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Aspekte der Erzähltextanalyse

Ebenen der literarischen Kommunikation

Franz Kafka Parabeln Eine kaiserliche Botschaft

 
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Glossar Literatur
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Es gehört zu den "Stolpersteinen" (• impliziten Transfersignalen) von • Franz Kafkas i • Parabel • "Eine kaiserliche Botschaft", dass sich die im Text gestaltete Kommunikationssituation, bei der Adressat der Botschaft zugleich der Adressat der Erzählerrede ist, nicht so ohne Weiteres mit dem, was die gleichnisartige Geschichte erzählt, in einen kohärenten Textzusammenhang bringen lässt-

In ihrer aus dem Kontext des Fragments "Beim Bau der Chinesischen Mauer" • von Franz Kafka selbst herausgelösten gesonderten Fassung stellt sie keine Binnenerzählung mehr dar, mit der der Ich-Erzähler des Fragments salopp gesagt zeigen will, wie die Chinesen "ticken", die in unzähliger Zahl zum Bau der Mauer "die Heimat, den Fluß und die Brücken, die Mutter und den Vater, das weinende Weib, die lehrbedürftigen Kinder " verlassen haben und weit entfernte Orte weggezogen sind, um sich als Handwerker für den Mauerbau zu verdingen.

"Eine kaiserliche Botschaft", wie sie als herausgelöster Text vorliegt, wird von einem auktorialen Erzähler erzählt, der auf der Textebene mit dem Adressaten, der in der Geschichte vom Kaiser ausgehenden Botschaft durch kommuniziert, dass er ihn zweimal, am Anfang und am Ende des Textes in Du-Form anspricht, ohne dass es aber zu einer Interaktion zwischen beiden kommt. Nicht aber diesem erzählt er aber letzten Endes die ganze Geschichte, sondern dem (impliziten) Leser. Dass den Untertanen niemals eine an ihn individuell gerichtete kaiserliche Botschaft erreichen kann und wird, präsentiert er als eine Tatsache, die sich aus seinem Wissen über die Welt, die er darstellt ergibt. Den Untertan, der über dieses Wissen als solches nicht verfügt, aber über die soziale Erfahrung, dass es niemals einen derartigen Kontakt gegeben hat, wüsste auch nicht, ob und dass es jemals eine solche Botschaft geben wird, da auch diese Botschaft über die Botschaft ihn ja niemals erreichen kann. Dennoch, und das macht das ganze zum Paradox, "erträumt" er sich eine solche.

Der Erzähler nimmt den Leser mit der ausdrücklich in einer On-dit-Formel – so heißt es – mit auf den Weg einer Geschichte, die zunächst mit einem zwar davon eingeschränkten Authentizitätsanspruch auftritt, aber mehr und mehr zu dessen schrittweisen Entwirklichung führt, die vom Leser ästhetisch durch eine Reihe sprachlich-stilistischer Mittel nachvollzogen werden kann.

Da sind die in den Text eingebauten Aber-Zäsuren ("Aber die Menge ist so groß", "Aber statt dessen, wie nutzlos müht er sich ab", "aber niemals, niemals kann es geschehen" "Du aber sitzt an Deinem Fenster"), die die aussichtslose Nachrichtenübermittlung mit einem "apodiktischen Gewißheitsanspruch" (Neumeyr 1994/2003, S.348) immer wieder zurückweisen. Da ist die  Raumgestaltung, die zunächst aus der Enge des Palastinnern den Weg nach draußen aufscheinen, dann aber in ein endlosen Weite überführt (z. B. "ihre Wohnstätten nehmen kein Ende", deren Ausmaße auch in "Jahrtausenden" nicht zu durchmessen sind. Beide "hyperbolischen Extremformen der Entgrenzung" (ebd.) sprengen auch die Vorstellungskraft des Lesers, der sich durch auch die Grenzen seiner eigenen individuellen Existenz erfahren kann. Und durch das im Kontrast zu diesen apodiktischen Negationen mit den konjunktivischen Konditionalsätzen inszenierte "Spiel mit Denkmöglichkeiten" (ebd., S.349) wird der Prozess der zunehmenden Entwirklichung, des mit einem gewissen Realitätsanspruch angetretenen Erzählung auf sprachlich-stilistischer Ebene weiter fortgeführt.

Und auch die nur von Strichpunkten abgegrenzte, außergewöhnlich lange Aufzählung von Hindernissen sprengt ein "syntaktisches Normalmaß" (ebd.) und lässt die Leser*innen die Entwirklichung des Geschehens, bzw. die Bestätigung dessen, dass es sich bei der ganzen Geschichte um die kaiserliche Botschaft nur um ein Gerücht – so heißt es – handelt, ästhetisch nachvollziehen.

Mit Hilfe dieser sprachlich-stilistischen Mittel, die der Erzähler in seiner Kommunikation mit dem Leser einsetzt, wird ihm auf dieser Ebene vermittelt, was der auktoriale Erzähler längst weiß und, dass. was auch aus Erzählersicht der Dinge letzten Endes vollkommen irrelevant ist, nämlich der Inhalt der Botschaft, die es allen Anzeichen nach weder je gegeben hat noch in Zukunft geben wird.

Mit seiner letzten direkten Du-Ansprache des auf Textebene installierten Adressaten der Botschaft wird das auf reinem Hörensagen beruhende Geschehen, von dem der Untertan aber nicht weiß, gerahmt und mit der eigentlich überraschenden Wendung, dass er sich, ganz unabhängig von dem ihm unbekannten Geschehen, sich einfach weiter der Illusion hingibt, er werde vom Kaiser gesehen, die Bedeutungslosigkeit der Authentizitätsanspruchs, mit dem die Geschichte auftritt, noch einmal unter einer ganz anderen Perspektive verdeutlicht.

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 02.10.2024

 
 

 
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