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Der Turnschuh als Kultobjekt
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Aspekte der Schreibaufgabe
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Bausteine
Früher trug man Turnschuhe, weil sie billig waren und strapazierfähig.
Doch seit sich Politiker, Filmstars, Popbands oder sogar der Papst zu der
neuen Laufmasche bekennen, bricht der Turnschuh sämtliche Tabus. Nicht
Kleider machen Leute, sondern der Turnschuh. Niemanden kümmert es, wenn man
im Sporttreter zur Arbeit erscheint. In Großstädten hecheln Businessfrauen
und -männer - oben in Designerkleidung gehüllt - mit dem berühmten
Sportschuh durch die City, damit es schneller geht. Im Aktenkoffer hat man
selbstverständlich noch ein paar Vorzeigeschuhe dabei.
Dabei
hat der Turnschuh heutzutage auch das etwas altmodisch wirkende
Sprachimage abgelegt. Was früher Turnschuh hieß, und für sämtliche
Leibesübungen tauglich war, heißt heute im Allgemeinen Sportschuh und hat
sich mit griffigen Bezeichnungen, meist Anglizismen, allgemeinen Trends im
Sport und anderswo angepasst. Running-Schuhe, Jogging-Schuhe und
Walking-Schuhe teilen sich den Bereich der so genannten Laufschuhe, für
jede Sportart (z. B. Fußball, Basketball, Volleyball, Tennis etc.) gibt es
ein spezielles, auf diese Sportart zugeschnittenes Angebot. Aber auch den Übergang von der rein sportlichen Betätigung zur Freizeit hat der moderne
Sportschuh längst vollzogen. Freizeitschuhe im Sportschuhdesign erfüllen
heute die unterschiedlichsten Ansprüche der Kunden an Brauchbarkeit,
Zweckmäßigkeit, Tragekomfort und Lifestyle. Ob beim Sport, zu
Anzügen, Kostümen oder zu Jeans,
der moderne Sportschuh ist längst zum Allerweltsschuh geworden und hat
sämtliche Lebensbereiche erobert. In Büros werden heutzutage wohl mehr Supergas,
Nike-, Fila-, Reebok-, Adidas- oder Pumaschuhe getragen als im
Sport. Der gute alte Turnschuh, der sich zum modernen
Sportschuh gemausert hat, besitzt längst Kultstatus und dient der
Imagepflege. Dementsprechend sind auch die Zeiten billiger Turnschuhe
vorbei. Für einen guten und modischen (!) Sportschuh können heute schon
mal 150 Euro über den Ladentisch gehen. Und selbst beim
Internet-Auktionshaus ebay kommen Marken-Sportschuhe unter den Hammer. Kaum ein Kinderfuß zeigt sich heute noch in einem Lackschuh und für eine
Reihe Jugendlicher liegt der moderne Sportschuh erst dann richtig im
Trend, wenn ihn die Übergröße, dazu ungebunden, richtig "cool" erscheinen
lässt. Der Sportschuh ist Kultobjekt und dies schon für die zweite oder dritte
Turnschuhgeneration. Nach den siebziger Jahren eroberte er die nächste
Generation seit Mitte der achtziger Jahre und seit den neunziger Jahren
ergriff er in einer ungeheuren Produktvielfalt und mit neuartigen HighTech-Materialien die Füße der heutigen
Sportschuh-Community. Selbst die Modemacher lassen sich von dem neuen Kult
inspirieren. Längst
schmücken Edelturnschuhe die zarten Füße der Models auf den Laufstegen.
Ob Chanel, Jean-Paul Gautier oder Ralph Lauren - der Turnschuh als
modisches Acessoire ist aus den Schaufenstern selbst von Edelboutiquen
kaum mehr wegzudenken. Aber mit einem Boom wächst auch der Anspruch
der Kunden an die Ware. Während
Pheidippes* noch
barfuß oder gar in Sandalen nach Athen raste, um 490 v. Chr. von dem großen Sieg
über die Perser bei Marathon zu berichten, können heutige
Sportschuhfans z. B. zwischen "Air"-, "Light-Gel"- oder "Climacool"-Sportschuhen
wählen. Dabei fing 1839 mit
Charles Goodyear** alles so harmlos an. Er entdeckte,
wie man Naturkautschuk vulkanisiert und elastischen Gummi daraus
herstellte, Voraussetzung für die den Turnschuh im Besonderen
kennzeichnende Gummisohle. Heinrich Franck erstellte 1868 mit Hilfe von Segeltuch, einem
Stück aufgerauten Gummi, einigen Metallösen den Wegbereiter für den
danach fast unerlässlichen Turnschuh. Die italienische Firma Superga stellte
im Jahre 1911 aus diesem Grundstein ihr weltberühmtes Modell
"2750" her und war marktführend auf dem Tenniscourt. Auch heute
noch ist der Klassiker "Superga" der meistverkaufte Sportschuh
Europas. Seit den Dreißigern ging es dem gängigen Turnschuh auch an die Farbe.
Bisher in klassischem Weiß gehalten, nahm er nun alle Farben des
Regenbogens an und veränderte auch seine Form. Gleichzeitig blühte in
den letzten Jahren das Sponsoring-Geschäft auf. Für gigantische
Werbeverträge in Millionenhöhe hüpfen Stars aller Kategorien über den
Bildschirm, um das neue Supermodell namens "Turnschuh" der
Klientel näher zu bringen.
(nach: Anette Tinzmann, Warum denn zubinden? Der Kult um die
Turnschuhe, in: Stuttg. Ztg., Sonntag aktuell, Nr. 38,
19.9.93, verändert, ergänzt und erweitert durch Gert Egle 7.1.2003)
Worterklärungen:
*Pheidippes: Name des Läufers, der die Meldung des athenischen Sieges
über die Perser in der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.) in die 40 km
entfernte Stadt Athen brachte, wo er tot zusammenbrach (Marathonlauf, seit
1896 olympische Disziplin)
**Charles Goodyear
(1800-1860), amerikanischer Chemiker und Techniker, geboren in New
Haven (Connecticut); versucht lange Jahre ohne Erfolg, ein Mittel
zur Verbesserung der Qualität von natürlichem Kautschuk zu finden; das
gesuchte. Material sollte bei Kälte nicht spröde und bei Hitze nicht weich
und klebrig werden; entdeckt im Jahr 1839, dass durch die gemeinsame
Erhitzung von Kautschuk und Schwefel auf eine hohe Temperatur ein Gummi
mit solchen Eigenschaften entsteht (Vulkanisation); bis heute ist die
Vulkanisation Grundlage der Gummi produzierenden Industrie; erfindet 1852
den Hartgummi. (nach: Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003 ©
1993-2002 Microsoft Corporation) docx-Download -
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
14.02.2023
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