▪
Sexualstrafrecht in der frühen Neuzeit
▪
Ehebruch
▪
Vorehelicher und außerehelicher Geschlechtsverkehr
▪
Vorrücken
der Scham- und Peinlichkeitsschwellen
▪
Die Entwicklung sozial konstruierter Scham
in der frühen Neuzeit und im Barock
Die Heirat von
Studenten ist immer wieder ein Thema in den Universitätsstädten, das
sowohl die universitären, als auch die städtischen Behörden auf den
Plan gerufen hat. Dies entsprach der Tatsache, dass Kirche und Staat
vom 16. Jahrhundert an aus verschiedenen Gründen an einem
gemeinsamen Strick bei der ▪
Kontrolle der Sexualmoral der Menschen gezogen haben.
Als soziale
Konsequenz der christlichen Morallehre ergab sich zwingend, dass die Familie
als die beste und einzige soziale Einheit angesehen werden konnte, in
deren Rahmen die Erziehung von legitimen, d. h. aus aus einer Ehe
hervorgehenden, Kinder möglich war. Da ▪
außerehelicher
Geschlechtsverkehr diesen Zielen per se nicht dienen konnte,
war jede außereheliche sexuelle Betätigung Sünde. Dass dabei vor
allem das ▪
Konkubinat, das unverheiratete Zusammenleben eines Paares
kriminalisiert und ▪ der
uneheliche Geschlechtsverkehr kriminalisiert wurden, machte das
Thema für die Studenten nicht einfacher, auch wenn die
sozio-sexuelle Praxis hiervon nur in geringem Maße beeinflusst
werden konnte.
So waren es wahrscheinlich auch solche Gründe, die
dazu beigetragen haben, dass das Thema "illegaler" Studentenehen"
zum ▪
Studentenleben in der frühen Neuzeit
(1350-1789) dazu gehörte. Was Studenten ansonsten blieb,
war, sofern es dies vor Ort gab, der Besuch eines Bordells
(Frauenhauses oder den gleichen Zwecken dienender Spinnstuben.
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
In seiner
"Sittengeschichte des deutschen
Studententums" aus dem Jahr 1926 hat sich »Max Bauer
(1861-1932) damit befasst
»Bei solchen
Gepflogenheiten entbehrt es nicht eines gewissen, wenn auch
unfreiwilligen Humors, wenn Quistorp aus Rostock klagt, daß man die
Studenten nicht zu Lehrern von Mägdlein brauchen könne, "weil sie
dieselben verführten". Jedenfalls ist aber damit die starke
Hinneigung der Studenten zum weiblichen Geschlecht dargetan.
Der wiederholt
erwähnte Professor Heyder hatte 1590 in einer seiner akademischen
Reden auch einmal die Vorzüge Jenas gegenüber anderen Hochschulen
hervorgehoben und unter diesen der Heiratslust der Jenenser Burschen
besonders lobend gedacht. Seit der Errichtung der Jenenser Akademie,
sagte er, seien von hier die Jungfrauen in alle Gegenden des
deutschen Vaterlandes als glückliche Hausmütter gezogen Doch auch
Tübingen wird das gleiche Lob erteilt. Ein alter Stammbuchvers
lautet nämlich:
Wer von Tübingen
kommt ohne Weib,
Von Wittenberg mit gesundem Leib,
Von Helmstedt Ohne Wunden,
Von Jena ohne Schrunden, Von Marburg ungefallen,
Hat nicht studiert auf allen.
Oder :
Von Rostock
ungeschlagen,
Der mög von Glück wol sagen.
Aus Tübingen wird
vielfach von Ehemännern unter den Studenten berichtet. Am 15.
November 1556 ergeht ein Senatsbeschluß wegen des
Studiosus Thalheimer, der im
»Karzer gewesen, aber auf Fürbitte seiner Frau wieder freigelassen
wurde, daß er keine schriftliche Urfehde abzulegen brauche. Bald
darauf beschließt der Senat, einen Studenten, "der großen Nachtlärm
mache, sich häufig betrinke und keine Vorlesungen besuche, zwar in
Betracht seiner braven Frau und Kinder nicht härter zu bestrafen,
doch aber ihm von dem Senate eine ernste Ermahnung zur Besserung zu
erteilen.
Dem
Universitätsverwandten Johannes Küpferlein wird 1558 eine
vierwöchentliche Karzerstrafe auferlegt, weil er sein Weib übel
geschlagen, überhaupt ein schlechtes Leben geführt und keine
Vorlesungen besucht hatte. Im Januar des folgenden Jahres hat man.
diesen Ehemann wegen Unverbesserlichkeit von der Universität
entfernt. Am 26. Januar 1597 wird ein Student auf die Klage eines
Mädchens hin verhaftet und vor den Senat gebracht. Er hat das
Mädchen geschwängert und gibt zu, ihr die Ehe versprochen zu haben.
Er erbietet sich, einen Boten an seinen Vater zu schicken, daß
dieser ihm die Ehe erlaube. Dies wird ihm vom Senat bewilligt, er
aber bis zum Austrag der Sache in den Karzer gesteckt. Am 6. Februar
wird angezeigt, er habe itzt geheiratet, worauf ihn 30 fl.
Geldstrafe und 14 Tage Karzer, seiner Frau 20 fl. und ein
vierwöchentlicher Hausarrest auferlegt werden.
Die Strafen
erfolgten wahrscheinlich auf Grund der
Tübingischen Statuten von
1575, in denen es heißt: "Nachdem es sich etzlichemal
zugetragen, daß junge Studenten sich ohne Vorwissen ihrer Eltern
verehelicht", so wird dieses verboten. Niemand soll sich auch in
heimliche, von Gott ernstlich verbotene Eheverlöbniss einlassen, bei
Strafe vor das (städtische) Ehegericht geschickt zu werden.
Ehren
Johann Balthasar Schupp
ermahnt deshalb seinen nach Gießen abgehenden Sohn Anton Meno anno
1657: "Hüte dich auch, daß du nicht etwan ein Quarr suchest, ehe du
ein Pfarr habest, oder eine Kuh kauffest, ehe du einen Stall
habest".
Auch in
Göttingen befanden sich fast ständig verheiratete Studenten,
Ausländer, die
mit ihren Frauen reisten und hier einige Zeit Studien halber
zubrachten, oder Deutsche, die schon ihr Studium hinter sich hatten
und hier promovieren wollten.
Eine Ehe schließen, durfte jedoch in Göttingen kein Student. Er
verlor dadurch das bisherige "forum'", weil man mit Recht annehmen
konnte, daß derjenige, der sich in der Universitätsstadt
verheiratete, nicht mehr weiter studieren wollte.
Geraume Zeit später
hieß es noch im § 12 der akademischen
Gesetze der Universität
Göttingen: "ln Ansehung der Eheverlöbnisse der Studierenden
findet dasjenige, was in der Ehe-Verlobungs-Konsulution vom 16.
Januar 1755 als gemeines Landrecht bestimmt ist, seine volle
Anwendung; und sind folglich alle Verlöbnisse, welche von
akademischen Bürgern ohne ihrer Eltern und Vormünder Einwilligung
geschlossen worden, wenn sie auch eidlich geschehen, und der
Beischlaf hiezu gekommen wäre, so ungültig, daß darauf keine Klage
auf Vollziehung der Ehe in den Gerichten angenommen wird. Wie es
aber wegen der den Geschwängerten allenfalls zustehenden
Satisfaction und Alimentations-Klage gegen Studierende zu halten sey,
ist durch eine besondere Verordnung festgesetzt, welche in den
Beylagen dieser Gesetze befindlich ist, und in vorkommenden Fällen
genau befolgt werden soll. Wer übrigens der Unzucht geständig ist,
oder derselben überführt wird, muß die in den Landesgesetzen
vorgeschriebenen Hurenbrüche zahlen".
Der
Senat der Universität Freiburg i/B. beschloß 1752, daß "wenn
sich ein Student hinfür verheirate, solches aber ohne spezielle
Erlaubnis geschehe, derselbe ipse facto von dem Forum der
Universität ausgeschlossen sei". So hielten es die meisten deutschen
Hochschulen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Nur Jena ging noch
einen Schritt weiter als die anderen Universitäten, und ließ seinen
Zorn bei einer Studentenehe nur an der 'Frau Studentin' aus.
Da besagte ein
Oberkonsistorialreskript vom 13. Juli 1773, daß "künftig keine
jenaische Weibsperson, weß Standes sie auch sei, bei Vermeidung
empfindlicher Leibes- und nach Befinden anderer harter Strafe sich
mit einem Studenten in eheliche Verbindung einlassen solle". Diese
Leibesstrafe konnte nur in Auspeitschung bestehn.
Aber auch die
studierende Jugend war mit Selbsthilfe zur Hand, wenn sie einen der
Ihren in die Hand eines ihr nicht genehmen Weibes gefallen sah. so
stürmte sie 1776 in Jena das Haus einer Dirne, und zwang sie,
schriftliche Eheversprechen eines Studenten zu vernichten.
Aber nicht allein
die Behörden, sondern der gesunde Menschenverstand verurteilte in
scharfen Worten die Studentenheiraten.«
(aus:
Bauer 1926,
S.89-91)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.02.2022