Da die •
Kurzgeschichte einen besonderen "Nuancenreichtum"
(Marx
2005, S.36) in ihren verschiedenen Exemplaren aber auch in sie
behandelnden Theorie aufweist, hat man sie auch als ein "Chamäleon der
literarischen Gattung" (Bender
1962, S.207). Dieses wechselnde Erscheinungsbild der epischen
Kleinform führte daher insbesondere nach 1945 zu zahlreichen Versuchen,
diese so vielgestaltige und bunte •
literarische Gattung induktiv
zu beschreiben, um darüber Kriterien für eine Typologisierung zu
gewinnen, mit der sich mit einem •
klassifikatorischen
Verfahren eine gewisse Ordnung das
buntscheckige Erscheinungsbild der Erzählung schaffen ließ. So versuchte
man die an der amerikanischen Short Story orientierte "Grundfigur
der Gattung" (Marx
2005, S.36) zu bestimmen, die man im Konzept vom
"Augenblickscharakter der Kurzgeschichte" fand und damit die "Zeitbehandlung
in der Kurgeschichte" (ebd.)
in den Fokus der Betrachtung rückte. Man wollte, wie Leonie
Marx
(2005) an gleicher Stelle betont, "dem schon immer faszinierenden
Verhältnis von Kürze und Wirkung auf die Spur [...] kommen und zu diesem
Zweck frei[...]legen, mit welchen Erzählmitteln die wirkungsvolle
Verdichtung und Erzählintensität der Kurzgeschichte sowie ihre
vielschichtige Wirklichkeitsgestaltung erreicht werden."
Dabei ist Kürze
natürlich nur eine relative Größe und reicht zudem bei weitem nicht aus,
um die Textsorte bzw. literarische Gattung gattungstypologisch zu
verorten. Im englischen Sprachraum bezeichnet der Begriff short story
dementsprechend auch eine Reihe längerer Texte wie Märchen oder auch
Novellen. Und doch ist die Kürze oder die Verdichtung das
"Hauptkompositionsprinzip" (ebd.,
S.57) und das "hervorstechendste, namengebende
Merkmal der Kurzgeschichte" (Meyer
2014, S.18)
Die
Verdichtungsstrategien mit ihren Aussparungsmethoden, mit denen eine
Kurzgeschichte gewöhnlich gestaltet ist, können sich auf sämtliche
erzähltechnischen Verfahrensweisen beziehen, die Raum-, Zeit- und
Figurengestaltung also ebenso wie auf die Handlungsführung.
