•
FAQ: Was bringt eigentlich die Unterscheidung von erzählendem und
erlebendem Ich
Baustein: Wer erzählt die Geschichte?
Erzählendes und erlebendes Ich (Romanende und Romananfang)
▪
Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
▪ Einen Erzähltext mit der Kategorientafel analysieren
▪
Erzählformen und Erzählverhalten
(Petersen)
▪
Überblick
▪
Erzählform
▪
Standort des Erzählers (point of view)
▪
Erzählperspektive (Sichtweise)
▪
Erzählverhalten
▪
Erzählhaltung
▪
Darbietungsweisen
Die
• bipolare Zweidimensionalität der •
Ich-Erzählung führt dazu, dass die Erzählung, die von ihrem •
Erzählverhalten her betrachtet wohl überwiegend als •
auktorial bezeichnet werden kann, an manchen Textstellen auch zu
personalem Erzählverhalten tendiert, das dafür sorgt, dass "das
erzählende Ich um der Ereignisspannung willen vom erlebenden Ich in
Schranken gehalten wird und sein Wissen nicht preisgeben darf."
(vgl. Köster 2000,
S. 70)
Der fünfzigjährige
Michael Berg als erzählendes
bzw. sich
erinnerndes
Ich erscheint in der •
Ich-Erzählung
über weite Strecken als quasi
allwissender (auktorialer) Erzähler, der seinen Standort immer
wieder in den Vordergrund rückt.
Er stellt das Geschehen nach eigenem
Gutdünken dar, und arrangiert damit "das Geschehen auf höchst
persönliche, d.h. subjektive Weise" (Köster
2000, S. 69, im Original im Fettdruck hervorgehoben). Wo es ihm
geboten scheint, kommentiert
es, wie ihm das aus seiner
Erzählergegenwart erscheint.
Dabei beansprucht das erzählende
Ich stets die Rolle einer Figur, die über das vergangene, aber auch
gegenwärtige Geschehen reflektiert (Reflektorrolle) und dadurch eine
prinzipiell kritische Stellung einnimmt.
Dennoch ist das Erzählverhalten
in der •
Ich-Erzählung
nicht im Sinne des •
Idealtyps durchgehend auktorial, denn sein •
point of
view als sich
erinnerndes
bzw. erzählendes
Ich ist nicht immer • "olympisch".
So kann der
Ich-Erzähler als •
erzählendes
Ich eben nicht wie ein genuin
auktorialer
Erzähler (▪ auktoriale Erzählsituation) in alle Figuren hineinblicken(Introspektion).
Er kennt daher, sofern ihm diese nicht anderweitig zugetragen worden
sind, deren Gedanken und Gefühle nicht. Seine •
Erzählperspektive bzw. Sichtweise ist auf seine •
Innensicht
beschränkt, unabhängig davon, ob er als erzählendes oder
erlebendes Ich erzählt. Daher kann auch Michael Berg von den
anderen Figuren kann nur in
Außensicht
erzählen.
Dabei thematisiert er auch selbst "die subjektive Begrenztheit seiner
Perspektive" (ebd.).
Dies wird z. B. deutlich, als er sich mit dem Hinweis auf seine
persönliche Situation von den anderen Mitstudierenden abgrenzt und sich
fragt, weshalb es ihnen gelungen ist, Schuld und Scham und eine
"auftrumpfende Selbstgerechtigkeit" unter einen Hut zu bringen. (Schlink,
Der Vorleser S.162f.) oder auch dadurch, dass er nicht weiß, was in
Hanna vorgeht und ob sie ihn auch liebt (vgl.
Schlink,
Der Vorleser, S.67).(vgl.
Köster 2000,
S. 69)
Neben
den ▪
typischen Erzählsituationen Stanzels der
älteren
Erzähltheorie, die noch immer in der Schule verwendet werden, bietet
sich, zumindest für die ▪
schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte, an, auf das
Konzept der ▪
Erzähltextanalyse von
Jürgen H. Petersen
(geb. 1937) (1993,
72006)
zurückzugreifen. Mit seiner "Kategorientafel"
(Petersen
1993, S. 8), die "die geschlossene Typologie durch einen
offeneren Merkmalskatalog ersetzt, der mehr (wenn auch nicht alle)
Kombinationsmöglichkeiten und damit eine feinere Klassifizierung
ermöglicht" (Jahraus
2009, S.228), will Petersen keine Erzähltheorie sondern eine
"Deskriptionspoetik narrativer Texte fiktionaler Art" modellieren.
Sie unternehme den Versuch, "alle zur Erfassung dieser Texte
notwendigen Kategorien darzustellen und einander funktional
zuzuordnen." (Petersen
1993,
S.8).
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
In den Kategorien
der
traditionellen Erzähltheorie kann man die Erzählsituation ) des Romans »Der
Vorleser« lässt sich als
•
auktoriale Ich-Erzählperspektive auffassen.
Das •
erzählende (sich erinnernde) Erzähler-Ich (Michael Berg im Alter
von 50 Jahren) und das •
erlebende (erinnerte) Erzähler-Ich (Michael Berg zwischen 15 und 50
Jahren) stehen nicht nur in einer zeitlichen Distanz zueinander.
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Der
fünfzigjährige Michael Berg als
erzählendes
Ich weiß immer mehr als das
erlebende Ich
und gibt sein Mehrwissen aber erst nach und nach preis, damit
der "Echtheitsausdruck seiner Erzählung des Vergangenen" (ebd.
S.154) nicht verloren geht. Täte er es nicht und würde zügig offen
legen, wie die Geschichte ausgeht, ginge damit auch die
prinzipielle Spannung zwischen beiden Polen verloren. So gesehen
stellt er sich dadurch "systematisch und konsequent dümmer als
er eigentlich ist". (ebd.)
Die
• bipolare Zweidimensionalität führt dazu, dass die
Erzählung, die von ihrem •
Erzählverhalten her betrachtet wohl überwiegend als •
auktorial bezeichnet werden kann, an manchen Textstellen
auch zu
personalem Erzählverhalten tendiert, das dafür sorgt, dass
"das erzählende Ich um der Ereignisspannung willen vom
erlebenden Ich in Schranken gehalten wird und sein Wissen nicht
preisgeben darf." (vgl.
Köster 2000,
S. 70)
Dieses Dilemma führt daher auch zu "zwei recht verschiedenen Typen
von Ich-Erzählung": In der einen liegt der Schwerpunkt beim erzählenden
Ich, in der 'Gegenwart', beim Akt des Erzählens und der Arbeit des
Erinnerns und Entäußerns; in der anderen beim erlebenden Ich, in der
'Vergangenheit', beim Erzählten und Erinnerten." (ebd.)
Stanzel (1964/1979, S. 37) spricht in diesem Zusammenhang von "zwei
Variationsrichtungen [...], von denen die eine zum Typus des auktorialen
Romans, die andere zum Typus des personalen Romans hinweist." (Stanzel
1964/1979, S.37)
-
Bei der zu
personalem
Erzählen tendierenden Variante der Ich-Erzählsituation rückt das ▪ erlebende Ich ganz in die Mitte der Darstellung
und zugleich tritt damit "das Interesse am Geschehen selbst, am spannenden
Ablauf der Handlung und an der Fülle und Echtheit der Charakterportraits in
den Vordergrund".
Damit eröffnet sich aber auch die Möglichkeit, die "Innenwelt, Bewusstseinsabläufe, Gedanken,
Stimmungen der Ich-Figur im Augenblick seines Erlebnisses" (ebd.,
S. 37f.) darzustellen.
Insgesamt ist freilich festzuhalten, dass
diese Variationsrichtung der Ich-Erzählung im Allgemeinen "nur in kürzeren Stücken"
eines Erzähltextes konsequent gestaltet wird. (ebd.)
-
Die zu
auktorialem Erzählen tendierende Variante zeichnet sich hingegen durch das "Hervorkehren des Problems der geistigen
Bewältigung der Geschichte, der Reflexion, der essayistischen Abhandlung
darüber" aus, wie es allgemein für alles auktoriale Erzählen
typisch ist. (ebd.)
Die erzählerischen Konsequenzen der Aufspaltung des Ichs
Die Aufspaltung des Ichs bringt die beiden Pole in ein
Spannungsverhältnis zueinander. Dieses ergibt sich prinzipiell dadurch,
dass eine zeitliche Distanz zwischen dem erzählenden und dem erlebenden
Ich liegt.
Dabei geht es dabei weniger um das grundsätzliche Problem, dass sich
daraus - wie im richtigen Leben auch - Erinnerungslücken ergeben können.
Ob es solche in der Erzählung gibt oder nicht, liegt ja in der Hand des
Autors, der das erzählende Ich mit Gedächtnislücken ausstatten kann oder
eben nicht. Das erzählende Ich hat also auch die Freiheit, "Dialoge, die
sich vor Jahrzehnten in etwa so zugetragen haben, wortwörtlich
wiederzugeben - eine Fälschung, strenggenommen" (Bode
2005, S.153).
Für die Ich-Erzählung wichtiger ist hingegen, dass das
erzählende
Ich immer mehr weiß als das
erlebende Ich,
" denn es weiß immer, was dann geschah wie es ausging (solange es
sagen kann: Das ist nun vorbei und abgeschlosssen)." (ebd.
S.153f.) Dieses
Mehrwissen, über das das erzählende Ich verfügt,
bringt den Erzähler damit in das "Dilemma", entweder sein Wissen, über
das, was geschehen ist, (zügig) offenzulegen oder eben nicht. Tut er es,
dann geht natürlich der "Echtheitsausdruck seiner Erzählung des
Vergangenen" (ebd.
S.154) verloren. Tut er es nicht, "dann stellt (er) sich
systematisch und konsequent dümmer als er eigentlich ist" (ebd.)
Dieses Dilemma führt daher auch zu "zwei recht verschiedenen Typen
von Ich-Erzählung": In der einen liegt der Schwerpunkt beim erzählenden
Ich, in der 'Gegenwart', beim Akt des Erzählens und der Arbeit des
Erinnerns und Entäußerns; in der anderen beim erlebenden Ich, in der
'Vergangenheit', beim Erzählten und Erinnerten." (ebd.)
Stanzel (1964/1979, S. 37) spricht in diesem Zusammenhang von "zwei
Variationsrichtungen [...], von denen die eine zum Typus des auktorialen
Romans, die andere zum Typus des personalen Romans hinweist." (Stanzel
1964/1979, S.37)
-
Bei der zu
personalem
Erzählen tendierenden Variante der Ich-Erzählsituation rückt das ▪ erlebende Ich ganz in die Mitte der Darstellung
und zugleich tritt damit "das Interesse am Geschehen selbst, am spannenden
Ablauf der Handlung und an der Fülle und Echtheit der Charakterportraits in
den Vordergrund".
Damit eröffnet sich aber auch die Möglichkeit, die "Innenwelt, Bewusstseinsabläufe, Gedanken,
Stimmungen der Ich-Figur im Augenblick seines Erlebnisses" (ebd.,
S. 37f.) darzustellen.
Insgesamt ist freilich festzuhalten, dass
diese Variationsrichtung der Ich-Erzählung im Allgemeinen "nur in kürzeren Stücken"
eines Erzähltextes konsequent gestaltet wird. (ebd.)
-
Die zu
auktorialem Erzählen tendierende Variante zeichnet sich hingegen durch das "Hervorkehren des Problems der geistigen
Bewältigung der Geschichte, der Reflexion, der essayistischen Abhandlung
darüber" aus, wie es allgemein für alles auktoriale Erzählen
typisch ist. (ebd.)
Auf die "Beziehung" zwischen den Ichs kommt es an
Entscheidend für die Gestaltung und Wirkung dieser Erzählsituation
ist die Beziehung, die zwischen beiden Polen des aufgespaltenen Ichs
besteht.
-
So kann sich das
erzählende Ich wie ein quasi allwissender (auktorialer)
Ich-Erzähler stets in den Vordergrund stellen und alles so
darstellen und kommentieren, wie ihm das aus seiner
Erzählergegenwart erscheint. In diesem Fall beansprucht das
erzählende Ich stets die Rolle einer Figur, die über das
vergangene, aber auch gegenwärtige Geschehen reflektiert
(Reflektorrolle) und dadurch eine prinzipiell kritische Stellung
einnimmt.
-
Das
erzählende Ich (sich erinnernde Ich) kann aber auch das
erlebende Ich (erinnerte Ich) so zu Wort kommen lassen, wie
dieses das Geschehen zu diesem vergangenen Zeitpunkt erlebt
oder kommentiert hat. Und schließlich kann die Beziehung
zwischen beiden Erzähler-Ichs auch tendenziell so ausfallen,
dass sich ihre beiden Sichtweisen und Standpunkte annähern.
Die •
Erzählperspektive (Erzählhaltung, Erzählsituation) des Romans »Der
Vorleser« lässt sich als
•
auktoriale Ich-Erzählperspektive auffassen.
Das •
erzählende (sich erinnernde) Erzähler-Ich (Michael Berg im Alter
von 50 Jahren) und das •
erlebende (erinnerte) Erzähler-Ich (Michael Berg zwischen 15 und 50
Jahren) stehen nicht nur in einer zeitlichen Distanz zueinander.
Entscheidend für die
Gestaltung und Wirkung dieser Erzählperspektive
ist die Beziehung, die zwischen beiden besteht.
-
Der fünfzigjährige
Michael Berg erscheint in der •
Ich-Erzählung
über weite Strecken als quasi
allwissender (auktorialer) Erzähler, der seinen Standort immer
wieder in den Vordergrund rückt. Er stellt das Geschehen nach eigenem
Gutdünken dar, und arrangiert damit "das Geschehen auf höchst
persönliche, d.h. subjektive Weise" (Köster
2000, S. 69, im Original im Fettdruck hervorgehoben) und kommentiert
es, wie ihm das aus seiner
Erzählergegenwart erscheint. In diesem Fall beansprucht das erzählende
Ich stets die Rolle einer Figur, die über das vergangene, aber auch
gegenwärtige Geschehen reflektiert (Reflektorrolle) und dadurch eine
prinzipiell kritische Stellung einnimmt. Dennoch ist das Erzählverhalten
in der •
Ich-Erzählung
nicht im Sinne des •
Idealtyps durchgehend auktorial, denn sein •
point of
view als sich
erinnerndes
bzw. erzählendes
Ich ist nicht immer • "olympisch".
So kann er eben nicht in alle Figuren hineinblicken und kennt auch deren
Gedanken und Gefühle nicht (Introspektion).
Dabei thematisiert er auch selbst "die subjektive Begrenztheit seiner
Perspektive" (ebd.).
Dies wird z. B. deutlich, als er sich mit dem Hinweis auf seine
persönliche Situation von den anderen Mitstudierenden abgrenzt und sich
fragt, weshalb es ihnen gelungen ist, Schuld und Scham und eine
"auftrumpfende Selbstgerechtigkeit" unter einen Hut zu bringen. (Schlink,
Der Vorleser S.162f.) oder auch dadurch, dass er nicht weiß, was in
Hanna vorgeht und ob sie ihn auch liebt (vgl.
Schlink,
Der Vorleser, S.67).(vgl.
Köster 2000,
S. 69)
Entscheidend für die
Gestaltung und Wirkung dieser Erzählperspektive
ist die Beziehung, die zwischen beiden besteht.
-
Der fünfzigjährige
Michael Berg erscheint in der •
Ich-Erzählung
über weite Strecken als quasi
allwissender (auktorialer) Erzähler,
der seinen Standort immer wieder in den Vordergrund rückt. Er
stellt das Geschehen nach eigenem Gutdünken dar, und arrangiert
damit "das Geschehen auf höchst persönliche, d.h. subjektive
Weise" (Köster
2000, S. 69, im Original im Fettdruck hervorgehoben) und
kommentiert es, wie ihm das aus seiner
Erzählergegenwart erscheint. In diesem Fall beansprucht das erzählende
Ich stets die Rolle einer Figur, die über das vergangene, aber auch
gegenwärtige Geschehen reflektiert (Reflektorrolle) und dadurch eine
prinzipiell kritische Stellung einnimmt. Dennoch ist das Erzählverhalten
in der •
Ich-Erzählung
nicht im Sinne des •
Idealtyps durchgehend auktorial, denn sein •
point of view als sich
erinnerndes bzw.
erzählendes Ich ist nicht immer • "olympisch".
So kann er eben nicht in alle Figuren hineinblicken und kennt
auch deren Gedanken und Gefühle nicht (Introspektion).
Dabei thematisiert er auch selbst "die subjektive Begrenztheit
seiner Perspektive" (ebd.).
Dies wird z. B. deutlich, als er sich mit dem Hinweis auf seine
persönliche Situation von den anderen Mitstudierenden abgrenzt
und sich fragt, weshalb es ihnen gelungen ist, Schuld und Scham
und eine "auftrumpfende Selbstgerechtigkeit" unter einen Hut zu
bringen. (Schlink,
Der Vorleser S.162f.) oder auch dadurch, dass er nicht weiß,
was in Hanna vorgeht und ob sie ihn auch liebt (vgl.
Schlink, Der Vorleser, S.67).(vgl.
Köster 2000, S. 69)
•
FAQ: Was bringt eigentlich die Unterscheidung von erzählendem und
erlebendem Ich
Baustein: Wer erzählt die Geschichte?
Erzählendes und erlebendes Ich (Romanende und Romananfang)
▪
Schulische Analyse und Interpretation erzählender Texte
▪ Einen Erzähltext mit der Kategorientafel analysieren
▪
Erzählformen und Erzählverhalten
(Petersen)
▪
Überblick
▪
Erzählform
▪
Standort des Erzählers (point of view)
▪
Erzählperspektive (Sichtweise)
▪
Erzählverhalten
▪
Erzählhaltung
▪
Darbietungsweisen