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Auf der Galerie

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Franz Kafka (1883 - 1924)

 
FAChbereich Deutsch
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Franz Kafka, Auf der Galerie1

Wenn irgendeine hinfällige2, lungensüchtige3 Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer4 sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge5 hinab, stürzte in die Manege, riefe das: Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters.
Da es aber nicht so ist; eine schöne Dame, weiß und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorhängen, welche die stolzen Livrierten6 vor ihr öffnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel7 hebt, als wäre sie seine über alles geliebte Enkelin, die sich auf gefährliche Fahrt begibt; sich nicht entschließen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schließlich in Selbstüberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherläuft; die Sprünge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen8 zu warnen versucht; die reifenhaltenden9 Reitknechte wütend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem großen Salto mortale10 das Orchester mit aufgehobenen Händen beschwört, es möge schweigen; schließlich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen küsst und keine Huldigung des Publikums für genügend erachtet; während sie selbst, von ihm gestützt, hoch auf den Fußspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zurückgelehntem Köpfchen ihr Glück mit dem ganzen Zirkus teilen will – da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Brüstung und, im Schlussmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.

(Franz Kafka, Sämtliche Erzählungen,. hg. v. Paul Raabe, Fischer Taschenbuch 1078, Frankfurt/M. 1970, S.145f.)

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Dieses Werk (Auf der Galerie, von Franz Kafka), das durch Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschränkungen.

Worterklärungen

1  »Galerie: der oberste, häufig zweite bis vierte Rang eines Theaters oder eines Zirkus, wo sich gewöhnlich Sitz-. aber auch Stehplätze befinden; diese Plätze waren im 18./19. Jahrhundert die billigsten Plätze, ihre Besucherinnen und Besucher waren daher Leute, die sich nur diese Plätze leisten konnten (z. B. Jugendliche, Soldaten, Dienstboten und aber auch ärmere Intellektuelle. Zur Galerie führte in den meisten Theater- aber auch Zirkusgebäuden oder -zelten eine gesonderte Treppe, die verhindern sollte, dass das Galeriepublikum auf das übrige Publikum treffen konnte. Das oftmals dicht gedrängte Galeriepublikum scheute sich offenbar im Theater nicht, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen, wenn ihm etwas nicht gefiel.( vgl. Denscher 2023)
2  hinfällig: kränkelnd, physisch geschwächt
3  lungensüchtig: hier wohl gemeint »Schwindsucht (Tuberlulose)
4  Dampfhammer: auch »Maschinenhammer; mechanisierter, mit Dampf angetriebener Schmiedehammer, mit der auf ein fixiertes metallisches Werkstück geschlagen wird, um es zu verformen; dabei hohe Geräuschentwicklung
5  Ränge: erhöhte Bühne in einem Theater oder Zirkus, auf dem die Zuschauerinnen und Zuschauer Platz nehmen können
6  Livrierte: eine uniformartige Dienerkleidung tragende Hilfskräfte in der Manege
7  Apfelschimmel: weißes Pferd (Schimmel) mit dunkleren, kreisförmigen Flecken
8  englische Ausrufe: in der Pferdedressur übliche fremdsprachliche Kommandosprache, die meistens französisch ist, aber auch in Anlehnung an die »englische Reitweise auch englische Ausdrücke umfassen kann
9  reifenhaltende Reitknechte: gemeint sind hier die bei der Zirkusnummer assistierenden Hilfskräfte, die im Falle des Kunstreitens Reifen in die Höhe halten, durch die die auf dem Rücken des Pferdes stehende Artistin springen muss
10 Salto mortale: (ital. Todesssprung) besonders gefährlicher »Salto als Höhepunkt einer artistischen Zirkusnummer

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.10.2024

     

   Arbeitsanregung

   Interpretieren Sie den Text.

  1. Annotieren Sie den Text.

  2. Geben Sie den Inhalt des Textes wieder.

  3. Analysieren Sie den Text.
    Berücksichtigen Sie dabei  u. a. die in den folgenden Fragen enthaltenen Aspekte.

    • Wie steht der Galeriebesucher zum Geschehen? Wie nimmt der Galeriebesucher das Geschehen war? In welchem Bezug steht seine Wahrnehmung zur Wirklichkeit?

    • Welche Rolle spielt der Direktor bei der Wahrnehmung der Situation durch den Galeriebesucher? Welche die Reiterin?

    • Wie gestaltet sich die Beziehung von Direktor und Reiterin?

    • In welcher Beziehung stehen die beiden unterschiedlichen Wahrnehmungen des Geschehens durch den Erzähler? Gibt es eine richtige Wahrnehmung und Deutung der dargestellten Situation?

    • Welche Erzählperspektive enthält der Text?

    • Welche Aussage hat Ihrer Ansicht nach der Text?

    • Wie unterstützen sprachliche Mittel der Wortwahl (Semantik) und des Satzbaus (Syntax) die Aussageabsicht des Textes?

  4. Zeigen Sie, um welche Textsorte es sich bei dem vorliegenden Text handelt.

  5. Fassen Sie abschließend Ihr Gesamtverständnis des Textes zusammen, indem Sie Rückschlüsse auf die dem Text zugrunde liegende Weltsicht Kafkas ziehen.

 

 

 

 
 

 
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