▪
Nonverbale Kommunikation
▪
Körperhaltungen
▪
Gesten
▪
Redegesten
▪
Mimik
▪
Verschiedene Aspekte der äußeren Erscheinung
▪
Szenische
Interpretation
▪
Techniken des szenischen Interpretieren
▪
Rollenbiographie
(Selbstdarstellung)
▪
Habitus- und Haltungsübungen
Bei der ▪ Inszenierung eines dramatischen Textes
liefern die Gesten der Figuren wichtige Informationen über das dramatische Geschehen (▪
Plurimedialität
des dramatischen Textes).
Historisch gesehen hat sich die Bedeutung, die dem
mimisch-gestischen Spiel zukommt, immer wieder verändert.
-
In der ▪
klassischen antiken
griechischen Tragödie, spielte es eher eine
untergeordnete Rolle, denn nicht vom Spiel der Charaktere
(Schauspieler) sollte deren Wirkung ausgehen, sondern vom
gesprochen Wort (Logos). So jedenfalls sah es jedenfalls
»Aristoteles
(384-322 v. Chr.)
in seiner ▪
Theorie der Tragödie
(um 335 v. Chr.).
-
Je stärker
sich das Drama indessen dem Innenleben der Figuren zuwandte
und/oder das Theater als Illusionstheater verstand, desto
wichtiger wurde ein illusionierender Darstellungsstil der
Schauspieler, der deren Innenleben u. a. mit ihrem
mimisch-gestischen Spiel nach außen kehrte.
Heute sind gründliche Überlegungen zu ihrer
Art, Gestaltung und Häufigkeit bei der simulierten Dramaturgie
und Inszenierung unerlässlich.
Gesten spielen auch bei der ▪
szenischen
Interpretation im Allgemeinen und der
▪
szenischen
Erarbeitung von Dramentexten eine außerordentlich wichtige
Rolle.
Gesten
sind wie das Mienenspiel des Gesichts (▪
Mimik)
wichtige Elemente ▪
nonverbaler Kommunikation. Sie gehören zur Körpersprache im engeren
Sinne (vgl.
Eunson 1990).
Sie können zum Ausdruck von Informationen, aber auch zur
Darstellung von Beziehungen dienen.
Gesten können mit Bewegungen verschiedener Körperteile
ausgedrückt werden, nämlich dem Kopf, den Schultern, dem
Oberkörper, dem Unterleib, den Armen, den Beinen und den Füßen.
Sie können viel oder wenig Raum beanspruchen und damit auch das
Selbstverständnis eines Menschen ausdrücken.
▪
Hand-zu-Kopf- oder Hand-zum-Mund-Gesten zeigen oftmals
ziemlich klar, welche psychischen Prozesse ablaufen bzw. in
welcher psychischer Verfassung jemand ist.
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Wer sich in
diesem Bereich berührt oder kratzt, ist oder gilt als
ängstlich, nervös oder verwirrt oder unter Umständen als
nachdenklich.
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Wenn kleine
Kinder zu ihrer Beruhigung am Daumen lutschen, so gibt es
ähnliches orales Verhalten bei Erwachsenen, die aus diesem
Grund Nägel kauen, auf die Knöchel beißen, an Stiften und
Brillenbügeln herumknabbern.
-
Wenn Menschen
lügen, neigen viele dazu, sich an der Wange zu kratzen, an
der Nase zu reiben oder an ihrem Ohrläppchen zu ziehen. Und
wer etwas abschätzt, der streicht dabei gerne das Kinn.
Die sogenannte
Schutz-Überkreuzung, auch Schranken-Signal genannt,
verwenden Menschen oft, wenn sie ein Gebiet betreten, mit dem
sie nicht vertraut sind. Man kreuzt in einem solchen Fall auf
irgendeine Art vor seinem Körper einen Arm. Da gibt es den, der
in einem solchen Fall seine Manschette berührt, einen, der nach
seiner Brieftasche greift, den, der sich die Haare aus dem
Gesicht streift u. ä. m.
Wenn es darum geht, Vorfreude, Befriedigung, Verzweiflung,
Selbstbeherrschung, Vertrauen oder Angeberei, also ▪
innere Zustände, gestisch zu artikulieren, verfügen wir
über ein ganzes Repertoire von Gesten, z. B.
-
Hände reiben bei einer
großen Vorfreude
-
in die Hände klatschen, um zu signalisieren,
dass etwas Bestimmtes erledigt bzw. geschafft ist
-
Hände ringen vor
Verzweiflung
Aber auch mit den Beinen kann man sehr aussagekräftig gestikulieren.
-
Wer seine Beine krampfhaft überkreuzt oder die Knöchel dicht
geschlossen hält, dazu gar seine Knie noch mit den Händen umfasst, wirkt
sehr gestresst und ist vielleicht übervorsichtig.
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Wem unangenehme Fragen gestellt werden, der neigt vielleicht dazu,
seine Beine zu überkreuzen.
-
Wer über ein schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein verfügt, hat
vielleicht die Tendenz, seine Fußkanten nach innen, statt nach außen oder
geradeaus zu richten.
Dass Menschen mit einer ganzen Reihe von ▪
(sexuellen) Werbungsgesten ihre sexuellen
Interessen ausdrücken, um sich ins beste Licht zu rücken, ist allgemein
bekannt.
(vgl.
Eunson 1990, S.123ff.) Gesten begleiten zum Teil so
selbstverständlich und unbewusst unser Sprechen, dass die meisten Menschen
sogar dann gestikulieren, wenn die Gesten vom Kommunikationspartner gar
nicht wahrgenommen werden können, z.B. ▪
beim Telefonieren.
Bei der
▪
visuellen
Kommunikation kann man nach
Desmond Morris (1977/2001) zwei
verschiedene Arten von Gesten unterscheiden.
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Beiläufige Gesten
sind Handlungen, deren Aussage bzw. Aussagekraft unbeabsichtigt ist (z.B.
sich kratzen, husten, gähnen, Glieder strecken, sitzen, hocken, stehen,
liegen, essen usw.) Allerdings können diese Gesten einem Beobachter
Informationen über unsere Stimmung und unser Befinden geben.
Wer solche beiläufigen Gesten bewusst einsetzt, und z.B. während des
Unterrichts oder einer Vorlesung demonstrativ gähnt, macht sie dadurch zu
primären Gesten.
Eine solche Geste nennt man dann ▪
stilisierte beiläufige
Geste. Wo eine beiläufige Gesten angebracht ist, bestimmt die Kultur selbst,
in der sie verwendet wird. Die jeweilige Kultur regelt also, wo und wann man
z.B. rülpsen, furzen oder gähnen darf.
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Ausdrucksgesten:
Signale des
Gesichtsausdrucks und der Hände (=Gestikulation)
-
Mimische Gesten: Gesten
(Mimikry), mit denen
eine andere Person, ein Tier, eine Handlung oder ein Objekt nachgeahmt
werden.
Beiläufige Gesten primäre Gesten kommen für das Spiel der
Figuren im Drama in Betracht, sind aber in jedem Fall
inszenierte Gesten, auch wenn sie dabei "beiläufig" erscheinen
sollen.
Dabei lassen sich
die mimischen Gesten noch sehr differenzieren. So kann man neben
der Theater-Mimikry,
dem gestischen Spiel von Schauspielerinnen und
Schauspielern, noch sechs weitere Formen der Mimikry
unterscheiden:▪
Soziale Mimikry,
▪
Teil-Mimikry,
▪
schematische Gesten, ▪
symbolische Gesten, ▪
technische Gesten und ▪
kodierte Gesten.
Gesten als Vorausreaktion
Grundsätzlich gilt: Gesten begleiten das Sprechen und sind
dabei dem Wort meistens so weit voraus, dass sie quasi als
körperliches Voraussignal einer verbalen Äußerung fungieren
können.
Diese Vorausreaktion durch Gesten kann man in der
alltäglichen Kommunikation, insbesondere beim
▪
Sprecherwechsel
durch Selbstwahl
im Rahmen einer Wechselrede mit gegenseitigen
▪
Unterbrechungen
gut beobachten.
Meist geht der Unterbrechung eine zustimmende oder ablehnende
Geste voraus, mit der derjenige, der zu Wort kommen will, die
Aufmerksamkeit darauf lenken, seinen Anspruch dokumentieren und
sich somit "ins Gespräch bringen" oder "zu Wort melden" will.
Gesten haben eine unterschiedliche rhetorische Wirkung und
Wirkungsintensität
In der ▪ Rhetorik
und ▪ Linguistik
werden unter dem Begriff ▪
Redegesten im Allgemeinen nicht nur ▪
Gesten wie Körperbewegungen,
▪
Körperhaltungen u. ä. bezeichnet. In einem weiteren Sinne
umfasst der Begriff das gesamte ▪
mimisch-gestische Verhalten, das ein Redner während seiner Rede
einsetzt.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch andere nonverbale Mittel
die gleiche Funktion erfüllen können. So können ergänzend oder an Stelle
von Redegesten auch
paraverbale (paralinguistische) Signale,
wie z.B. Flüstern, eingesetzt werden, das signalisieren soll,
dass eine bestimmte Mitteilung vertraulich ist (vgl.
Linke u. a. 1994,
S.423). Denn
häufig wird erst durch die Art und Weise, wie etwas gesagt wird,
richtig klar, was gemeint ist. (vgl.
ebd., S.275)
Gesten als Code der Informationsvergabe im plurimedialen
dramatischen Text
Für die ▪
Inszenierung eines dramatischen
stellt die durch Gesten mögliche
Vorausreaktion eine
besonders wichtige dramaturgische Anforderung dar.
Da der ▪ dramatische Text als quasi ▪
Textpartitur vorliegt, der
diese Vorausreaktionen, die in einem "natürlichen" Gespräch
einfach ablaufen, im Allgemeinen nicht enthält, müssen sie bei
jeder Rolle zur Gesprächssituation und zur Figur passend
erarbeitet werden.
Dabei sind Gesten in der Regel mehrfach adressiert. Sie
stellen auf der Darbietungsebene wesentliche körpersprachliche
Signale dar, welche die Kommunikation der Figuren begleitet. Auf
der Ebene des externen Kommunikationssystems liefern sie dem
Zuschauer Informationen über den Charakter und die Absichten
einer Figur, in die sie nicht hineinsehen können.
Zu sind Gesten dramaturgisch sehr wichtig, weil sie die
Aufmerksamkeit des Zuschauers steuern können.
Wenn beispielsweise eine Figur sich während eines Gesprächs
lange zurückhält und in den Hintergrund getreten ist, kündigt
die gestische Vorreaktion deren Eingreifen in den Dialog an.
Damit zieht die Figur also, noch ehe ihr das erste Wort über die
Lippen kommt, die Aufmerksamkeit auf sich.
Der Einsatz von Gesten auf der Bühne
Auf der Bühne stellen Gesten im Allgemeinen
Körperbewegungen
dar, die ohne Veränderung der Position durch einen Schauspieler ausgeführt
werden. Nur hin und wieder werden sie auch in
Gänge hinein
verlängert, die zu Positionswechseln führen.
Der Einsatz von Gesten im darstellerischen Spiel der
Schauspieler unterscheidet sich von den Gesten in der
alltäglichen Kommunikation prinzipiell dadurch, dass ihr Einsatz
bewusst inszeniert ist.
Dies ist auch bei der Rezeption wichtig, denn eine vom
Zuschauer als manieriert (=gekünstelt) und einfach als "zu groß"
angesehene Geste einer Figur kann im Zuge der Inszenierung auf
der Grundlage des dramatischen Textsubstrates, aber auch weil es
zu einem bestimmten Regiekonzept passt, zur meist unfreiwilligen
(Selbst-)Charakterisierung (▪
implizit-figurale Charakterisierung) dienen.
Gesten können auf der
Bühne in unterschiedliche Funktionen besitzen:
-
vorbereitend: Äußerungen oder Handlungen werden durch eine
gestische Vorausreaktion unterstützt und angekündigt
-
begleitend: Äußerungen oder Handlungen werden betont,
unterstrichen oder akzentuiert.
-
beschreibend: Sprachliche Äußerungen werden anschaulich
verdeutlicht oder illustriert
-
demonstrierend: Sprachliche Äußerungen werden tendenziell
durch Gesten ersetzt.
-
hinweisend: Die Aufmerksamkeit der mitspielenden Figuren und
des Zuschauers wird in eine bestimmte Richtung, auf eine bestimmte
Handlung, auf eine bestimmte Figur gelenkt.
-
reagierend: Schneller als das nachfolgende Wort reagiert eine
Figur körperlich auf einen zuvor stattgefundenen Vorgang oder eine
vorausgegangene Äußerung.
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unbewusst: Eine Geste, die wie ein unbewusster Reflex auf
einen von außen stammenden Reiz zustande kommt.
-
handelnd: Eine Figur hantiert mit Personen oder Gegenständen.
-
konventionell: Gesten, die sich z.B. den gesellschaftlichen
Umgangsformen in einer bestimmten Zeit und/oder in einer bestimmten
sozialen Schicht zuordnen lassen.
-
rituell: Gesten, die einen religiösen oder
mystisch-mythischen Hintergrund haben (z.B. Beschwörungsrituale)
-
mechanisch: Körperbewegungen von Robotern, Puppen, Maschinen
oder sonstigen willenlosen Geschöpfen
-
künstlich: überzogene, inhaltslose, inkongruent wirkende,
manierierte Gesten
(vgl.
Giffei 1982, S.240)
Den Gestus der Rede bewusst machen
Um bestimmte Gesten einnehmen zu können, ist es sinnvoll sich des
jeweils zugrunde liegenden
▪
Gestus der Rede bzw. des Gesprächs bewusst zu sein.
Dieser Ansatz, der
aus der ▪
Dramen- und Theatertheorie
Bertolt Brechts stammt, ist für den Ausdruck sehr hilfreich.
Allerdings ist die Einnahme eines bestimmten (gesellschaftlichen) Gestus
nicht unbedingt ein kognitiver Akt.
Denn, wie Holger Münzer betont, wirken
"einstudierte Gesten und Mimiken[...] aufgesetzt. Wenn ich den richtigen
Gestus habe zu dem, worüber meine Rede geht, entstehen Mimik und Gestik,
Tonfall und andere 'Regieanweisungen' von innen (aus meinem Gestus)
heraus, d.h. von allein, sofern ich 'es aus mir sprechen' lasse. Insofern
übertrage ich auch die Stanislawski’sche Theatererfahrung: 'es
spielt aus mir...' auf die Rhetorik: 'es spricht aus mir...'. Es ist dies
nur eine konsequente Weiterführung des Kleist’schen Gedankens: 'Reden ist
lautes Denken' auf die theatralischen Wirkungsmöglichkeiten, die auch ein
Redner nutzen kann. Friedrich Naumann nennt diesen notwendigen
vorbereitenden Prozess: '... ganz in die entsprechende Sache eintauchen
...' " (Holger Münzer,
www.rhetorik-netz.de, 5.9.02)
▪
Nonverbale Kommunikation
▪
Körperhaltungen
▪
Gesten
▪
Redegesten
▪
Mimik
▪
Verschiedene Aspekte der äußeren Erscheinung
▪
Szenische
Interpretation
▪
Techniken des szenischen Interpretieren
▪
Rollenbiographie
(Selbstdarstellung)
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Habitus- und Haltungsübungen
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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