Vor seinem Tod am 3.6.
1924 bat Franz Kafka seinen Freund »Max
Brod (1884-1968), den Großteil seiner Handschriften zu vernichten.
Dieser erfüllte diesen
Wunsch indessen nicht und sorgte dafür, dass viele von Kafkas Schriften
posthum veröffentlicht wurden. 1939, kurz vor dem
Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Prag, konnte Brod, die
Handschriften nach und in
Palästina in Sicherheit bringen.1945 schenkte er sie seiner
Sekretärin, Lebensgefährtin und späteren Erbin »Ilse
Ester Hoffe (1906-2007).
1956 deponierten der
Verleger »Salman
Schocken (1877-1959) und »Max
Brod (1884-1968) Kafkas Werke in einem Schweizer Banktresor, weil
sie Bedenken wegen der Unruhen im Nahen Osten und der Sicherheit der
Manuskripte hatten, die sich bei Brod in Tel Aviv befanden. Nach langen
Verhandlungen nahm »Malcolm Pasley
(1926-2004) die Werke Kafkas, die sich in Brods Besitz befanden,
persönlich in Besitz. 1961 transportierte Pasley sie mit dem Auto von
der Schweiz nach Oxford.
Die Papiere, mit
Ausnahme des Prozesses, wurden in der »Bodleian
Library in Oxford aufbewahrt. Der Prozess blieb im Besitz der
Lebensgefährtin und Erbin von Max Brod »Ilse
Ester Hoffe (1906-2007). Hoffe bot einige dieser Handschriften,
darunter das Manuskript von Der Process, über das Londoner
Auktionshaus »Sotheby's
an. 1988 wurde es für 3,5 Millionen DM (1,1 Million engl. Pfund) von »Heribert
Tenschert ersteigert, welcher es zum Einkaufspreis dem »Deutschen
Literaturarchiv in Marbach überließ. Finanziert wurde es mit Mitteln
der »Kulturstiftung
der Länder, des Bundesministeriums des Innern, des Landes
Baden-Württemberg sowie einer Spende des Verlegers »Klaus
G. Saur. Es ist nunmehr im »Literaturmuseum
der Moderne in Marbach in der Dauerausstellung zu sehen.
Pasley ist vor allem
für seine Forschung zu den Kafka-Schriften bekannt. Er begann zu Beginn
seiner Karriere, Kafka zu studieren und wurde von ihrem Sohn Michael,
der in Oxford studierte, mit »Marianne
Steiner, Kafkas Nichte und Tochter seiner Schwester Valli,
bekanntgemacht. Die dabei entstandene Freundschaft machte Pasley zum
wichtigsten Berater von Kafkas Erben.
In Oxford leitete
Pasley ein Team von Wissenschaftlern (Gerhard Neumann, Jost Schillemeit
und Jürgen Born), das den Text neu zusammenstellte, Max Brods
Bearbeitungen und Änderungen entfernte und 1982 mit der Veröffentlichung
der Werke begann. Dieses Team stellte den deutschen Originaltext wieder
in seinem vollständigen (und in einigen Fällen unvollständigen) Zustand
wieder her, wobei besonderes Augenmerk auf die einzigartige
Kafka-Interpunktion gelegt wird, die als entscheidend für seinen Stil
gilt.
Nach der
Veröffentlichung der Kritischen Ausgabe musste sich Pasley mit Kritik
auseinandersetzen, die die Vollständigkeit der Edition in Frage stellte.
Der deutsche Literaturwissenschaftler und »Editionsphilologe
»Roland
Reuß (geb. 1958) und der Germanist »Peter
Staengele (geb. 1953) stellten eine eigene historisch-kritische
Textausgabe neue »Faksimile-Ausgabe
und eine CD-ROM zusammen, die 1998 vom »Stroemfeld-Verlag
veröffentlicht wurde. Sie konnte das Manuskript des Prozess, das sich im
Besitz der deutschen Regierung befand, nutzen und führt Manuskript und
Transkription nebeneinander auf. Pasley und auch Marianne Steiner lehnte
die dabei vorgenommenen Änderungen ab. Verschiedene Kafka-Forscher
hingegen befürworten sie.
Damit
ist die von Kafkas Freund und Herausgeber »Max
Brod (1884-1968)
vorgenommene Kapiteleinteilung auch in den Ausgaben für den
Schulgebrauch revidiert worden.
"Die abgeschlossenen Kapitel oder solche, die
kurz vor dem Abschluss standen, sind in der
Kritischen Ausgabe nicht
durchgehend nummeriert wegen der Annahme, dass
Kafka noch weitere Episoden in
die Abfolge eingefügt hätte. Der Text »B.s Freundin« erscheint nicht in der
>Kapitel<-Folge wie bei Brod, sondern als >unabgeschlossen< unter
>Fragmente< im Anhang. Der von Brod als »Erstes Kapitel« bezeichnete Text
wurde aufgrund eines deutlichen Kapitelstrichs in die beiden >Kapitel<
»Verhaftung« und »Gespräch mit Frau Grubach / Dann Fräulein Bürstner«
aufgeteilt." (Beicken
1999, S. 38) (•
Text
1990)
In der Fassung des
teachSam-OER-Dokuments, die sprachlich der 1962 im Fischer-Verlag
herausgegebenen und auf der
Webseite
des Projekts Gutenberg verfügbar gemachten Version folgt, wird der
Kapiteleinteilung Pasleys gefolgt.
Aus methodisch-didaktischen
Gründen, um Schülerinnen und Schüler den Textbezug zu erleichtern und genaue
Textbelege zu ermöglichen, wurde der bei Pasley freilich aus prinzipiell
anderen Erwägungen vorgenommene Verzicht auf Zeilennummerierungen wieder
aufgegeben, auch wenn damit der Eindruck entstehen kann, dass der Text ein
abgeschlossenes Textprodukt darstellt, was ja bekanntlich nicht der Fall
ist.
Um
eine Schuledition mit Seitenangaben angeben zu können, wird hier auf
die Ausgabe der Hamburger Lesehefte (HL) verwiesen.