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Themabereich: Lesen
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Lesen und Textverstehen
(CI-Modell)
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Bausteine
Für das uneigentliche
Sprechen in Parabel sensibilisieren
Die Beschäftigung mit
▪ Parabeln im Literaturunterricht sollte vor
allem dazu dienen, für das "das uneigentliche, gleichnishafte Sagen"
(Brettschneider (1971,
S.9) zu motivieren, welches das erste und wichtigste Gattungsmerkmal
der Parabel darstellt.
Darunter versteht man
ein Sprechen bei dem das, was gesagt bzw. ausgesprochen wird, nicht das ist,
was eigentlich gemeint ist.
Diese Grundstruktur prägt die Parabel beim Erzählen. Was also erzählt
wird, und mag das noch so kurz sein, verweist also stets über
sich hinaus. Die Bedeutung des Erzählten muss demnach vom Wortlaut des
jeweiligen Textes zu unterscheiden sein und gesucht und gefunden
werden.
Worauf eine Parabel
verweist oder anders ausgedrückt: welche Bedeutung sie hat, ist aber
nicht einfach in die Reihenfolge der sprachlichen Zeichen
"eingraviert". Und dementsprechend ist die Tatsache, ob man auch
erkennt, dass ein solcher Text über sich hinausweist, nicht einfach
davon abhängig wie genau man einen solchen Text liest. Natürlich
macht es einen Unterschied, ob man einen solchen Text überfliegt z.
B. ▪
orientierend bzw. ▪
diagonal
oder ▪
intensiv, u. U. auch mehrfach liest, weil einem beim Überfliegen
einfach auch manches überliest. Entscheidend aber ist immer, dass
das Ganze ein konstruktiver, psychisch-kognitiver
Akt ist, an dem ein Leser auf vielfältige Art und Weise beteiligt
ist.
Dementsprechend ist
auch die Bedeutung, die ein Leser einem Text zuschreibt, von vielen
Faktoren abhängig, wie z. B. die Art und die subjektive erfahrene Schwierigkeit des
Textes, Erwartungen und Ziele des Lesers und sein
Wissen
unterschiedlichster Art (z. B.
Weltwissen, aktives Wissen,
Erfahrungswissen,
Fachwissen,
Sprachwissen,
Textmusterwissen,
thematisches Wissen).
Grundlegend ist
also die Vorstellung vom
▪ sinnkonstruierenden Lesen, das den
Leseprozess als Text-Leser-Interaktion auffasst. Dabei entsteht
Textverständnis in Wechselwirkungen von textgeleiteten und konzept- bzw.
erwartungsgeleiteten Prozessen bei seiner kognitiven Verarbeitung.
Woran erkennt man, dass etwas anderes
gemeint ist als nur das Erzählte?
Schülerinnen und
Schüler fühlen sich, was das "uneigentliche Sprechen" in kürzeren
erzählenden Texten angeht, oft keineswegs sicher und fragen oft
verzweifelt, entsprechende Hilferufe in Foren im Internet, woran man
eine Parabel erkennt (vgl. FAQ 2).
Nicht selten werden sie dann mit ein paar "lausigen" sprachlichen
und erzähltechnischen Merkmalen abgespeist, die mit ihrem
eigentlichen Problem: "Woran erkennt man, dass etwas anderes
gemeint ist als nur das Erzählte?" nicht im Geringsten
zu tun haben.
Dabei ist dies für
die Sinnkonstruktion einer Parabel die zentrale Frage. Ob man
allerdings überhaupt eine über den Buchstabensinn hinausgehende
Bedeutung eines dafür in Frage kommenden Textes überhaupt erkennt,
ist dabei nicht nur eine Frage der möglichst genauen Erfassung eines
Textes.
Damit ein Text
überhaupt als Parabel verstanden werden kann, muss der Text selbst
irgendwie darauf aufmerksam machen, dass es dabei nicht allein um
das geht, was auf der Textebene dargestellt ist. An irgendeiner oder
an mehreren Stellen gibt es im Text, wie man bildlich sagt, "Stolpersteine",
deren Sinn sich auf der Textebene allein nicht erschließt. Trifft
man beim Lesen auf sie, dann lösen sie - vorausgesetzt man nimmt sie
überhaupt als solche wahr - eine gedankliche Suchbewegung aus, die
z. B. in der Frage münden kann: Was könnte mit dem "Stolperstein" in
einem übertragenen Bedeutungszusammenhang gemeint sein?
Stolpersteine
dieser Art werden als Transfersignale bezeichnet. Dies sind
Wörter oder Formulierungen, denen ein kompetenter Leser eine
Suchanweisung entnimmt und die ihn veranlassen, den eigentlichen
Sinn des Textes außerhalb des Textes zu konstruieren. Allerdings:
Das Stolpern allein bzw. das Identifizieren solcher Transfersignale,
sagt natürlich oft recht wenig darüber aus, welche Analogien
zwischen dem Bildbereich auf Textebene und dem Sachbereich in einem
neuen Bedeutungszusammenhang bestehen. Sie sind zunächst nicht mehr
als Aufforderungen, den Sinn des Textes jenseits der Textebene zu
konstruieren, legen aber damit keineswegs fest, dass ein bestimmter
Text nur eine, ihm beim jeweiligen Transfer zugewiesene Bedeutung
haben kann.
Solche
Transfersignale können explizit oder implizit sein.
-
Explizite
Transfersignale sind Formulierungen, die direkt ausdrücken,
dass das Dargestellte im Analogieschluss auf einen anderen
Bereich bezogen werden soll, oder sogar angeben, auf welchen
Bereich das, was im Text steht, übertragen werden soll. Diese
Ausführungen können kurz oder länger ausfallen. Oft geben
Vergleiche, die im Text vorkommen, Hinweise darauf, auf welchen
Bereich das Signal verweist. Explizite Transfersignale
kennzeichnen gewöhnlich die •
traditionellen Parabeln, die eine •
didaktische Funktion haben und das •
Verhältnis von Erzähler und Leser
-
Implizite
Transfersignale verweisen zwar darauf, dass das im Text
Dargestellte nicht das eigentlich Gemeinte ist, lassen aber
weitgehend offen, welche Bedeutung diesem, wenn man es auf etwas
überträgt, das so nicht im Text steht, stattdessen zukommt.
Implizite Transfersignale sind "Merkmale der Binnenebene des
Erzähltextes" und nicht wie bei den expliziten Transfersignalen
Merkmale der "Rahmenebene" (Zymner 1991,
S.93 f.), auf der vorgegeben wird, wie das Dargestellte
eigentlich gemeint ist. Das einzige, was ein kompetenter Leser
ihnen entnehmen kann, ist eine Suchauforderung, den Sinn
des Textes außerhalb der Textebene zu konstruieren. Solche
Transfersignale, die nicht einzeln, sondern stets in einer Mehrzahl
vorkommen und dabei in eine gemeinsame textexterne
Bedeutungsrichtung zeigen, sind quasi Stolpersteine in modernen
Parabeln, die im Idealfall helfen, dass wir unser bis dahin
gewonnenes Textverständnis korrigieren und ihm eine andere
Richtung geben. Dabei legen sie den Leser allerdings nicht auf
eine bestimmte •
Sinnkonstruktion bzw.
Lesart
fest. • Moderne Parabeln geben kein
Sinnversprechen ab und setzen darauf, dass der Leser die
impliziten Transfersignale wahrnimmt.
Das schließt aber auch ein, dass einem
Leser, insbesondere wenn ein Text kein explizites Transfersignal
aufweist, das ihn auffordert, das Erzählte auf auf einen bestimmten Bereich
außerhalb des erzählten Geschehens zu übertragen, sich bei seiner
Rezeption mit dem "vordergründigen" Handlungssinn begnügt und damit,
zumindest bei der Rezeption, Mustern folgt, die eher bei der
Interpretation von ▪
Kurzgeschichten angebracht sind.
Und wenn ein Text
besonders hermetisch daherkommt, ist es doch allesamt besser, in der
Schreibaufgabe die Textsorte schon zu benennen, um den Fokus auf die
eigentlichen Interpretationsleistungen zu legen.
Insbesondere sollten
Abgrenzungen der Parabel gegenüber ihren möglichen Verwandten keinen
so hohen Stellenwert haben.
Parabelinterpretation: Übertragungen vom Bildbereich in den
Sachbereich
Der Begriff
Parabel stammt aus dem
Altgriechischen und bedeutet etwa "das eine für das andere setzen“.
Wer eine parabolische Erzählung richtig verstehen will,
muss, wie
Brettschneider (1971, S.9) betont, das Erzählte als Beispiel aufnehmen
und aus ihm das herleiten, was eigentlich gemeint ist.
Wir sprechen in
diesem Zusammenhang von einem Prozess der Übertragung vom Bildbereich
(das Erzählte) in einen Sachbereich (das Gemeinte).
-
Was jeweils im Text
gemeint ist, kann von dem Autor selbst direkt ausgesprochen sein.
-
Genauso
gut kann es aber auch dem Leser/der Leserin völlig selbst überlassen
bleiben.
-
Was er/sie aus dem macht, was von ihm/ihr auf der Bildebene
wahrgenommen wird, ist dabei ein konstruktiver Akt, den jeder Rezipient für
sich selbst vollzieht.
So entzieht sich auch die Deutung einer Parabel der
Vorstellung, es gebe eine "richtige" Interpretation.
Man kann die Parabel als epische Kleinform von der
Kurzgeschichte und der Allegorie, allerdings keineswegs immer trennscharf,
unterscheiden.
Die Interpretation einer
Parabel muss von der
Unterscheidung zwischen Bildebene (= auch Bildbereich) und Sachebene (= auch
Sachbereich) als Grundstruktur ausgehen. Dabei macht man sich zu
eigen, dass die Parabel "ihren Sinn nicht in der Geschichte selbst, sondern
in dem was ihr Inhalt bedeutet", hat. (van
Rinsum 1986b, S.14) Dieses Textmusterwissen ist eingebunden "in
Zusammenhänge der kulturellen und bildungshistorischen Tradition" und
"entzieht [..] sich einem spontanen Leserzugang." (Durzak
1986, S.348) Vereinfacht ausgedrückt: Wer nicht weiß, was eine Parabel
ist, nicht über ein gewisses Maß an (literarischer) und sonstiger Bildung
verfügt, wird bei der Rezeption und Interpretation schnell an seine Grenzen
stoßen, bzw. die Parabelstruktur eines erzählten Textes nicht auf einer
abstrakteren Erkenntnisebene auflösen können.

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Die Parabel richtet sich also im Allgemeinen "an ein verstehendes bzw.
wissendes Publikum" (Schrader), wobei man gut daran tut, sein Augenmerk eher
auf die "historisch bedingte(n) Kommunikations- und
Vermittlungsformen" (Voßkamp
1992, S.286), denn auf normative Setzungen von
Textsortenmerkmalen
zu richten. Einem "kompetenten" Rezipienten allerdings ist die Parabel
"nichts ohne ihre Auflösung, ohne ihren eigentlichen Sinn". (van
Rinsum 1986b, S.15)
Damit ein Rezipient freilich erkennen kann, "dass mit dem Gesagten etwas
anderes gemeint ist, muss in der Parabel etwas enthalten sein, was ihn
darauf aufmerksam macht, dass er es auf eine gedankliche Ebene übertragen
muss." (ebd., S.15). Dies kann auf verschiedene Weise, aber auch in
Kombination miteinander, geschehen:
-
auf der Textebene selbst (z. B. durch den Titel, durch mehr oder weniger
explizit ausgedrückte Verweisstrukturen, z.B. Vergleiche in
Robert Musils
Parabel,
Das Fliegenpapier)
-
durch das Hintergrundwissen des Rezipienten (sein allgemeines Weltwissen,
seine literarischen Erfahrungen, Vorkenntnisse und sein Textmusterwissen)
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
01.04.2024
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