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Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789) - Textauswahl

Studentenehen

Max Bauer (1926)

 
GESCHICHTE
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Sexualstrafrecht in der frühen Neuzeit
Ehebruch
Vorehelicher  und außerehelicher Geschlechtsverkehr

Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsschwellen
Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock

Die Heirat von Studenten ist immer wieder ein Thema in den Universitätsstädten, das sowohl die universitären, als auch die städtischen Behörden auf den Plan gerufen hat. Dies entsprach der Tatsache, dass Kirche und Staat vom 16. Jahrhundert an aus verschiedenen Gründen an einem gemeinsamen Strick bei der ▪ Kontrolle der Sexualmoral der Menschen gezogen haben.

Als soziale Konsequenz der christlichen Morallehre ergab sich zwingend, dass die Familie als die beste und einzige soziale Einheit angesehen werden konnte, in deren Rahmen die Erziehung von legitimen, d. h. aus aus einer Ehe hervorgehenden, Kinder möglich war. Da ▪ außerehelicher Geschlechtsverkehr diesen Zielen per se nicht dienen konnte, war jede außereheliche sexuelle Betätigung Sünde. Dass dabei vor allem das ▪ Konkubinat, das unverheiratete Zusammenleben eines Paares kriminalisiert und ▪ der uneheliche Geschlechtsverkehr kriminalisiert wurden, machte das Thema für die Studenten nicht einfacher, auch wenn die sozio-sexuelle Praxis hiervon nur in geringem Maße beeinflusst werden konnte.

So waren es wahrscheinlich auch solche Gründe, die dazu beigetragen haben, dass das Thema "illegaler" Studentenehen" zum ▪ Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789) dazu gehörte. Was Studenten ansonsten blieb, war, sofern es dies vor Ort gab, der Besuch eines Bordells (Frauenhauses oder den gleichen Zwecken dienender Spinnstuben.


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In seiner "Sittengeschichte des deutschen Studententums" aus dem Jahr 1926 hat sich »Max Bauer (1861-1932) damit befasst

»Bei solchen Gepflogenheiten entbehrt es nicht eines gewissen, wenn auch unfreiwilligen Humors, wenn Quistorp aus Rostock klagt, daß man die Studenten nicht zu Lehrern von Mägdlein brauchen könne, "weil sie dieselben verführten". Jedenfalls ist aber damit die starke Hinneigung der Studenten zum weiblichen Geschlecht dargetan.

Der wiederholt erwähnte Professor Heyder hatte 1590 in einer seiner akademischen Reden auch einmal die Vorzüge Jenas gegenüber anderen Hochschulen hervorgehoben und unter diesen der Heiratslust der Jenenser Burschen besonders lobend gedacht. Seit der Errichtung der Jenenser Akademie, sagte er, seien von hier die Jungfrauen in alle Gegenden des deutschen Vaterlandes als glückliche Hausmütter gezogen Doch auch Tübingen wird das gleiche Lob erteilt. Ein alter Stammbuchvers lautet nämlich:

Wer von Tübingen kommt ohne Weib,
Von Wittenberg mit gesundem Leib,
Von Helmstedt Ohne Wunden,
Von Jena ohne Schrunden, Von Marburg ungefallen,
Hat nicht studiert auf allen.

Oder :

Von Rostock ungeschlagen,
Der mög von Glück wol sagen.

Aus Tübingen wird vielfach von Ehemännern unter den Studenten berichtet. Am 15. November 1556 ergeht ein Senatsbeschluß wegen des Studiosus Thalheimer, der im »Karzer gewesen, aber auf Fürbitte seiner Frau wieder freigelassen wurde, daß er keine schriftliche Urfehde abzulegen brauche. Bald darauf beschließt der Senat, einen Studenten, "der großen Nachtlärm mache, sich häufig betrinke und keine Vorlesungen besuche, zwar in Betracht seiner braven Frau und Kinder nicht härter zu bestrafen, doch aber ihm von dem Senate eine ernste Ermahnung zur Besserung zu erteilen.

Dem Universitätsverwandten Johannes Küpferlein wird 1558 eine vierwöchentliche Karzerstrafe auferlegt, weil er sein Weib übel geschlagen, überhaupt ein schlechtes Leben geführt und keine Vorlesungen besucht hatte. Im Januar des folgenden Jahres hat man. diesen Ehemann wegen Unverbesserlichkeit von der Universität entfernt. Am 26. Januar 1597 wird ein Student auf die Klage eines Mädchens hin verhaftet und vor den Senat gebracht. Er hat das Mädchen geschwängert und gibt zu, ihr die Ehe versprochen zu haben. Er erbietet sich, einen Boten an seinen Vater zu schicken, daß dieser ihm die Ehe erlaube. Dies wird ihm vom Senat bewilligt, er aber bis zum Austrag der Sache in den Karzer gesteckt. Am 6. Februar wird angezeigt, er habe itzt geheiratet, worauf ihn 30 fl. Geldstrafe und 14 Tage Karzer, seiner Frau 20 fl. und ein vierwöchentlicher Hausarrest auferlegt werden.

Die Strafen erfolgten wahrscheinlich auf Grund der Tübingischen Statuten von 1575, in denen es heißt: "Nachdem es sich etzlichemal zugetragen, daß junge Studenten sich ohne Vorwissen ihrer Eltern verehelicht", so wird dieses verboten. Niemand soll sich auch in heimliche, von Gott ernstlich verbotene Eheverlöbniss einlassen, bei Strafe vor das (städtische) Ehegericht geschickt zu werden.

Ehren Johann Balthasar Schupp ermahnt deshalb seinen nach Gießen abgehenden Sohn Anton Meno anno 1657: "Hüte dich auch, daß du nicht etwan ein Quarr suchest, ehe du ein Pfarr habest, oder eine Kuh kauffest, ehe du einen Stall habest".

Auch in Göttingen befanden sich fast ständig verheiratete Studenten, Ausländer, die mit ihren Frauen reisten und hier einige Zeit Studien halber zubrachten, oder Deutsche, die schon ihr Studium hinter sich hatten und hier promovieren wollten. Eine Ehe schließen, durfte jedoch in Göttingen kein Student. Er verlor dadurch das bisherige "forum'", weil man mit Recht annehmen konnte, daß derjenige, der sich in der Universitätsstadt verheiratete, nicht mehr weiter studieren wollte.

Geraume Zeit später hieß es noch im § 12 der akademischen Gesetze der Universität Göttingen: "ln Ansehung der Eheverlöbnisse der Studierenden findet dasjenige, was in der Ehe-Verlobungs-Konsulution vom 16. Januar 1755 als gemeines Landrecht bestimmt ist, seine volle Anwendung; und sind folglich alle Verlöbnisse, welche von akademischen Bürgern ohne ihrer Eltern und Vormünder Einwilligung geschlossen worden, wenn sie auch eidlich geschehen, und der Beischlaf hiezu gekommen wäre, so ungültig, daß darauf keine Klage auf Vollziehung der Ehe in den Gerichten angenommen wird. Wie es aber wegen der den Geschwängerten allenfalls zustehenden Satisfaction und Alimentations-Klage gegen Studierende zu halten sey, ist durch eine besondere Verordnung festgesetzt, welche in den Beylagen dieser Gesetze befindlich ist, und in vorkommenden Fällen genau befolgt werden soll. Wer übrigens der Unzucht geständig ist, oder derselben überführt wird, muß die in den Landesgesetzen vorgeschriebenen Hurenbrüche zahlen".

Der Senat der Universität Freiburg i/B. beschloß 1752, daß "wenn sich ein Student hinfür verheirate, solches aber ohne spezielle Erlaubnis geschehe, derselbe ipse facto von dem Forum der Universität ausgeschlossen sei". So hielten es die meisten deutschen Hochschulen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Nur Jena ging noch einen Schritt weiter als die anderen Universitäten, und ließ seinen Zorn bei einer Studentenehe nur an der 'Frau Studentin' aus.

Da besagte ein Oberkonsistorialreskript vom 13. Juli 1773, daß "künftig keine jenaische Weibsperson, weß Standes sie auch sei, bei Vermeidung empfindlicher Leibes- und nach Befinden anderer harter Strafe sich mit einem Studenten in eheliche Verbindung einlassen solle". Diese Leibesstrafe konnte nur in Auspeitschung bestehn.

Aber auch die studierende Jugend war mit Selbsthilfe zur Hand, wenn sie einen der Ihren in die Hand eines ihr nicht genehmen Weibes gefallen sah. so stürmte sie 1776 in Jena das Haus einer Dirne, und zwang sie, schriftliche Eheversprechen eines Studenten zu vernichten.

Aber nicht allein die Behörden, sondern der gesunde Menschenverstand verurteilte in scharfen Worten die Studentenheiraten.«

(aus: Bauer 1926, S.89-91)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 24.02.2022

   
 

 
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