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Schiller, Maria Stuart: Aufbau und Komposition

Parallelisierung, Kontrastierung und Symmetrierung von Szenen, Personen, Wechselreden und Positionen

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Friedrich SchillerBiographie
Werke Dramatische WerkeDie Räuber ● Maria Stuart Überblick Didaktische und methodische Aspekte Entstehungsgeschichte Historischer Hintergrund Stoffgeschichte [ Aufbau und Komposition Pyramidale und symmetrische Komposition Parallelisierung, Kontrastierung und Symmetrierung Spannungskurve Maria Stuart - ein analytisches Charakterdrama? ] Handlungsverlauf Figurengestaltung Einzelne Figuren Sprachliche Form Interpretationsansätze Aufführungsberichte und - kritiken Bausteine Häufig gestellte Fragen (FAQs)Links ins Internet Lyrische Werke Sonstige Werke Bausteine Links ins Internet  Quickie für Eilige: So analysiert man eine dramatische Szene W-Fragen zur systematischen Szenenanalyse Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

● Strukturen dramatischer Texte
Formtypen des Dramas

Vergleich der Formtypen
Offene Form

Drama der geschlossenen Form

Überblick
Die Konstruktion der Fabel
Spannungsverlauf im Drama der geschlossenen Form
Exposition
Freytag, Gustav: Die Technik des Dramas (1863)

Parallelisierung, Kontrastierung und Symmetrierung von Szenen, Personen, Wechselreden und Positionen

Maria Stuart (1799/1800) ist ein Drama Schillers, das anders als z. B. Wallenstein (1799) oder Wilhelm Tell (1804) auf die Darbietung einer Fülle von geschichtlichen Ereignissen mit ausführlich dargestellten Episoden verzichtet (vgl. Guthke 1998, S.420). Es ist, unter diesem Aspekt betrachtet, "in handlungsarmes Stück" (Vonhoff 2005, S.157), bei dem das auf drei Tage verdichtete äußere Geschehen "außen vor" bleibt und nur in der dramatischen Rede der Figuren erwähnt wird.

Dies betrifft z. B. das Turnier, das zu Ehren der französischen Brautwerbungsdelegation abgehalten wird (es kommt nur im Dialog von ▪ Kent und ▪ Davison in Szene ▪ II,1 vor), den Anschlag auf Königin ▪ Elisabeth, von dem nur berichtet wird (▪ III,7-8), die Kundgebung des erregten Volkes vor dem Palast, das die Hinrichtung Maria Stuart lautstark fordert (▪ IV,7) oder natürlich auch die Hinrichtung Maria Stuarts, von dem zeitgleich nur von ▪ Leicester (▪ V,10) berichtet wird.

Der Verzicht auf die Umsetzung solcher dramatischer und die Sinne fesselnder Ereignisse auf die Bühne (Regietheater und moderne Verfilmungen des Stoffes ließen solche Action-Szenen nicht aus), die Konzentration auf einen "Handlungsablauf von »klassischer« Einfachheit und Prägnanz", auf ein "Drama des »kein Wort zuviel«,  »keine Szene ohne plausible Funktion«" (Guthke 1998, S.417) lässt vermuten, dass es Schiller darum geht, dass der Zuschauer sein "Augenmerk auf dies »Mache«, auf die schon artistische Komposition" (ebd.) und die "genau berechnete ästhetische Struktur" (Sauermeister 1992, S.289) richtet.

Die Tatsache, dass sich die Handlung in Maria Stuart "stärker als je zuvor in die intrapersonalen Vorgänge verlagert" (Guthke 1998, S.417) hat auch dazu beigetragen, dass das Stück immer wieder als ein ▪ analytisches Charakterdrama aufgefasst worden ist. (vgl. Vonhoff 2005, S.156ff.)

Die Bedeutung der Komposition des Dramas mit seiner "äußerst komprimierenden, Euripides' [480-406 v. Chr., d. Verf.]  analytischem Drama nacheifernde(n) Handlungsführung mit ihrer formal-artistischen Technik der vielleicht allzu kalkulierten Parallelisierung, Kontrastierung und Symmetrierung von Szenen, Personen, Wechselreden und Positionen" (Guthke 1998, S.420) ist bei manchen Kritikern im 19. Jahrhundert keineswegs gut angekommen, hat aber auch dazu geführt, dass die Tektonik von Maria Stuart immer wieder schematisch-schablonenartig vereinfacht worden ist und damit einem "Schematismus" bei der formalen Sortierung des Ganzen und seiner Deutung Vorschub geleistet hat, die ebenso viel verdeutlicht haben wie sie auf auf der anderen Seite verunklärten (vgl. Vonhoff 2005, S.161). Für Guthke (ebd.) wurden die Interpreten dadurch sogar "in die Irre geführt", weil diese auch ihre Sicht auf eine angemessene Sicht der Grundstruktur des Dramas im Gegenüber der beiden miteinander rivalisierenden Königinnen verstellt habe.

Zudem hätten sie sich bei ihrer Analyse und Interpretation der thematischen Inhalte des Stückes davon zu sehr leiten lassen. In der Folge hätten sie nämlich "auch in der thematischen Dimension, in der Gegenüberstellung der Königinnen, eine akkurate Antithetik, also so etwas wie Schwarz-Weiß-Malerei " gesehen, und zwar: "hier die ethisch geläuterte Triumphfigur, dort die erbärmliche Verbrecherin, hier die Heilige und Märtyrerin, dort der Theaterbösewicht, hier die am Ende ihres Lebens von »irdischen«, »physischen« Motiven nicht mehr erreichbare, sich nach dem Diktat absoluter Werte bestimmende »Idealistin« in der makellosen Glorie des »Gewissens«, dort die ganz in den Bezügen der Welt aufgehende »Realistin«, die sich von 'Macht'-Gelüsten und Rachsucht treiben lässt unter dem Vorwand unter dem Vorwand des Volkswohls und der Staatsräson (F. van Ingen, 1988; G. A. Wells, 1973)". (Guthke ebd.)

Koopman (1996, S.50, zit. n. Vonhoff 2005, S.161) hat diese Sicht wie folgt dargestellt: "Das Ausgewogene, ja geradezu Künstliche der Komposition zeigt sich schon in der außerordentlich straffen und klaren Gliederung der einzelnen Akte: Akt I und V gehören der Maria, II und IV Elisabeth; begegnet uns aber in Akt I die freudlose Maria und in Akt II die triumphierende Elisabeth, so in Akt IV die verzweifelte Elisabeth und in Akt V die triumphierende Maria; in Akt III begegnen beide einander, und diese Begegnung liefert den Wendepunkt des Ganzen. Doch die Symmetrie geht noch weiter: sie erstreckt sich auch auf die Handlungsabläufe, Elisabeth ist unehelich geboren, zur Königin geworden, Maria dagegen, als eigentlich legitime Königin, zur Gefangenen: da zeigen die beiden ersten Akte. Im III. Akt bahnt sich jedoch eine Veränderung an, die das Geschehen ins Gegenteil verkehrt: die Richtende wird schließlich zur Verurteilten, die Verurteilte zur Richterin: Elisabeth begibt sich ihrer Freiheit im gleichen Maße, wie Maria sie erlangt: der Sieg Marias bedeutet die Niederlage Elisabeths. Eine ausgewogenere Komposition lässt sich kaum denken, zumal das Gesetz der wechselseitigen Verknüpfungen auch für die den Hauptgestalten jeweils zugeordneten Nebenfiguren gilt: Hat sich Leicester etwa im II. Akt in die Hand Mortimers begeben, so begibt sich Mortimer im IV. Akt in die Hand Leicesters: schien beider Verschwörung im II. Akt noch zu gelingen, so droht ihnen nach den Ereignissen des IV. Aktes gleichermaßen Tod und Untergang."

Die Komposition im Dienst der Distanzierung des Zuschauers bei der Rezeption des Stückes

Auch wenn sich die dargestellten Prinzipien der Komposition des Dramas für eine formalästhetische Betrachtung und eine von der These, Maria Stuart sei vor allem ein Charakterdrama, geleitete, vor allem psychologisierende Sichtweise geradezu anbieten, kann das Drama aber auch in einer anderen als der weitverbreiteten "psychologisierenden Deutungstradition" (Vonhoff 2005, S.162) gelesen werden. Statt die dramatische Rede der Figuren stets von den psychologischen Dispositionen, Emotionen und Überlegungen der Figuren und ihrer seelischen Prozesse zu lesen und damit einer Lesart zu folgen, die der ohnehin fraglichen These folge, es gehe in diesem Drama um diese, müsse man "die Figurenreden abstrakter" lesen (ebd., vgl. auch Sharpe 1991, S.259f., S.263)

Damit ist - vereinfacht ausgedrückt - gemeint, dass der rhetorischen Sprachverwendung, die in zahlreichen Szenen des Dramas im Vordergrund steht, eine weitaus größere Bedeutung zu geben hat. Diese rhetorische Sprachverwendung wird auch in der Szene deutlich, wenn man das dargebotene Geschehen als Rollenspiel der jeweiligen Akteurinnen, vor allem Maria und Elisabeth, versteht. Diese agieren nämlich in einem vordergründig handlungsarmen dramatischen Geschehen, bei dem das Stück immer wieder "mit einer anderen Deutung des gleichen Zusammenhangs oder mit einer überraschenden Wendung, die alles zuvor Dargestellte in Frage stellt" (Vonhoff 2005, S.160), aufwartet, in immer wieder inszenierten Rollenspielen, bei denen sie sich entweder verstellen oder aber so verhalten, wie es die Handlungssituation eben erfordert. Stets tun sie dies aber im Bewusstsein, dass auch ihre privatesten Gefühlsäußerungen eine öffentliche, mithin politische Bedeutung besitzen. Hinzukommt, dass die Rollen, die die beiden Königinnen spielen, ihnen auch von der Männerwelt vorgegeben werden, in deren "Welt" sie als Frauen und Funktionsinhaberinnen königlicher Gewalt agieren. All dies legt dieser Interpretation nach also nahe, die Figurenreden in Schillers Drama nicht auf dem Hintergrund psychologisierender Deutungen, sondern eben abstrakter zu lesen.

Zugleich verbindet sich damit natürlich die Frage, wohin diese Lesart führt bzw. führen soll. Ganz allgemein besehen, soll sie ermöglichen, dass der Zuschauer mit den Parallelisierungen und Entgegensetzungen, die sich auf der Ebene der formalen Struktur des Dramas zeigen, "Unterschiede im Ähnlichen" erkennen kann und damit zu "Erkenntnissen und Einsichten in die analysierte Gesellschaft" (ebd., S.162) gelangen kann. Und genau diese Funktion erfüllt die Komposition: Der Zuschauer kann mit ihrer Hilfe, so diese Lesart, das multiperspektivisch und in zahlreichen einander widersprechenden Facetten dargebotene Geschehen, damit anders wahrnehmen als die Figuren und das in deren dramatischer Rede zum Ausdruck Gebrachte. Dadurch verstrickt er sich nicht so "bewusstlos" (Sautermeister 1979, Ausgabe 1992, S.289) in das Geschehen, wie es die agierenden Figuren des Dramas tun. Diese nur vordergründig formalästhetischen Strukturen halten den Zuschauer also auf Distanz und ermöglichen ihm, freie, nicht an die Figurenperspektiven gebundene Reflexionen über "das Verhältnis zwischen Geschichte und Individuum" (Sautermeister 1979, S.179, Ausgabe 1992, S.289) Ob man indessen so weit gehen muss, dass das Stück "ohne diese Formung nur als Chaos wahrgenommen werden könnte", wie Vonhoff (2005, S.162) im Anschluss an Sharpe (1991 S.256f.) postuliert, dürfte indessen zu weit gehen, zumal es jede andere Art der Rezeption und Lesart des Dramas und seiner Komposition nicht nur als unzureichend sondern auch als grundsätzlich chaotisch zu disqualifizieren sucht.

Für die Literaturdidaktik und die Behandlung des Dramas im Unterricht dürfte die davon etwas abgehoben daherkommende literaturwissenschaftliche Betrachtung der Komposition nur geringe Bedeutung haben, zumal es dabei im Umgang mit Literatur vor allem darum geht, auf vielfältige Art und Weise "im Medium des Literarischen Erfahrungen zu machen" (Rosebrock  2001, S.4) und im ▪ Handlungsfeld Literatur in der Schule "anthropologische Grunderfahrungen" (Abraham/Kepser (42016, S.36) mitteilbar gemacht werden sollen, die Jugendliche z. B. bei ihrer Entwicklung und Identitätsbildung unterstützen, indem ihnen dabei alternative Lebensentwürfe vorgestellt werden, zu denen sie sich in Beziehung setzen können,  durch Identifikation mit fiktiven Figuren Fremdverstehen (Alteritätserfahrungen) und Empathie gefördert werden und einen Raum für "Probehandeln" der imaginierten Welt ermöglicht. (vgl. ebd., S.21).

Unter dieser literaturdidaktischen Perspektive erklärt sich dann auch, weshalb die von der neueren literaturwissenschaftlichen Forschung so sehr in Frage gestellte psychologisierende Deutungsperspektive des Dramas in Literaturunterricht der Schule auch weiterhin einen vorrangigen Platz einnimmt.

Das bedeutet aber nicht, dass die abstraktere Lesart der dramatischen Rede in Maria Stuart nicht auch bei ▪ einzelnen Szenenanalysen (III,4, V,7-10 z. B.) interessante Einblicke in Schillers Anspruch "Vernunft und Sinnlichkeit zusammenstimmen zu lassen" (Vonhoff 2005, S.163) geben kann.

Die Rückbindung der Kompositionsprinzipien an die Schillers zivilisationskritischen Betrachtungen des "sentimentalischen Zeitalters" mit seinem in Schillers Zeit - gerade auch nach den ▪ Erfahrungen der Französischen Revolution und ihrer Bewertung durch Schiller - nicht lösbar erscheinendem Antagonismus "der natürlichen Gewalt des Sinnlichen (Stoff)" und der subtilen, aber deshalb noch gefährlicheren Gewalt des Geistes (Form)"  ebd., S.165) dürfte daher wohl im Literaturunterricht bei der Behandlung des Stückes wohl nur am Rande und dann nur auf einem höheren Kompetenzniveau zu thematisieren sein.

Dann freilich gilt es auch an konkreten Figuren des Drama zu zeigen, dass "Schillers Trauerspiel (...) eine zivilisationskritische Bearbeitung des Maria Stuart-Stoffes dar(stellt), geschrieben aus der Perspektive eines an den Notwendigkeiten des sentimentalischen Geschichtsstandes Verzweifelnden."  (ebd.)

● Strukturen dramatischer Texte
Formtypen des Dramas

Vergleich der Formtypen
Offene Form

Drama der geschlossenen Form

Überblick
Die Konstruktion der Fabel
Spannungsverlauf im Drama der geschlossenen Form
Exposition
Freytag, Gustav: Die Technik des Dramas (1863)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 30.05.2021

 
 

 
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