Der Begriff
Parabel stammt aus dem
Altgriechischen und bedeutet etwa "das eine für das andere setzen“.
Wer eine parabolische Erzählung richtig verstehen will,
muss, wie
Brettschneider (1971, S.9) betont, das Erzählte als Beispiel aufnehmen
und aus ihm das herleiten, was eigentlich gemeint ist.
Wir sprechen in
diesem Zusammenhang von einem Prozess der Übertragung vom Bildbereich
(das Erzählte) in einen Sachbereich (das Gemeinte).
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Was jeweils im Text
gemeint ist, kann von dem Autor selbst direkt ausgesprochen sein.
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Genauso
gut kann es aber auch dem Leser/der Leserin völlig selbst überlassen
bleiben.
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Was er/sie aus dem macht, was von ihm/ihr auf der Bildebene
wahrgenommen wird, ist dabei ein konstruktiver Akt, den jeder Rezipient für
sich selbst vollzieht.
So entzieht sich auch die Deutung einer Parabel der
Vorstellung, es gebe eine "richtige" Interpretation.
Man kann die Parabel als epische Kleinform von der
Kurzgeschichte und der Allegorie, allerdings keineswegs immer trennscharf,
unterscheiden.
Die Interpretation einer
Parabel muss von der
Unterscheidung zwischen Bildebene (= auch Bildbereich) und Sachebene (= auch
Sachbereich) als Grundstruktur ausgehen. Dabei macht man sich zu
eigen, dass die Parabel "ihren Sinn nicht in der Geschichte selbst, sondern
in dem was ihr Inhalt bedeutet", hat. (van
Rinsum 1986b, S.14) Dieses Textmusterwissen ist eingebunden "in
Zusammenhänge der kulturellen und bildungshistorischen Tradition" und
"entzieht [..] sich einem spontanen Leserzugang." (Durzak
1986, S.348) Vereinfacht ausgedrückt: Wer nicht weiß, was eine Parabel
ist, nicht über ein gewisses Maß an (literarischer) und sonstiger Bildung
verfügt, wird bei der Rezeption und Interpretation schnell an seine Grenzen
stoßen, bzw. die Parabelstruktur eines erzählten Textes nicht auf einer
abstrakteren Erkenntnisebene auflösen können.
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Die Parabel richtet sich also im Allgemeinen "an ein verstehendes bzw.
wissendes Publikum" (Schrader), wobei man gut daran tut, sein Augenmerk eher
auf die "historisch bedingte(n) Kommunikations- und
Vermittlungsformen" (Voßkamp
1992, S.286), denn auf normative Setzungen von
Textsortenmerkmalen
zu richten. Einem "kompetenten" Rezipienten allerdings ist die Parabel
"nichts ohne ihre Auflösung, ohne ihren eigentlichen Sinn". (van
Rinsum 1986b, S.15)
Damit ein Rezipient freilich erkennen kann, "dass mit dem Gesagten etwas
anderes gemeint ist, muss in der Parabel etwas enthalten sein, was ihn
darauf aufmerksam macht, dass er es auf eine gedankliche Ebene übertragen
muss." (ebd., S.15). Dies kann auf verschiedene Weise, aber auch in
Kombination miteinander, geschehen:
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auf der Textebene selbst (z. B. durch den Titel, durch mehr oder weniger
explizit ausgedrückte Verweisstrukturen, z.B. Vergleiche in
Robert Musils
Parabel,
Das Fliegenpapier)
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durch das Hintergrundwissen des Rezipienten (sein allgemeines
Weltwissen,
seine literarischen Erfahrungen, Vorkenntnisse und sein
Textmusterwissen)