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Friedrich Schiller
selbst beschreibt zwei Jahre nach der Urauffführung der "Räuber",
bei der Ankündigung der von ihm und anderen herausgegebenen Zeitschrift
"Rheinische Thalia" (11. 11.1784), die Zeit seines Lebens, in der
sein Debütdrama entsteht:
"Ich
schreibe als Weltbürger, der keinem Fürsten dient. Frühe verlor ich
mein Vaterland, um es gegen die große Welt auszutauschen, die ich nur
eben durch die Fernröhre kannte. Ein seltsamer Mißverstand der Natur hat
mich in meinem Geburtsort zum Dichter verurteilt.
Neigung für Poesie beleidigte die Gesetze des Instituts, worin ich
erzogen ward, und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre
rang mein Enthusiasmus mit der militärischen Regel; aber Leidenschaft
für die Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie
ersticken sollte, fachte sie an. Verhältnissen zu entfliehen, die mir
zur Folter waren,
schweifte mein Herz in eine Idealenwelt aus – aber unbekannt mit der
wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe schieden – unbekannt mit den
Menschen – denn die vierhunderte, die mich umgaben, waren ein einziges
Geschöpf, der getreue Abguß eines und eben dieses Modells, von welchem
die plastische Natur sich feierlich lossagte – unbekannt mit den
Neigungen freier, sich selbst überlassener Wesen, denn hier kam nur eine
zur Reife, eine, die ich jetzo nicht nennen will; jede übrige Kraft des
Willens erschlaffte, indem eine einzige sich konvulsivisch spannte;
jede Eigenheit, jede Ausgelassenheit der tausendfach spielenden Natur
ging in dem regelmäßigen Tempo der herrschenden Ordnung verloren –
unbekannt mit dem schönen Geschlecht – die Tore dieses Instituts öffnen
sich, wie man wissen wird, Frauenzimmern nur, ehe sie anfangen
interessant zu werden, und wenn sie aufgehört haben es zu sein –
unbekannt mit Menschen und Menschenschicksal mußte mein Pinsel notwendig
die mittlere Linie zwischen Engel und Teufel verfehlen,
mußte er ein Ungeheuer hervorbringen, das zum Glück in der Welt nicht
vorhanden war, dem ich nur darum Unsterblichkeit wünschen möchte, um
das Beispiel einer Geburt zu verewigen, die der naturwidrige Beischlaf
der Subordination und des Genius in die Welt setzte. – Ich meine die »Räuber«.
Dies Stück ist erschienen. Die ganze sittliche Welt hat den Verfasser
als einen Beleidiger der Majestät vorgefordert – Seine ganze
Verantwortung sei das Klima, unter dem es geboren ward. Wenn von allen
den unzähligen Klagschriften gegen die Räuber eine einzige mich trifft,
so ist es diese,
daß ich zwei Jahre vorher mich anmaßte, Menschen zu schildern, ehe mir
noch einer begegnete.
Die Räuber kosteten mir Familie und Vaterland
– – In einer Epoche, wo noch der Ausspruch der Menge unser schwankendes
Selbstgefühl lenken muß, wo das warme Blut eines Jünglings durch den
freundlichen Sonnenblick des Beifalls munterer fließt,
tausend einschmeichlende Ahndungen künftiger Größe seine schwindelnde
Seele umgeben und der göttliche Nachruhm in schöner Dämmerung vor
ihm liegt – mitten im Genuß des ersten verführerischen Lobes, das
ungehofft und unverdient aus entlegenen Provinzen mir entgegenkam,
untersagte man mir in meinem Geburtsort bei Strafe der Festung – zu
schreiben. Mein Entschluß ist bekannt –
ich verschweige das übrige, weil ich es in keinem Falle für anständig
halte, gegen denjenigen mich zu stellen, der bis dahin mein Vater war.
Mein Beispiel wird
kein Blatt aus dem Lorbeerkranz dieses Fürsten reißen, den die
Ewigkeit nennen wird.
Seine Bildungschule hat das Glück mancher Hunderte gemacht, wenn sie
auch gerade das meinige verfehlt haben sollte."
Die
Hauptentstehungszeit von
Friedrich Schillers
Drama "Die
Räuber", das binnen kurzer Zeit "zum Kultbuch
der jungen Generation" (Alt Bd. I, 2004,
S. 277) werden sollte und ihren Dichter in
den kommenden Jahren - auch wenn das Bild zu seinem eher gesetzten,
manierlichen und stillen Wesen wenig passt (vgl.
Storz 1959/31963, S.21) - "zum Inbild des jungen Wilden " (Aufenanger
2006, S.44) macht, fällt in die Jahre 1779 und 1780. Das
Stück ist fertig, als Schiller im
Dezember 1780 mit 21 Jahren die Militärakademie verlässt, wie sein
Freund
Friedrich von Hoven (1759-1838)
später in seinen Erinnerungen berichtet. (vgl.
Zymner 2002, S. 9) Erste Arbeiten am Stück gehen aber wahrscheinlich
schon in das Jahr
1776
zurück. Um sein Stück fertig zu schreiben, lässt sich Schiller mehrmals
ins Krankenzimmer einweisen, um auch bei Tageslicht weiterarbeiten zu
können. Im normalen Dienstablauf ist dies nur in den späten
Abendstunden, meistens in tiefer Nacht und unter Kerzenschein, dazu noch
bei weit strengerer Aufsicht in den Schlafsälen der
Karlsschule
möglich.
So erinnert sich seine Schwester
Christophine:
"Die Zöglinge der Akademie durften abends nur bis zu einer bestimmten
Stunde Licht brennen. Da gab sich Schiller, dessen Phantasie in der
Stille der Nacht besonders lebhaft war, und der in den Nächten sich gern
selbst lebte, was der Tag nicht erlaubte, oft als krank an, um in dem
Krankensaale der Vergünstigung einer Lampe zu genießen. In solcher Lage
wurden die 'Räuber' zum Teil geschrieben. Manchmal visitierte der Herzog
den Saal; dann fuhren die 'Räuber' unter den Tisch; ein unter ihnen
liegendes medizinisches Buch erzeugte den Glauben, Schiller benutze die
schlaflosen Nächte für seine Wissenschaft." (Grawe
1976/2002, S.124, dort zit. n. Hoyer, S.38, ähnlich Caroline von
Wolzogen, vgl.Alt Bd. I, 2004,
S. 277)
Eine Handskizze (hier die Ausführung als Kupferstich seines Sohnes Karl
Heideloff nach dieser) seines Mitschülers Viktor Peter Heideloff zeigt
Schiller aus seinem Werk deklamierend im Bopserwald im Kreis seiner
Freunde. Karl Heideloff, Sohn von Schillers Mitzögling Viktor Heideloff
hat überliefert, was ihm sein Vater über dieses Treffen berichtet hat:
"Da [...] ästhetische Besprechungen im Krankenzimmer bei der
ängstlich-strengen Aufsicht zu beschränkt und kärglich waren, so
beschloss Schiller mit seinen Kameraden, die Gelegenheit des nächsten
Spaziergangs zu benützen, um an einem ruhigen und ungestörten Orte die
'Räuber: zur Beurteilung und zum Genuss, wie Schiller es gerne tat,
vorzutragen.
Als [...] sie in Begleitung des Hauptmanns und der andern Zöglinge am
frühen Morgen eines schönen Sonntags des Mai über die Weinsteige in das
so genannte Bopserwäldchen einen Spaziergang machten, sonderten sich die
in den Plan Eingeweihten ihrer Verabredung gemäß von den andern ab und
[...] gingen [...] tiefer in den Wald hinein. Hier lagerten sie sich,
ihren Schiller umkreisend, der auf den hervorstehenden Wurzeln eines der
stärksten Fichtenbäume Posto gefasst hatte.[...]
Nach Heideloffs, von Hovens und Schlotterbecks Angabe war Schillers
Stimmung während seines Vortrags eine sehr heitere, mit sichtbarem
Ausdruck eines behaglichen Gefühls der errungenen Freiheit und der
Einsamkeit, in Umgebung des Waldes und der Freundschaft. Seine
Deklamation war anfänglich eine ruhige. Als er aber zur Stelle der
fünften Szene des vierten Akts gelangte, wo Räuber Moor mit Entsetzen
seinen tot geglaubten Vater vor dem Turm anredet, steigerte sie sich in
dem Grade, dass seine Freunde, mit gespannter Aufmerksamkeit Aug' und
Ohr ihm zugewandt, durch den Ausbruch seines Affekts in Bestürzung
gerieten, durch die Großartigkeit seiner Arbeit aber in Erstaunen,
Bewunderung und in fast endlose Beifallsbezeugungen übergingen." (zit.
n. Grawe
1976/2002, S.125f.)
Seit dem November 1780 bemüht sich Schiller "Die Räuber" zu
veröffentlichen, doch seine Suche nach einem Verleger verläuft zunächst
ergebnis-, wenngleich auch nicht folgenlos. Als ihm im März 1781 die
ersten sieben von insgesamt vierzehn Bogen im
Reindruck vorliegen, sendet Schiller sie dem Mannheimer Verleger und
Inhaber der dortigen Hofbuchhandlung
Christian Friedrich Schwan (1733-1815), der auf dem süddeutschen
Literaturmarkt und insbesondere im kulturellen Leben der kurpfälzischen
Residenzstadt eine bedeutende Position einnimmt. Schwan, den Schiller
sehr schätzt, weil er sehr früh an seine dichterischen Fähigkeiten
glaubt - 1795 hält er sogar ergebnislos um die Hand von dessen ältester
Tochter
Anna Margaretha (1766-1796) an - verkörpert "den typischen Verleger
seiner Generation". (Alt Bd. I, 2004,
S. 280) Im Verlagsgeschäft ist Schwan ein knallhart kalkulierender
Kaufmann, der stets seinen eigenen Interessen gegenüber den finanziellen
Wünschen sozial bedrängter Autoren den Vorrang gibt. Auch Schillers
Werke lässt er später, wie das zu dieser Zeit ohne jeden
Urheberrechtsschutz eben üblich ist, mehrfach ohne jede Absprache mit
dem Autor und vor allem ohne die geringste Bezahlung nachdrucken, als er
feststellt, dass der Markt nach den Schöpfungen des jungen Autors
verlangt. Und die dem Publikumsgeschmack angepasste Bühnenbearbeitung
der "Räuber" ist dann natürlich selbstredend auch darunter.
Das Haus des auch am kurpfälzischen Hof geschätzten Verlegers, der seit
1778 den Titel eines Hofkammerrats führen darf, ist eine Drehscheibe des
kulturellen Lebens in Mannheim. Und zahlreiche bedeutende
Persönlichkeiten des literarischen Lebens in Deutschland verkehren mit
seinem Besitzer oder machen in dem in großbürgerlichem Stil geführten
Haus auf ihren Reisen Rast wie z. B.
Lessing,
Goethe,
»Herder,
»Wieland,
Schubart, »Lenz
oder »Sophie
La Roche. Was das Verlagsgeschäft anbelangt, bringt er auf den Markt,
was das Publikum wünscht und geht mit seinen Autoren mitunter recht rüde
um. Schiller erlebt ihn wohl nicht so, was erklärt, dass er ihn in
seinem weiteren Leben zu seinen zuverlässigsten Freunden
in Mannheim zählt. 1786 schreibt Schiller an L. F. Huber: "Schwan ist
der erste Ausländer, der mir
sagte, ich wäre etwas, der erste überhaupt. den meine Schriftstellerei
angeworben, und der keinen geringen Anteil an der Fortdauer meiner
Autorschaft hat. Von meinen eigenen Landsleuten ignoriert, empfing ich
von ihm die Opferung, und die erste so süß, so unvergesslich." (Brief v.
17.5.1786, zit. n.
Lautenbach 2003, S. 707)
Zunächst
werden die Hoffnungen Schillers auf den Mannheimer Verleger jedoch
enttäuscht.
Schwan lehnt es ab, die "Räuber" wegen ihrer
Zumutungen für das Publikum zu veröffentlichen. Als Resonanz darauf und
wahrscheinlich auf eine Anregung
Schwans hin verfasst Schiller seine "Vorrede" zum Stück, in der
wegen seines Inhalts davon abrät, sein "Schauspiel auf der Bühne zu
wagen." (Schiller, Vorrede zu den "Räubern")
Aber auch wenn Schwan aus kaufmännischen Überlegungen und
Rücksichtnahmen auf das Publikum an den "Räubern" als Verleger nicht
interessiert ist, liegt ihm das Debütdrama des in seinen Augen sehr
talentierten Schiller doch am Herzen. Da er zugleich maßgeblichen
Einfluss auf das Mannheimer Nationaltheater hat, für dieses eigene
Bühnenbearbeitungen französischer Dramen schreibt und immer wieder auf
den Spielplan des Theaters Einfluss nimmt, macht er den
Intendanten des Mannheimer Theaters,
Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg (1750-1806), auf das Stück
aufmerksam. "Voller Enthusiasmus", schreibt Dalberg in einem Brief an
Christian Gottfried Körner (1756-1831)
vom 14.7.1781, habe er diesem die ersten sieben Bogen "brühwarm"
vorgelesen. (vgl.
Wais 2005, S.30)
Schiller, der entschlossen ist, sein Erstlingswerk unter allen Umständen
zu publizieren, bleibt aber währenddessen nichts anderes übrig, als das
Stück auf eigene Rechnung drucken und damit im Selbstverlag erscheinen
zu lassen. Bis zum Ende April ist die erste Auflage in Höhe von 800
Exemplaren wahrscheinlich bei Johann Philipp Erhard in Stuttgart gedruckt,
eine der drei zu diesem Zeitpunkt in der Stadt befindlichen Druckereien.
Das Stück
erscheint als Ganzes Ende Mai/Mitte Juni anonym und unter Angabe eines
fingierten Druckorts (Die Räuber. Ein Schauspiel, Frankfurt und
Leipzig, 1781), anders war dies unter den politischen Bedingungen im
Herzogtum Württemberg unter Carl Eugen kaum möglich. Grundsätzlich
gesehen ist der Selbstverlag von Büchern in dieser Zeit nichts
besonderes und
Lessing,
Goethe
und etliche andere Autoren müssen dies bewerkstelligen, weil "minimale
Honorare oder Desinteresse der Verleger" (Fröhlich
1998, S.72) keine andere Wahl lassen. Mit Subskriptionen
(verbindlichen Vorbestellungen) oder Pränumeration (Vorauszahlung)
können aber nur wenige Autoren, die einen Namen und entsprechendes
Vertrauen genießen, die Risiken von Fall zu Fall vergleichsweise gering
halten. Für einen gänzlich unbekannten Autor bzw. ein Werk, das anonym
erscheint, birgt die von Schiller gewagte Auflagenhöhe beträchtliche
Risiken, auch wenn das Leseinteresse in Deutschland
gerade Ende des 18. Jahrhunderts allmählich steigt und das Lesepublikum
zunimmt. Aber von einer
regelrechten allgemeinen "Lesewut", wie hin und
wieder behauptet, ist wohl kaum auszugehen, wenn man die Fakten sprechen
lässt:
Auf etwa 25 Millionen Einwohner in den deutschen Ländern kommen
etwa sechs Millionen, die lesen können, und nur 0,01% sind Bücherkäufer,
so dass durchschnittlich eine Auflage von 2000 bis 3000 Exemplaren
ausreicht, auch wenn es bemerkenswerte Ausnahmen gibt. Aber: Jedes Buch,
so nimmt man an, geht durch zahlreiche Hände und findet in der Regel
mehr als 10 Leser. (vgl.
Kiesel/Münch 1977, S. 160-162)
Möglicherweise auch auf die Reaktion Schwans hin
arbeitet Schiller noch während der Drucklegung einige Stellen der Szenen
I,1 und I,2 seines Dramas um, "entschärft" sie dadurch und tauscht sie
gegen die ursprüngliche Fassung aus. Der Druck des Stückes ist für
Schiller ein hohes finanzielles Risiko. Er muss ein Darlehen von 150
Gulden aufnehmen, um die Druckkosten zu bezahlen. Natürlich hofft er
darauf, dass er die Schulden nach dem von ihm erwarteten Verkaufserfolg
schnell wieder begleichen kann. Doch was durch den Verkauf der "Räuber"
hereinkommt, reicht dazu nicht aus. Schlimmer noch: Die geliehene Summe
wird fortlaufend verzinst und diese Schulden belasten ihn lange Jahre
und stürzen ihn eine fortlaufende Reihe finanzieller Abhängigkeiten und
Zwänge.
Peter-André Alt (Bd. I, 2004,
S. 279) führt nicht zuletzt darauf "Schillers bis zum Geiz gesteigerte
Sparsamkeit" zurück, "die ihn später zu einem genau rechnenden
Geschäftsmann werden lässt." Und doch hätte der weitere Erfolg der
"Räuber" unter anderen Umständen natürlich mehr als finanziell sanieren
können. Aber ein Urheberrecht modernen Zuschnitts, das ein geistiges
Eigentumsrecht eines Autors als immaterielles Gut mit
vermögensrechtlichem Charakter ansieht, ist noch über Jahrzehnte nicht
in Sicht, so dass Werke aller Autoren, vor allem in den jeweils anderen
Staaten Deutschlands, ungeniert nachgedruckt werden, ohne dass der Autor
nur im Geringsten dabei abgefunden wird. Und auch von der Tatsache, dass
die "Räuber" später auf vielen deutschsprachigen Bühnen gespielt werden,
hat Schiller nichts. Schillers Verleger in späteren Jahren, der
Leipziger
Georg Joachim Göschen (1752-1828), klagt einmal, dass er von einem
anderen Drama Schillers, dem »Don Karlos
(1783-87), in zehn Jahren gerade mal 1500
Exemplare verkauft, die Nachdrucker aber 20000 Exemplare auf dem Markt
abgesetzt hätten. Aber auch die "Hausverleger" ziehen, selbst wenn
sich dies allmählich ändert, ihre "Hausautoren" lange über den Tisch und
lassen, was offenbar eine beliebte Vorgehensweise ist, "oftmals als
Nachdrucke getarnte Doppeldrucke" herstellen, die sie ihrem Autor
einfach verschweigen, um einer Nachhonorierung aus dem Weg zu gehen.
(vgl.
Fröhlich 1998, S.77)
Vertrieben wird das als Lesedrama gedachte Werk wohl
über die J. B. Metzlersche Verlagshandlung. Der Stuttgarter Buchhändler,
der die erste Auflage in Kommission erwirbt, nimmt das Werk auf
verschiedene Buchmessen im Jahr 1781 mit, zu Hause vertreibt Schiller
sein Werk selbst, wobei er viele Exemplare auch kostenlos an Freunde,
frühere Mitzöglinge der Karlsschule
und an Familienmitglieder verteilt.
Ende 1781 ist Johann Benedikt Metzler wohl sämtliche Exemplare des
"Lesedramas" los, aber beträchtliche Stückzahlen sind dabei für
Werbezwecke weggegangen oder werden wegen mangelnder Nachfrage einfach
verschenkt bzw. von einem Stuttgarter Antiquar namens Johann Christoph Betulius verramscht. (vgl.
Schulz 1959, S.20) Trotz alledem: Deutschlandweit erhält Schiller,
auch wenn die großen Zeitschriften wie Wielands "Teutscher Merkur" und
Boies "Deutsches Museum" die "Räuber" links liegen lassen, großen
Beifall für sein Lesedrama, nur in Württemberg, seinem Heimatland wird
Schiller von seinen Landsleuten weiter ignoriert. (vgl.
ebd.)
Zugleich aber geht die Geschichte des
Bühnenstücks weiter. Als Schwan Ende Juni 1781
eines der fertigen Exemplare in die Hände bekommt, liest er das Stück
Dalberg, von Gemmingen und den Schauspielern Böck und Iffland vor, die
einhellig zur Auffassung gelangen, dass das Stück "vom Schmutze
gereinigt" und an die geltenden "Regeln der Schauspielkunst" angepasst,
auf der Bühne Erfolg haben werde (Brief Schwans an Chr. K. Körner vom,
14.7.1781, vgl.
Wais 2005, S.32) Und ganz in diesem Sinne sendet Schwan
Schiller im August 1781 ein durchgesehenes Exemplar der "Räuber" mit
Vorschlägen zur Bühnenbearbeitung. Zudem zeigt er sich nicht abgeneigt,
eine revidierte Fassung der "Räuber" zu verlegen. Dalberg fordert Schiller daraufhin auf, die
"Räuber" für die Mannheimer Bühne entsprechend zu bearbeiten, was dieser
in seinem Antwortbrief zusagt. Bei seiner Überarbeitung des Textes
berücksichtigt Schiller auch die erste
Rezension des Stückes durch
Christian Friedrich Timme in der Erfurtischen Gelehrten Zeitung vom
24. 7. 1781, die u. a. Kritik an der Nichtbeachtung der Regeln,
insbesondere bei der "Verletzung der Einheiten", äußert und eine Kürzung
von Überflüssigem fordert. Und dazu zählen eine ganze Reihe von Figuren:
Daniel, Herrmann
und etliche Räuber. Aber trotz seiner insgesamt positiven Rezension ("Haben
wir je einen teutschen Shakespear zu erwarten, so ist es dieser.")
merkt Thimme dabei doch mit kritischem Zeigefinger an: "Ich
weis es wohl, daß es zum beliebten Scheniewesen gehört, auf Regeln
aus Schulgeschwätz zu schimpfen,
Aristoteles und Batteaux für Dummköpfe
zu halten, über Stock und Stein querfeldein zu springen und Zaun und
Hecken niederzutreten. Aber ich weis auch, daß wir nur noch kurze Zeit
so fortfahren dürfen, um alles, was die besten Köpfe seit Jahrhunderten
gebaut haben, niederzureisen, und mit Sturm und Drang, Sing und Sang in
das beliebte Zeitalter der Gothen zurückzukehren."
Im Spätsommer des Jahres 1781 macht sich Schiller, unterbrochen durch
seine Erkrankung während einer Ruhrepidemie, an die Arbeit, um das
Lesedrama "bühnenreif" zu machen. Doch Dalberg lässt nicht locker. Er
will umfangreiche Änderungen am Text, die Schillers Ego ebenso wie sein
kunstästhetisches Empfinden und Wollen auf eine harte Probe stellen.
Auch wenn die
Änderungswünsche, die Dalberg dem jungen Schiller im
Sommer 1781 zukommen lässt, nicht überliefert sind, kann man wohl davon
ausgehen, dass es "die kolossalische Größe, die gigantische
Übersteigerung, die rauschhafte Unbedingtheit der Charaktere, ihrer
Entschlüsse und ihres Geschickes" (Schmidt
1959, S.154f.) sind, an denen der Intendant etwas auszusetzen hat. Ein Stück,
das "geradezu von ekstatischer Maßlosigkeit und menschlicher
Verworfenheit lebte [...] musste »gezähmt«, die wilde Unmenschlichkeit
seiner Charaktere gemildert, die chaotische Konsequenz seiner
Handlungsführung abgebogen werden." (ebd.,
S.155) Darin ist sich Dalberg mit anderen einig: "die durch Anstand
und Schicklichkeit gezogenen Grenzen" gelten ihnen für "unüberschreitbar".
(ebd.)
So ist für ihn klar, dass "das Stück so weit wie möglich auf die Basis
einer am abschreckenden Beispiel sinnfällig gemachten Demonstration
bürgerlicher Moralität zu stellen" ist, um es dem nach Moral
dürstenden Publikum in Mannheim überhaupt zumuten zu können. "Sentimentale
Familienmoralität und pseudoritterliches Bühnenheldentum" (ebd.,
S.157) sind dort gefragt, und lassen Dalberg zur Überzeugung gelangen,
dass "Die Räuber" "nur als »Familiengemälde« des Hauses Moor" (ebd.,
S. 155) in den Mannheimer Spielplan passen.
Da Schiller auf jeden Fall Erfolg und öffentliche Anerkennung als
Theaterautor erringen will, ist er zu Konzessionen bereit, fügt ein paar
neue Szenen in das Stück ein und sendet seine überarbeitete Fassung an Dalberg. Den "Räubern" hat er dafür sogar den neuen Titel "Der
Verlorne Sohn" verpasst, den er aber bis zur Uraufführung des
Stückes im Januar 1782 wieder zurückzieht. Doch Dalberg gehen
die Umarbeitungen Schillers, dessen
Autorschaft am 22. Oktober 1781 von der "Erfurtischen Gelehrten Zeitung"
allgemein bekannt gemacht wird, nicht weit genug. Immer noch sind
nämlich
die "aufrührerische, revolutionäre Grundtendenz mit ihren
heftigen Anklagen gegen die Verrottung der bürgerlichen Gesellschaft und
die despotische Willkür der Herrschenden" (ebd.,
S.157) allen Enden herauszuhören. Orientiert am Mannheimer
Publikumsgeschmack und dem Stil des Mannheimer Theaters bietet sich für
ihn das »Ritterdrama« geradezu an, um die zeitkritischen Töne des
Stückes mit einem Schlag zu tilgen. Konsequenz dieser Überlegung ist,
die "Rückverlegung der ganzen Handlung ins Maximilianische Zeitalter,
die Epoche des sich seinem Ende zuneigenden mittelalterlichen
Rittertums". (vgl.
ebd.) So weitgehende politische Rücksichtnahme geht Schiller
indessen zu weit, weil er glaubt, "daß das ganze Stück untergehen
würde, wenn die Zeit, worin es geführt wird, verändert würde". (Brief an
Dalberg vom 3.11.1781, zit. n.
Wais 2005, S.34). Ja selbst der Mannheimer
Schauspieler-Ausschuss wendet sich in seiner Erklärung »wider das
altdeutsche Kostüm«. (vgl.
Schmidt 1959, S.157) Doch Dalberg lässt Schiller,
der sich seit dem Herbst 1781 auch schon mit der Zusammenstellung von
Beiträgen für seine "Anthologie
auf das Jahr 1782" beschäftigt, keine Wahl,
ist entschlossen, "die Gattung der an seiner Bühne so erfolgreich
aufgeführten Helden- und Ritterstücke um ein bedeutendes Exemplar zu
bereichern". (ebd.).
Dalberg, der diesen Plan unbeirrt
verfolgt, setzt seinen Kopf allerdings weiter durch: Als die "Räuber" schließlich am
13.1.1782 mit dem jungen Iffland in der Rolle des Franz Moor in seinem
Theater in Mannheim uraufgeführt werden, hat er, im
Soufflierbuch der Aufführung bis heute dokumentiert, eigenmächtig,
zumeist aus bühnentechnisch-dramaturgischen Gründen
weitere Änderungen vorgenommen.
Auch wenn sich Schiller am Anfang seiner Karriere einem hochdekorierten und in der Kulturszene namhaften Mann wie Dalberg
notgedrungen unterwerfen muss, lässt er nicht davon ab, eine eigene
Bühnenfassung seines Stücks mit an der Aufführung in Mannheim
orientierten Handlungselementen herauszubringen. Was herauskommt, ist
ein "Kompromiss" (Sautermeister
(2005, S. 2), der die ältere Gliederung in fünf Akte
wiederherstellt und einige stilistische Änderungen vornimmt, aber auch
wesentliche für die Mannheimer Aufführung
modifizierte Handlungselemente beibehält. Das Titelblatt dieser von
Schwan verlegten Fassung "Die Räuber, ein Trauerspiel von
Friedrich Schiller. Neue für die Mannheimer Bühne verbesserte Auflage.
Mannheim, in der Schwanischen Buchhandlung 1782" signalisiert, dass es
sich dabei um die im Gegensatz zur Erstfassung des "Lesedramas" um eine reine Bühnenfassung handelt. Aber auch diese Neubearbeitung des
Dramas durch Schiller, mit der er hofft, grundlegende Einwände namhafter
Kritiker abgewehrt zu haben, findet nicht überall Zustimmung. So äußert
sich Christop Martin Wieland in einem Brief an Schwan, dass auch das
modifizierte Werk in seinen Augen nicht "vor dem Richterstuhle der
Vernunft und des Geschmacks bestehen könnte." (zit. n.
Hinderer 1992/2005b, S. 11, dort. zit. n.
Böhm 1960, S.597-602)
Gert Egle,
01.05.2015 |
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