•
Gesamttext
/Recherche/Leseversion)
Friedrich Schiller
unternimmt seit Ende November/Anfang Dezember 1780, während seiner
letzten Wochen auf der
•
Karlsschule von Herzog
•
Carl Eugen von Württemberg (1728-93), ernsthafte Versuche, sein Debütdrama
"Die
Räuber" zu veröffentlichen.
Da ihm dies unter den
politischen Verhältnissen im absolutistisch regierten
Württemberg nicht möglich ist, versucht er, im benachbarten Ausland
einen Verleger zu finden. Da ihm, wie allen anderen Eleven der
Militärakademie auch, solche Kontakte untersagt sind, bittet er seinen
Jugendfreund und ehemaligen Mitzögling an der Karlsschule •
Johann Wilhelm Petersen (1758-1805),
der schon seit 1779 als Bibliothekar in Stuttgart arbeitet, ihm
behilflich zu sein.
In einem undatierten, aber wohl zu dieser Zeit
abgefassten Brief an diesen, legt er Petersen dar, was ihn dazu
veranlasst. Als ersten Grund führt er an, er brauche Geld und hoffe, ein
Verleger werde ihm annähernd so viel bezahlen, wie dem Vernehmen nach
der schwäbische Lyriker Stäudlin mit seiner Dichterei verdiene. Zweitens
wolle er durch eine praktische Probe herausfinden, "was er für ein
Schicksal als Dramatiker zu erwarten habe"; Drittens hege er "die
Erwartung, die Hoffnung und die Begierde, welches alles mir meinen
Aufenthalt im Loche der Prüfung [der Karlsschule, d. Verf.] verkürzen
und mir die Grillen zerstreuen soll". Und als vierten Grund bringt er
zum Ausdruck, dass "Schrifften aus dem Felde der Poesie, Tragödien usw."
, seinen beruflichen Plänen für die Zukunft, nämlich "Professor
der Physiologie und Medizin zu werden" im Wege stünden. Aus diesem
Grunde, so der Tenor seiner Ausführungen, wolle er es bei diesem Werk
denn auch belassen. (vgl.
Buchwald 1959, S.295; Zitate aus dem Brief Schillers, z. T. auch
zit. n.
Wais 2005, S. 27)
Doch die hochfliegenden Pläne einer wissenschaftlichen Karriere finden
schnell ihr Ende. Herzog Carl Eugen gewährt ihm nämlich lediglich die
"Gunst", als
•
Regimentsmedicus im wenig angesehenen Regiment Augé zu dienen, als
Schiller am 15. Dezember 1780 die Militärakademie endlich verlassen
darf.
Aber nicht nur diese Hoffnungen Schillers zerschlagen sich.
Petersen kann keinen Verleger für das Erstlingswerk seines Freundes
finden. Und trotz allem: Schiller lässt sich nicht entmutigen, verfolgt
fortan wieder entschlossener seine schriftstellerischen Ambitionen und
unternimmt einen wagemutigen Schritt: Da er keinen Verleger für
seine "Räuber" findet, lässt er das Werk auf eigene Kosten und unter
Angabe eines fingierten Druckorts (Frankfurt und Leipzig) in einer
Stückzahl von 800 Exemplaren drucken. (•
Titelblatt der Erstausgabe) Dafür muss er sich beträchtlich verschulden, kann aber die
Schulden aus dem Erlös, den der • Verkauf
des Werkes durch den Stuttgarter Buchhändler J. B. Metzler erzielt,
nicht decken und gerät aus diesem Grund über einen Zeitraum von mehreren
Jahren in große finanzielle Bedrängnis.
Die Erstausgabe lässt Schiller
als "Schauspiel" bezeichnen. Diese Fassung gilt, "da sie die
dramatischen Intentionen des Verfassers unabhängig von theater- und
publikumspolitischen Rücksichten verwirklicht"
(Grawe
1976/2002, S.74) als die Standardfassung der "Räuber".
Sie
liegt allen Veröffentlichungen des Textes als Schullektüre zugrunde.
Noch während des Drucks dieser Fassung ersetzt Schiller eine schon
gedruckte Vorrede (= • "Die unterdrückte Vorrede 1781" - vgl.
Grawe
1976/2002, S.145-148) "durch eine maßvoller formulierte und
den schon gesetzten zweiten Textbogen [...] [=
•
Der unterdrückte Bogen B, d. Verf.] durch eine stilistisch gezügeltere und zügigere
Version." (Sautermeister
2005, S. 1) Wahrscheinlich will er damit, "seinem Stück im
letzten Augenblick noch den Weg auf die Bühne erleichtern" (Safranski
2004, S. 132), dem er ja eigentlich jede Bühnentauglichkeit selbst
abgesprochen hat.
Von dieser Erstfassung existiert eine "zwote verbesserte Auflage", die,
textlich kaum verändert, Anfang 1782 "bei Tobias Löffler" und dem erneut
fingierten Druckort "Frankfurt und Leipzig" erschienen ist.
Für diese
Ausgabe verfasst Schiller ein kurzes Vorwort, in dem er betont, dass die
Verbesserungen nicht den Kern des Stückes ausmachen: "Eine Verbesserung
in dem Wesen des Stüks, die den Wünschen meiner Freunde und Kritiker
entspräche, durfte die Absicht dieser Auflage nicht seyn." (aus:
"Vorrede zur zwoten Auflage" vom 5.1.1782, zit. n.
Grawe
1976/2002, S.149) Bekannt ist diese Ausgabe (auch:
Löwenausgabe genannt) vor allem durch
die Verwendung der Löwenvignette und dem Zusatz "In tirannos" (= gegen
die Tyrannen") auf dem Buchtitel, was offenbar nicht nach dem Geschmack
Schillers gewesen ist. (vgl.
Hofmann 2003, S. 39)
Wahrscheinlich zu Werbezwecken auf dem
Buchtitel angebracht, wird diese Ausgabe so aber "unnötig aktualisiert
und politisiert" (Sautermeister
2005, S. 2), denn mit seinem für die zweite Auflage hinzugefügten
Hinweis im Personenverzeichnis, "die Zeit der Geschichte um Mitte des
achtzehnten Jahrhunderts" macht der Autor selbst auf die Aktualität des
Bühnengeschehens aufmerksam. In der ersten Schauspielfassung, die
den Schulausgaben des Dramas zugrunde liegt, findet sich dieser Zusatz
freilich nicht.
Schiller selbst mag jedenfalls die "zwote verbesserte
Auflage" auch deshalb wenig und es spricht einiges dafür, dass die
Kritik der Ausgabe in einer Buchanzeige in •
Balthasar Haugs (1731-1792) "Zustand der Wissenschaften und
Künste in Schwaben" auch Schillers Zustimmung findet. Darin wird nämlich
kritisiert, das die Titelvignette mit dem grimmig dreinblickenden und
mit seiner Vordertatze zum Schlag ausholenden Löwen eine "höchst elendes
Kupfer", das Ganze überhaupt eine "heillose Edition" sei. (zit. n.
ebd.)
Schiller jedenfalls hat die zweite Ausgabe bei seiner weiteren Arbeit
mit den "Räubern" stets links liegen gelassen und stattdessen immer
wieder auf die von ihm besorgte Erstausgabe der "Räuber"
zurückgegriffen.
•
Gesamttext
/Recherche/Leseversion)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.10.2023