Wer als Aufgabe zur
▪
Textinterpretation (literarischer
Aufsatz,
Literaturthema) ▪
eine
dramatische Figur
charakterisieren will, kann dabei auf der Grundlage eines ▪
Arbeitsschrittemodells für dramatische Texte vorgehen oder sich
am ▪ allgemeinen Arbeitsschrittemodell
für die ▪ literarische
Charakteristik orientieren.
Wie immer bei Themenstellungen komplexer Natur steht dabei am
Beginn die
Erschließung des Themas, bei der es darum geht, die wichtigsten
Aspekte des Themas zu klären. Dabei werden u. a. die folgenden Fragen
beantwortet:
-
Soll eine einzelne Figur (▪
Einzelcharakteristik)
oder mehrere Figuren (▪
Gruppencharakteristik) charakterisiert werden?
-
Sollen Figuren bei der
literarischen Charakteristik miteinander verglichen werden? (▪
Vergleichende
Charakteristik)
-
Welche Figur(-en) soll(-en)
charakterisiert werden?
-
Soll(-en) die Figur(-en) allgemein oder
unter einem bestimmten Aspekt betrachtet charakterisiert werden?
-
Soll der Charakter der Figur zu
anderen Figuren des Dramas in Beziehung gesetzt werden?
Im
2. Arbeitsschritt muss ▪ Stoff gesammelt werden: das sind
Textstellen im
Haupt- und
Nebentext, die etwas
über eine bestimmte Figur und ihren Charakter aussagen. Dabei versteht
man unter Charakter in diesem Zusammenhang nicht nur
Charaktereigenschaften im engeren Sinne wie Treue, Fleiß, Ehrgeiz u.
ä., sondern alle Eigenschaften einer Figur, die ihn als Individuum
auszeichnen, seine Individualität ausmachen.
Wer sich dazu in der Lage sieht, kann die Stoffsammlung auch schon
systematisch
gestalten,
indem er die gefunden Textstellen den verschiedenen
▪
Techniken zur
Figurencharakterisierung im dramatischen Text zuordnet.
Ganz
wichtig für die Stoffsammlung ist, dass wirklich alle Informationen aus dem
Text herangezogen werden, die etwas über eine Figur aussagen. Damit ist
gemeint, dass man von der
▪
Plurimedialität
des dramatischen Textes eines dramatischen Textes ausgehen
soll.
Daraus folgt nämlich, dass für die literarische Charakteristik z. B.
auch die im Text
explizit oder
implizit ausgedrückte
Körpersprache mit ihren verschiedenen Aspekten wie ▪
Körperhaltungen,
▪
Mimik,
▪
Gesten oder ▪
verschiedene Aspekte der äußeren Erscheinung (z. B.
▪
Kleidung/Kostüme,
▪
Abzeichen und Schmuck
(Accessoires),
▪
Körperbau und Körpergestaltung) beachtet werden müssen.
Hinzu kommen noch die so
genannten
▪
nonverbalen Vokalisierungen
beim Sprechen (z. B. Akzent, Sprechtempo, Pausen,
Ton, Intonation und Lautstärke). Hinweise darüber liefert nicht selten der
Nebentext mit
Bühnenanweisungen oder
Regiebemerkungen. Aber auch in der dramatischen Rede selbst, also darin was
die verschiedenen Figuren sagen, finden sich solche Informationen, wenn sich
eine Figur über das körpersprachliche Verhalten des anderen äußert
(implizite Bühnenanweisung, s. Abb.).
Wie
soll's nun gemacht werden?
Zuallererst heißt es einfach, Textstellen im
Haupt- und
Nebentext finden. Dazu geht
man wie folgt vor:
-
Am Anfang steht ein Blick in
den
Nebentext, und zwar in das
Figurenverzeichnis des Dramas. Dabei sucht man nach Hinweisen, die etwas
über die Figur ausdrücken, z. B. seine soziale Stellung. Sind
entsprechende Informationen vorhanden, werden sie
markiert. Am Rand empfiehlt
sich ein entsprechender Eintrag, mit dem auch die anderen Stellen
hervorgehoben werden, die zur literarischen Charakteristik herangezogen
werden.
(Or(anien)Ch(arakteristik)-Fre(mdkommentar); Re(gentin)
Ch(arakteristik)-Eig(enkommentar)
Im Anschluss daran werden, die entsprechenden Aussagen/Informationen
notiert.
-
Dann stellt man
fest, in welchen Szenen die Figur vorkommt. Hilfreich ist dabei ein Akt-
und Szenenschema (z.B. ▪
Auftritte des Herzogs von Alba im
Szenenschema)
-
Als nächsten
Schritt empfiehlt es sich, die entsprechenden Szenen erst einmal
▪
diagonal zu lesen, um sich
noch einmal die wichtigsten Gegenstände, Inhalte oder Informationen anhand
von Schlüsselwörtern, die man unterstreichen sollte, zu vergegenwärtigen.
-
Im nächsten Arbeitsschritt sollte überlegt werden, ob von
der literarischen Figur auch in Gesprächen die Rede ist, in denen die
Figur selbst nicht anwesend ist. Die entsprechenden Textpassagen sollten
zunächst
▪
kursorisch gelesen werden,
damit sich ihre Bedeutung bestimmter Äußerungen über die Figur im
Zusammenhang ergeben kann.
-
Nachdem man sich
so einen Überblick über die Charakterisierung der Figur erworben hat,
sollte man die zunächst nur
diagonal gelesenen Szenen,
in denen die Figur selbst vorkommt, genauer unter die Lupe nehmen und
intensiv lesen. Am besten
exzerpiert man wichtige
Aussagen und notiert sie auf einem eigenen Blatt Papier. Zugleich lässt
sich dabei schon aufschreiben, welche Eigenschaften in den entsprechenden
▪
Zitaten zu erkennen sind.
Hilfreich ist bei dieser Arbeit auch die Verwendung einer
Tabelle, die über die
Spalten Seite, Aufzug/Szene, Textschicht, Sprecher/-in, exzerpierte
Textstelle (wörtliches oder sinngemäßes Zitat), Charakterisierungstechnik
und Charaktereigenschaften verfügt.
-
Im nächsten
Arbeitsschritt müssen die gefundenen und belegten
▪
Charaktereigenschaften unter geeigneten Oberbegriffen geordnet
werden. Das können Charaktereigenschaften im engeren Sinne sein, wie
Machtgier, Ehrlichkeit, Offenheit, aber auch andere Eigenheiten einer
Figur, die sich aus den Beziehungen einer Figur zu anderen ergeben wie
z.B. soziales Gewissen, Verhältnis zur Macht allgemeinen usw. Zugleich
wird eher Unwichtiges aus der Liste gestrichen.


-
Darauf erstellt man
eine ▪
Arbeitsgliederung,
die die erarbeiteten Aspekte der literarischen Charakteristik
einer Figur in eine sinnvolle Reihenfolge bringt. Zugleich
überprüft man, ob die wesentlichen Aspekte des Themas darin
repräsentiert sind.
-
Als letzter Arbeitsschritt
steht dann die
▪
Abfassung der
literarischen Charakteristik an.
Also, ohne eine mehrstufige Arbeit geht es nicht und nur wer sich dieser
Mühe unterzieht, kann Erfolg haben.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2019