▪ Freytag,
Gustav: Die Technik des Dramas (1863)
Handlung und Komposition
Der ▪ Idealtyp der
geschlossenen Form des Dramas weist unter dem Aspekt von Komposition und
Handlung betrachtet eine besondere Konstruktion seiner
Fabel auf. Sie
entspricht dabei den
▪ aristotelischen Regeln von der Einheit und
Ganzheit der Handlung.
In der nachfolgenden Darstellung sind die wesentlichen
deskriptiv entwickelten Kategorien des geschlossenen Dramas, wie
sie
Volker
Klotz (Geschlossene und offene Form im Drama, 1969)
entwickelt hat, mit dem normativen Ansatz von
Gustav Freytag (Technik des Dramas,
1863), der ein ▪
drei- bzw. fünfaktiges Strukturmodell
entworfen hat, in Verbindung gebracht. Die von diesem mit seiner
von Symmetrie der Akte bestimmten Pyramidenstruktur des Dramas
lässt sich das dem geschlossenen Drama eingeschriebene Streben
nach Harmonie in der Symmetrie der Teile abbilden.
In einem Drama der offenen Form wird eine Geschichte (plot) gestaltet,
die ohne weitere
Voraussetzungen beginnt und mit ihrem dramatischen Ende
auch einen endgültigen Schluss findet.
Diese Geschichte/Fabel ist einsträngig
oder
zumindest dominiert sie gegenüber anderen ganz eindeutig,
die dazu noch nur auf die eigentliche Fabel hin ausgerichtet sein können.
Die Fabel muss alles umfassen, was für die Geschichte nötig ist, d. h. es
muss alles da sein, was den
dramatischen Konflikt begründet und endigt,
wie Pfister (1977,
S. 320) betont: "Aus einer klar exponierten Ausgangssituation, die auf
einem abgeschlossenen und überschaubaren Satz von Fakten beruht,
entwickelt sich ein Konflikt zwischen transparent profilierten
antagonistischen Kräften, der zu einer eindeutigen und endgültigen Lösung
geführt wird."
Die Tilgung der Totalität
Nach
Klotz
(1969), S.26) "(bietet) die Handlung des
geschlossenen
Dramas (...) den Höhepunkt einer schon lange angelaufenen, vor dem Beginn des
Dramas einsetzenden Entwicklung dar."
Sie beschränke sich "auf eine fest umgrenzte, einheitliche
Raum-, Zeit- und Ereignisspanne" und sei damit ein "deutlicher
Ausschnitt aus einem Größeren. Betrachte man dieses Größere,
räumlich, zeitlich und pragmatisch Komplexere, so scheine die Handlung
nur Teil, nur Phase einer Entwicklung. "Im durchgeführten Drama jedoch
schwindet der Eindruck des Partiellen. Der Ausschnitt verliert seinen
Teilcharakter, der Teil wird zum Ganzen, die Vorgeschichte wird
integriert. Die Handlungsführung lässt nicht den Eindruck zu, sie setze
nur eine Entwicklung fort und schließe sie ab und sei insofern
unvollständig und unselbständig: sie konstituiert vielmehr ein
Ordnungsgefüge für sich, das alles pragmatisch außerhalb Liegende
vergessen macht. Indem es die Außenwelt den eigenen Gesetzen unterwirft,
sie zähmt und aus ihrem Anderssein löst, tilgt es sie." (Klotz 1969,
S.26)
*Retardation = Punkt im klassischen Drama, wo das
Zuschauerinteresse schon auf dem Höhepunkt ist und Gefahr läuft
abzufallen. Daher wird ein neues Spannungselement eingefügt, ohne dass
dabei das Ziel der Katastrophe aus dem Auge gerät. Im 4. Akt werden häufig
»andere« Lösungen durchgespielt, die dann im 5. Akt widerlegt werden.
Überblick: Handlung und Komposition im
geschlossenen Dramas
|
Geschlossene Form |
Handlung |
|
Komposition |
-
von der Gesamtheit der allgemeinen vorgestellten
Idee bestimmt
-
Ausschnitt als Totalität von Welt:
Ausschnitt als Ganzes
-
Teile können nicht weggelassen oder ausgetauscht
werden
-
Vorgeschichte in der
▪
Exposition
-
Einteilung in Akte, ▪
konventionell 5 Akte, aber auch als
Dreiakter
-
hierarchische Ordnung von Akten und Szenen
-
Proportionalität z. B. beim Figurenarsenal
-
fein abgestimmte Analogien
-
Symmetrien: symmetrische Architektur,
symmetrisches Gleichgewicht o. ä.
|
(vgl. u. a.
Klotz 1960;
Pfister 1977;
Müller 1988;
Asmuth 62004; Boehnisch
2012,
Fricke/Zymner 1993;
Schößler 2017,
Becker/Hummel/Sander 22018)
▪ Freytag,
Gustav: Die Technik des Dramas (1863)
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
03.09.2023
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