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Die
Erzählperspektive (Erzählhaltung, Erzählsituation) des Romans »Der
Vorleser« lässt sich als
auktoriale Ich-Erzählperspektive auffassen.
Das
erzählende (sich erinnernde) Erzähler-Ich (Michael Berg im Alter
von 50 Jahren) und das
erlebende (erinnerte) Erzähler-Ich (Michael Berg zwischen 15 und 50
Jahren) stehen nicht nur in einer zeitlichen Distanz zueinander.

Entscheidend für die Gestaltung und Wirkung dieser Erzählperspektive
ist die Beziehung, die zwischen beiden besteht.
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So kann der Fünfzigjährige sich als quasi
allwissender (auktorialer) Erzähler stets in den Vordergrund stellen
und alles so darstellen und kommentieren, wie ihm das aus seiner
Erzählergegenwart erscheint. In diesem Fall beansprucht das erzählende
Ich stets die Rolle einer Figur, die über das vergangene, aber auch
gegenwärtige Geschehen reflektiert (Reflektorrolle) und dadurch eine
prinzipiell kritische Stellung einnimmt.
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Er kann aber auch, den jüngeren Michael Berg, von dem er in
unterschiedlichen Lebensphasen erzählt, so zu Wort kommen lassen, wie
dieser das Geschehen zu diesem vergangenen Zeitpunkt erlebt oder
kommentiert hat.
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Und schließlich kann die Beziehung zwischen beiden Erzähler-Ichs
auch tendenziell so ausfallen, dass sich ihre beiden Sichtweisen und
Standpunkte annähern.

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