Die Verhältniswahl ist in Europa das meisten verbreitete
Wahlrechtssystem, kurz auch Wahlsystem. In 32 von 40 Ländern wird es
verwendet, um Parlamente zu wählen. Auch in Deutschland gilt das
Verhältniswahlrecht, allerdings in einer Kombination mit einer
Mehrheitswahl, bei der die Wähler über die personelle Besetzung des
Parlamentes mitentscheiden können. Diese Wahlrecht wird als →personalisierte
Verhältniswahl bezeichnet.
Bei genauerem Hinsehen kann man
sechs verschiedene
Verhältniswahlsysteme unterscheiden:
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Personalisierte Verhältniswahl
(Deutschland)
-
Verhältniswahl in Mehrpersonenwahlkreisen (in Europa 19 Staaten,
darunter: Belgien, Finnland, Kroatien, Norwegen, Polen, Schweiz,
Spanien, Tschechien ...)
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Kompensatorische Verhältniswahl, bei der ein Teil der Mandate
nach dem Mehrheitsprinzip in Einerwahlkreisen bestimmt wird
-
Übertragbare
Einzelstimmgebung (single transferable note) (Irland)
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Verhältniswahl in einem Wahlkreis mit Sperrklausel (in
Europa 9 Staaten, darunter: Russland, Dänemark, Serbien, Slowakei,
Ukraine ..,)
-
Reine
Verhältniswahl (Niederlande)
(vgl. Decker
2011, S. 33)
Vorteile und Nachteile der Verhältniswahl
Die Vorteile des Verhältniswahlrechts im Vergleich zum ▪
Mehrheitswahlrecht
werden vor allem darin gesehen, dass sie den mit der
Stimmabgabe für eine Partei ausgedrückten Wählerwillen unmittelbar in
die Zusammensetzung des Parlaments "übersetzen".
Die Verhältniswahl
weist daher eine deutlich bessere Stimmen-Mandate-Relation
(Proportionalindex) auf, weil die Sitze im Parlamente proportional zu
den bei einer Wahl auf eine Partei entfallenden Stimmen vergeben werden.
In Systemen mit reiner Verhältniswahl kann sich vergleichsweise leicht ein
Vielparteiensystem entwickeln mit der Folge, dass die
Regierungsbildung schwierig und die Stabilität von Regierungen auch von
kleinen Splitterparteien abhängt.
Dies war z. B. in der ▪
Weimarer
Republik (1919-1933) der Fall, in der das reine Verhältniswahlrecht
ohne Sperrklausel mit seinen Folgen mehr oder weniger als einer der
Belastungsfaktoren angesehen wird, die zum Scheitern der Republik
führten. (▪
Belastungsfaktor
Verhältniswahlrecht)
Fünf-Prozent-Sperrklausel gegen die Parteienzersplitterung
in den Parlamenten
Um diesem Problem des Proporzsystems
bei der Sitzverteilung zu entgehen, hat man in zahlreichen Ländern eine
»Sperrklausel
eingerichtet, die Parteien mit nur einem geringen Anteil an Stimmen
den Weg ins Parlament verbaut.
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In Deutschland gilt die so genannte »5
%-Klausel (Fünfprozentklausel) auf Bundesebene seit der
Bundestagswahl von 1953, wird aber auch bei den Landtagswahlen in den
Ländern angewendet.
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Bei Kommunalwahlen gilt sie indessen nicht
(Ausnahme: Rheinland-Pfalz 3%).
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In anderen europäischen Ländern haben
Sperrklauseln andere Werte. (Niederlande 0,67%, Österreich 4%, 5% in den
meisten anderen mitteleuropäischen Staaten, Russland 7% und Türkei 10%)
(Ȇbersicht
bei Wikipedia)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.01.2020
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