchtliche Risiken, auch wenn das Leseinteresse in Deutschland gerade Ende des 18. Jahrhunderts allmählich steigt und das Lesepublikum zunimmt.

Aber von einer regelrechten allgemeinen "Lesewut", wie hin und wieder behauptet, ist wohl kaum auszugehen, wenn man die Fakten sprechen lässt: Auf etwa 25 Millionen Einwohner in den deutschen Ländern kommen etwa sechs Millionen, die lesen können, und nur 0,01% sind Bücherkäufer, so dass durchschnittlich eine Auflage von 2000 bis 3000 Exemplaren ausreicht, auch wenn es bemerkenswerte Ausnahmen gibt. Aber: Jedes Buch, so nimmt man an, geht durch zahlreiche Hände und findet in der Regel mehr als 10 Leser. (vgl. Kiesel/Münch 1977, S. 160-162)

Möglicherweise auch auf die Reaktion Schwans hin arbeitet Schiller noch während der Drucklegung einige Stellen der Szenen I,1 und I,2 seines Dramas um, "entschärft" sie dadurch und tauscht sie gegen die ursprüngliche Fassung aus.

Der Druck des Stückes ist für Schiller ein hohes finanzielles Risiko. Er muss ein Darlehen von 150 Gulden aufnehmen, um die Druckkosten zu bezahlen. Natürlich hofft er darauf, dass er die Schulden nach dem von ihm erwarteten Verkaufserfolg schnell wieder begleichen kann. Doch was durch den Verkauf der "Räuber" hereinkommt, reicht dazu nicht aus. Schlimmer noch: Die geliehene Summe wird fortlaufend verzinst und diese Schulden belasten ihn lange Jahre und stürzen ihn eine fortlaufende Reihe finanzieller Abhängigkeiten und Zwänge. Peter-André Alt (Bd. I, 2004, S. 279) führt nicht zuletzt darauf "Schillers bis zum Geiz gesteigerte Sparsamkeit" zurück, "die ihn später zu einem genau rechnenden Geschäftsmann werden lässt."

Und doch hätte der weitere Erfolg der "Räuber" unter anderen Umständen natürlich mehr als finanziell sanieren können. Aber ein Urheberrecht modernen Zuschnitts, das ein geistiges Eigentumsrecht eines Autors als immaterielles Gut mit vermögensrechtlichem Charakter ansieht, ist noch über Jahrzehnte nicht in Sicht, so dass Werke aller Autoren, vor allem in den jeweils anderen Staaten Deutschlands, ungeniert nachgedruckt werden, ohne dass der Autor nur im Geringsten dabei abgefunden wird.

Und auch von der Tatsache, dass die "Räuber" später auf vielen deutschsprachigen Bühnen gespielt werden, hat Schiller nichts. Schillers Verleger in späteren Jahren, der Leipziger Georg Joachim Göschen (1752-1828), klagt einmal, dass er von einem anderen Drama Schillers, dem »Don Karlos (1783-87), in zehn Jahren gerade mal 1500 Exemplare verkauft, die Nachdrucker aber 20000 Exemplare auf dem Markt abgesetzt hätten. Aber auch die "Hausverleger" ziehen, selbst wenn sich dies allmählich ändert, ihre "Hausautoren" lange über den Tisch und lassen, was offenbar eine beliebte Vorgehensweise ist, "oftmals als Nachdrucke getarnte Doppeldrucke" herstellen, die sie ihrem Autor einfach verschweigen, um einer Nachhonorierung aus dem Weg zu gehen. (vgl. Fröhlich 1998, S.77)

Vertrieben wird das als Lesedrama gedachte Werk wohl über die J. B. Metzlersche Verlagshandlung. Der Stuttgarter Buchhändler, der die erste Auflage in Kommission erwirbt, nimmt das Werk auf verschiedene Buchmessen im Jahr 1781 mit, zu Hause vertreibt Schiller sein Werk selbst, wobei er viele Exemplare auch kostenlos an Freunde, frühere Mitzöglinge der Karlsschule und an Familienmitglieder verteilt. Ende 1781 ist Johann Benedikt Metzler wohl sämtliche Exemplare des "Lesedramas" los, aber beträchtliche Stückzahlen sind dabei für Werbezwecke weggegangen oder werden wegen mangelnder Nachfrage einfach verschenkt bzw. von einem Stuttgarter Antiquar namens Johann Christoph Betulius verramscht. (vgl. Schulz 1959, S.20)

Trotz alledem: Deutschlandweit erhält Schiller, auch wenn die großen Zeitschriften wie Wielands "Teutscher Merkur" und Boies "Deutsches Museum" die "Räuber" links liegen lassen, großen Beifall für sein Lesedrama, nur in Württemberg, seinem Heimatland wird Schiller von seinen Landsleuten weiter ignoriert. (vgl. ebd.)

Zugleich aber geht die Geschichte des Bühnenstücks weiter. Als Schwan Ende Juni 1781 eines der fertigen Exemplare in die Hände bekommt, liest er das Stück Dalberg, von Gemmingen und den Schauspielern Böck und Iffland vor, die einhellig zur Auffassung gelangen, dass das Stück "vom Schmutze gereinigt" und an die geltenden "Regeln der Schauspielkunst" angepasst, auf der Bühne Erfolg haben werde (Brief Schwans an Chr. K. Körner vom, 14.7.1781, vgl. Wais 2005, S.32) Und ganz in diesem Sinne sendet Schwan Schiller im August 1781 ein durchgesehenes Exemplar der "Räuber" mit Vorschlägen zur Bühnenbearbeitung. Zudem zeigt er sich nicht abgeneigt, eine revidierte Fassung der "Räuber" zu verlegen.

Dalberg fordert Schiller daraufhin auf, die "Räuber" für die Mannheimer Bühne entsprechend zu bearbeiten, was dieser in seinem Antwortbrief zusagt. Bei seiner Überarbeitung des Textes berücksichtigt Schiller auch die erste Rezension des Stückes durch Christian Friedrich Timme in der Erfurtischen Gelehrten Zeitung vom 24. 7. 1781, die u. a. Kritik an der Nichtbeachtung der Regeln, insbesondere bei der "Verletzung der Einheiten", äußert und eine Kürzung von Überflüssigem fordert.

Und dazu zählen eine ganze Reihe von Figuren: Daniel, Herrmann und etliche Räuber. Aber trotz seiner insgesamt positiven Rezension ("Haben wir je einen teutschen Shakespear zu erwarten, so ist es dieser.") merkt Thimme dabei doch mit kritischem Zeigefinger an:

"Ich weis es wohl, daß es zum beliebten Scheniewesen gehört, auf Regeln aus Schulgeschwätz zu schimpfen, Aristoteles und Batteaux für Dummköpfe zu halten, über Stock und Stein querfeldein zu springen und Zaun und Hecken niederzutreten. Aber ich weis auch, daß wir nur noch kurze Zeit so fortfahren dürfen, um alles, was die besten Köpfe seit Jahrhunderten gebaut haben, niederzureisen, und mit Sturm und Drang, Sing und Sang in das beliebte Zeitalter der Gothen zurückzukehren." 

Im Spätsommer des Jahres 1781 macht sich Schiller, unterbrochen durch seine Erkrankung während einer Ruhrepidemie, an die Arbeit, um das Lesedrama "bühnenreif" zu machen. Doch Dalberg lässt nicht locker. Er will umfangreiche Änderungen am Text, die Schillers Ego ebenso wie sein kunstästhetisches Empfinden und Wollen auf eine harte Probe stellen.

Auch wenn die Änderungswünsche, die Dalberg dem jungen Schiller im Sommer 1781 zukommen lässt, nicht überliefert sind, kann man wohl davon ausgehen, dass es "die kolossalische Größe, die gigantische Übersteigerung, die rauschhafte Unbedingtheit der Charaktere, ihrer Entschlüsse und ihres Geschickes" (Schmidt 1959, S.154f.) sind, an denen der Intendant etwas auszusetzen hat. Ein Stück, das "geradezu von ekstatischer Maßlosigkeit und menschlicher Verworfenheit lebte [...] musste »gezähmt«, die wilde Unmenschlichkeit seiner Charaktere gemildert, die chaotische Konsequenz seiner Handlungsführung abgebogen werden." (ebd., S.155)

Darin ist sich Dalberg mit anderen einig: "die durch Anstand und Schicklichkeit gezogenen Grenzen" gelten ihnen für "unüberschreitbar". (ebd.) So ist für ihn klar, dass "das Stück so weit wie möglich auf die Basis einer am abschreckenden Beispiel sinnfällig gemachten Demonstration bürgerlicher Moralität zu stellen" ist, um es dem nach Moral dürstenden Publikum in Mannheim überhaupt zumuten zu können. "Sentimentale Familienmoralität und pseudoritterliches Bühnenheldentum" (ebd., S.157) sind dort gefragt, und lassen Dalberg zur Überzeugung gelangen, dass "Die Räuber" "nur als »Familiengemälde« des Hauses Moor" (ebd., S. 155) in den Mannheimer Spielplan passen.

Da Schiller auf jeden Fall Erfolg und öffentliche Anerkennung als Theaterautor erringen will, ist er zu Konzessionen bereit, fügt ein paar neue Szenen in das Stück ein und sendet seine überarbeitete Fassung an Dalberg. Den "Räubern" hat er dafür sogar den neuen Titel "Der Verlorne Sohn" verpasst, den er aber bis zur Uraufführung des Stückes im Januar 1782 wieder zurückzieht. Doch Dalberg gehen die Umarbeitungen Schillers, dessen Autorschaft am 22. Oktober 1781 von der "Erfurtischen Gelehrten Zeitung" allgemein bekannt gemacht wird, nicht weit genug. Immer noch sind nämlich die  "aufrührerische, revolutionäre Grundtendenz mit ihren heftigen Anklagen gegen die Verrottung der bürgerlichen Gesellschaft und die despotische Willkür der Herrschenden" (ebd., S.157) allen Enden herauszuhören.

Orientiert am Mannheimer Publikumsgeschmack und dem Stil des Mannheimer Theaters bietet sich für ihn das »Ritterdrama« geradezu an, um die zeitkritischen Töne des Stückes mit einem Schlag zu tilgen. Konsequenz dieser Überlegung ist, die "Rückverlegung der ganzen Handlung ins Maximilianische Zeitalter, die Epoche des sich seinem Ende zuneigenden mittelalterlichen Rittertums". (vgl. ebd.)

So weitgehende politische Rücksichtnahme geht Schiller indessen zu weit, weil er glaubt, "daß das ganze Stück untergehen würde, wenn die Zeit, worin es geführt wird, verändert würde". (Brief an Dalberg vom 3.11.1781, zit. n. Wais 2005, S.34). Ja selbst der Mannheimer Schauspieler-Ausschuss wendet sich in seiner Erklärung »wider das altdeutsche Kostüm«. (vgl. Schmidt 1959, S.157) Doch Dalberg lässt Schiller, der sich seit dem Herbst 1781 auch schon mit der Zusammenstellung von Beiträgen für seine "Anthologie auf das Jahr 1782" beschäftigt, keine Wahl. Er ist entschlossen, "die Gattung der an seiner Bühne so erfolgreich aufgeführten Helden- und Ritterstücke um ein bedeutendes Exemplar zu bereichern". (ebd.).

Dalberg, der diesen Plan unbeirrt verfolgt, setzt seinen Kopf allerdings weiter durch: Als die "Räuber" schließlich am 13.1.1782 mit dem jungen Iffland in der Rolle des Franz Moor in seinem Theater in Mannheim uraufgeführt werden, hat er, im Soufflierbuch der Aufführung bis heute dokumentiert, eigenmächtig, zumeist aus bühnentechnisch-dramaturgischen Gründen weitere Änderungen vorgenommen.

Auch wenn sich Schiller am Anfang seiner Karriere einem hochdekorierten und in der Kulturszene namhaften Mann wie Dalberg notgedrungen unterwerfen muss, lässt er nicht davon ab, eine eigene Bühnenfassung seines Stücks mit an der Aufführung in Mannheim orientierten Handlungselementen herauszubringen.

Was herauskommt, ist ein "Kompromiss" (Sautermeister (2005, S. 2),  der  die ältere Gliederung in fünf Akte wiederherstellt und einige stilistische Änderungen vornimmt, aber auch wesentliche für die Mannheimer Aufführung modifizierte Handlungselemente beibehält. Das Titelblatt dieser von Schwan verlegten Fassung "Die Räuber, ein Trauerspiel von Friedrich Schiller. Neue für die Mannheimer Bühne verbesserte Auflage. Mannheim, in der Schwanischen Buchhandlung 1782" signalisiert, dass es sich dabei um die im Gegensatz zur Erstfassung des "Lesedramas" um eine reine Bühnenfassung handelt. Aber auch diese Neubearbeitung des Dramas durch Schiller, mit der er hofft, grundlegende Einwände namhafter Kritiker abgewehrt zu haben, findet nicht überall Zustimmung. So äußert sich Christop Martin Wieland in einem Brief an Schwan, dass auch das modifizierte Werk in seinen Augen nicht "vor dem Richterstuhle der Vernunft und des Geschmacks bestehen könnte." (zit. n. Hinderer 1992/2005b, S. 11, dort. zit. n. Böhm 1960, S.597-602)

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 30.10.2023

   
 

 
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Schiller, Die Räuber - Entstehungsgeschichte

Überblick

     
      
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie wesentlichen Stationen der Entstehungsgeschichte der "Räuber" heraus.

  2. Verfassen Sie einen Kurzvortrag zu dem Thema.

 →Operatorenkatalog des Landes Baden-Württemberg)

 
      
   
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