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Aspekte der Erzähltextanalyse

Textnahe Interpretation

Wolfgang BorchertKurzgeschichtenNachts schlafen die Ratten doch

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Wolfgang Borchert Überblick  Kurzgeschichten Didaktische und methodische Aspekte Überblick Historischer Hintergrund Nachts schlafen die Ratten doch Text Didaktische und methodische Aspekte Überblick [ Aspekte der Erzähltextanalyse Überblick • Inhaltliche Gliederung des Textes Inhaltsangabe NacherzählungDie Struktur der GeschichteAnalyse des Beginns der Geschichte mit AnnotationenPhasen im Gesprächsverlauf ▪ Sprechhandlungen im Gesprächsverlauf Erzähltechnische Mittel im Überblick Sprachliche, stilistische und rhetorische Mittel • Interpretationsskizze /Strukturbild Textnahe Interpretation ] ▪ Bausteine Fragen und Antworten (KI)Die Küchenuhr An diesem Dienstag  Die KirschenDas BrotDie drei dunklen KönigeLesebuchgeschichten Mein bleicher Bruder ▪  Die Katze war im Schnee erfrorenDer Kaffee ist undefinierbar Die lange lange Straße lang Die Mauer Das Gewitter Die traurigen Geranien Im Schnee, im sauberen Schnee Bleib doch, Giraffe ▪ Gottes Auge Bausteine Links ins Internet Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

 

Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse
Didaktische Aspekte
Überblick
Auswahl (Zusammenstellungen wichtiger Strukturbegriffe)
Wer erzählt die Geschichte? (Aspekte zur Gestaltung der Erzählinstanz)
Wie wird erzählt? (Zeit, Modus, Stimme)
Was wird erzählt? (Handlung, erzählte Welt, Figur, Raum)
Analyse erzähltechnischer Mittel in der Schule: Auswahl

Erzählformen und Erzählverhalten (Petersen)
Überblick
Erzählform
Standort des Erzählers (point of view)
Erzählperspektive (Sichtweise)
Erzählverhalten
Erzählhaltung
Darbietungsweisen
▪ Einen Erzähltext mit der Kategorientafel analysieren

Baustein: Erzähltechnische Mittel herausarbeiten und beschreiben

Kurzgeschichte
Überblick
Merkmale
So interpretiert man eine Kurzgeschichte
Überblick
Arbeitsschritte
Textauswah

 ▪ Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
▪ Einen Erzähltext mit der Kategorientafel analysieren

 

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Die Kurzgeschichte ▪»Nachts schlafen die Ratten doch« von ▪ Wolfgang Borchert, erschienen 1949 in "Das Gesamtwerk, Hamburg: Rowohlt 1949, S.216-219) geht es um die Begegnung eines vom Krieg traumatisierten Jungen mit einem älteren Mann, dessen einfühlsame Kommunikation dem neunjährigen Jungen hilft, den Verlust seines kleineren Bruders erträglicher zu machen. Erzählt wird dabei, wie ein kleiner Junge in von einem Bombenangriff in Schutt und Asche gelegten Hauses allein eine Art Totenwache für seinen unter den Trümmern ums Leben gekommenen und noch nicht geborgenen, jüngeren vierjährigen Bruder hält und offensichtlich nicht weiß, wie er mit diesem Geschehen umgehen und letzten Endes überhaupt weiterleben kann.

In den Ruinen eines von einem Bombenangriff zerstörten Hauses sitzt der siebenjährige Jürgen am frühen Abend und hält mit einem großen Stock bewehrt eine Art Totenwache für seinen seit Tagen irgendwo unter den Trümmern verschütteten und vermutlich umgekommenen vierjährigen Bruder. Ohne hochzusehen, bemerkt er einen älteren Mann mit einem Messer und einem Korb in der Hand, der wissen will, ob er hier schlafe. Jürgen verneint das und erklärt dem Mann, dass er auf etwas aufpassen müsse. Als der Mann ihn nach dem Grund dafür fragt, gibt Jürgen an, er könne nicht darüber sprechen. Die Vermutung des Mannes, er passe wohl auf Geld auf, weist Jürgen verächtlich zurück und will weiterhin nicht preisgeben, warum er das tue. Mit dem Hinweis, unter diesen Umständen werde er Jürgen auch nicht sagen, was er in seinem Korb habe, weckt der Mann das Interesse Jürgens. Dieser vermutet, dass es sich um Kaninchenfutter handelt. Er beteiligt sich an einem kleinen Rechenbeispiel und erfährt dadurch, dass der Mann etliche Kaninchen besitzt. Das Angebot des Mannes, sich die Kaninchen anzusehen, schlägt er dennoch aus, weil er an Ort und Stelle bleiben müsse und dies auch nachts. Seit Sonnabend sei er so Tag und Nacht in den Trümmern und nie nach Hause gegangen. Als der ältere Mann sieht, dass Jürgen Tabak hat, kommt er kurz auf Jürgens Rauchen zu sprechen, will aber zu dem Thema nur wissen, ob Jürgen auch eine Pfeife zum Rauchen habe. Jürgen geht nur zaghaft darauf ein, sagt aber dann doch, dass er seine Zigaretten selbst drehe. Der Mann bedauert, dass Jürgen seine Kaninchen nicht ansehen wolle und er sich so auch keines aussuchen könne. Jürgen ist darüber traurig und, als sich der Mann anschickt zu gehen, gibt er unter Bedingung, von dem Mann nicht verraten zu werden, preis, dass er wegen der Ratten seinen Platz nicht verlassen könne. Diese würden, wie sein Lehrer behaupte, von toten Menschen essen. Zugleich gibt er zu verstehen, dass sein vierjähriger Bruder bei einem Bombenangriff im Keller des zusammengestürzten Hauses verschüttet und getötet worden ist, ohne dass sein Leichnam bisher geborgen worden ist. Der Mann erklärt ihm, dass Ratten nachts schlafen und Jürgen nachts getrost nach Hause gehen könne. Er wolle nur kurz zur Fütterung seiner Kaninchen nach Hause gehen. Danach wolle er Jürgen vor Einbruch der Dunkelheit abholen und vielleicht sogar ein junges Kaninchen mitbringen. Zudem will er versuchen, ein weißes Kaninchen, so wie es Jürgen zuvor noch etwas zögerlich gewünscht hat, mitzubringen. Bevor er weggeht, fordert er Jürgen auf, an Ort und Stelle zu warten, bis er zurückkomme. Er wolle ihn dann nach Hause bringen, um seinem Vater zu sagen, wie ein Kaninchenstall gebaut werde. Jürgen verspricht dies und ruft dem Mann noch hinterher, sie hätten zu Hause sogar Bretter dafür.

Die Geschichte weist die für Borcherts Geschichten typische Grundstruktur auf, die durch die Abfolge von drei verschiedenen Zuständen bzw. Situationen gekennzeichnet ist. Der Anfangszustand liegt dabei in der Vergangenheit und umfasst die Geschehnisse, die mit der Bombardierung des Hauses und seiner Zerstörung zusammenhängen und den Tod des vierjährigen Bruders bewirkt haben. Der folgende Zustand, der die Totenwache des neunjährigen Jürgen in der Ruine umfasst, stellt dabei einen Übergangszustand dar, dessen Ursache und Folgen den insgesamt zutiefst verunsicherten und verängstigten Jungen völlig überfordern. Erst die geschickte Kommunikation des Mannes, der dem Kind quasi auf Augenhöhe begegnet, ermöglicht den Übergang in den Endzustand der Geschichte, der für den Jungen zumindest einen Schimmer Hoffnung für sein weiteres Leben aufkommen lässt.

Die nach der ▪ Erzähltextanalyse nach Petersen(1993, 72006)  in • Er-Form verfasste Geschichte ist überwiegend aus der personalen Perspektive des Jungen Sichtweise

 

 

 

 

 

 

 

Als Alternative dazu bietet sich, insbesondere unter literaturdidaktischem Aspekt betrachtet, die ▪ Erzähltextanalyse nach Petersen(1993, 72006) an, mit deren Hilfe sich mit einer beschränkten Anzahl von Kategorien in einer allgemein verständlichen Terminologie wesentliche Erzählstrukturen in in ihrem Funktionszusammenhang analysieren lassen. Darin wird Stanzels als "geschlossene Typologie" konzipierte Erzählsituationen "durch einen offeneren Merkmalskatalog ersetzt, der mehr (wenn auch nicht alle) Kombinationsmöglichkeiten und damit eine feinere Klassifizierung ermöglicht." (Jahraus 2009, S.228)

 

Inhalt und Figurenkonstellation
Im Zentrum der Geschichte steht der neunjährige Jürgen, der allein vor einem Trümmerhaufen sitzt. Wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellt, handelt es sich um die Überreste seines zerstörten Hauses, unter denen sein toter Bruder liegt. Der Junge fühlt sich für ihn verantwortlich: „Ich muß hier bleiben. Ich muß aufpassen.“ (Z. 26). Diese Aussage offenbart nicht nur seine kindliche Vorstellung von Fürsorge, sondern auch die tiefe psychische Belastung, unter der das Kind steht.

Der alte Mann, der zufällig vorbeikommt, begegnet Jürgen mit Empathie und Feingefühl. Statt direkt Fragen zu stellen oder zu belehren, versucht er, Vertrauen aufzubauen, z. B. durch die Erwähnung von Kaninchen, die er angeblich im Stall hält: „Hab einen neuen Stall gebaut. Vier Kaninchen hab ich drin.“ (Z. 52). Erst allmählich erfährt er die wahre Ursache für Jürgens Anwesenheit – und begegnet dieser mit einer kleinen Lüge, die zum Titel der Geschichte wird: „Nachts schlafen die Ratten doch.“ (Z. 62).

Symbolik
Die Geschichte ist reich an symbolischen Elementen:

Die Ratten stehen hier sinnbildlich für die Bedrohung des Todes und die Grausamkeit der Nachkriegsrealität. In Jürgens Vorstellung könnten sie sich an der Leiche seines Bruders vergehen – eine grausame, aber realitätsnahe Vorstellung in einer zerstörten Stadt. Sie symbolisieren die ständige Präsenz des Todes.
Der Satz „Nachts schlafen die Ratten doch“ fungiert als tröstende Lüge, aber auch als Symbol für Hoffnung und Menschlichkeit. Durch diese Aussage wird dem Jungen ermöglicht, sich von seinem posttraumatischen Pflichtgefühl zu lösen.
Der Kaninchenstall symbolisiert das Leben, das weitergeht, Geborgenheit und einen geregelten Alltag – im Gegensatz zu Jürgens Chaos. Der alte Mann bietet durch diese Bilder einen Ausweg aus der emotionalen Erstarrung.
Der Trümmerhaufen repräsentiert sowohl die äußere als auch die innere Zerstörung. Für Jürgen ist es nicht nur ein Haufen Steine, sondern das Grab seines Bruders, seiner Familie, seiner Kindheit.
Sprachliche Gestaltung
Borcherts Sprache ist bewusst schlicht, sachlich und dialogisch, was die Authentizität der Situation unterstreicht. Es überwiegt wörtliche Rede, wodurch der Leser sehr nah an das Geschehen und an die emotionalen Zustände der Figuren herangeführt wird. Der Erzähler bleibt zurückhaltend, schildert nur das Nötigste und kommentiert nichts – so entsteht Raum für Interpretation.

Auffällig ist auch die kindgerechte Sprache Jürgens, etwa wenn er sagt: „Weil ich doch aufpassen muß. Wegen den Ratten.“ (Z. 43). Die grammatikalisch falsche Form „wegen den“ zeigt, dass hier tatsächlich ein Kind spricht – Borchert gelingt es dadurch, die Figur authentisch und nahbar darzustellen.

Gleichzeitig ist der Dialog des alten Mannes behutsam, ruhig und empathisch. Er fragt vorsichtig, ohne zu bedrängen, und bietet Hilfe an, ohne sich aufzudrängen.

Erzähltechnik
Die Geschichte ist in der Er-/Sie-Form verfasst und verwendet einen auktorialen Erzähler, der jedoch sehr zurückgenommen agiert. Es werden keine Gedanken der Figuren direkt wiedergegeben, sondern ihre innere Welt erschließt sich nur durch ihre Äußerungen und Handlungen. Diese Technik verstärkt die Wirkung des Dialogs – der Leser muss zwischen den Zeilen lesen und wird aktiv in die Deutung eingebunden.

Die Geschichte beginnt in medias res, ohne Einführung oder Kontext. Diese Form der Reduktion auf das Wesentliche – typisch für die Trümmerliteratur – spiegelt die Nüchternheit der Nachkriegszeit wider. Gleichzeitig entsteht eine intensive Nähe zur Situation, weil sofort die Begegnung im Fokus steht.

Die Erzählung endet offen, aber mit einem Hoffnungsschimmer: Der Junge ist bereit, mit dem alten Mann mitzugehen, um sich die Kaninchen anzusehen. Diese Bewegung weg vom Trümmerhaufen ist symbolisch – ein kleiner Schritt heraus aus der Erstarrung.

Fazit
Wolfgang Borcherts „Nachts schlafen die Ratten doch“ ist eine tief berührende Geschichte, die mit reduzierten Mitteln existenzielle Fragen nach Menschlichkeit, Verantwortung und Trost aufwirft. Die Symbolik (Ratten, Kaninchen, Trümmer), die klare Sprache und die zurückhaltende Erzählweise wirken zusammen, um das Bild eines Kindes zu zeichnen, das durch den Krieg um seine Unschuld gebracht wurde – und dennoch am Ende einen kleinen Hoffnungsschimmer erfährt. In der Lüge des alten Mannes liegt eine große Wahrheit: dass Mitgefühl manchmal über Fakten hinaus Bedeutung gewinnt.

 

 

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 25.05.2025

   
 

 
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