Die Universität war in der ▪
frühen Neuzeit (1350-1789) keine
Institution, wie wir sie heute kennen. Rechtlich gesehen war sie ein
besonderer Personenverband in der ständisch gegliederten
Gesellschaft, der mit besonderen Privilegien der weltlichen und kirchlichen
Obrigkeiten ausgestattet war. Diese gewährten seinen Mitgliedern,
den
akademischen Bürgern («cives
academici»),
im Vergleich zu anderen ständisch-korporativen Gruppen einige
Vorteile und Freiräume.
Die Universität besaß eine eigene Gerichtsbarkeit über die
Universitätsangehörigen, die vom Rektor ausgeübt wurde, konnte zu
ihrer Finanzierung auch eigene Gebühren erheben, war von Zöllen
befreit und genoss
besondere Rang- und Kleidervorrechte,
die in der ständischen Gesellschaft den sozialen Status ihrer
Mitglieder für alle in vorgeschriebenen »Kleiderordnungen sichtbar machte.
Noch im 15. Jahrhundert, in der die
Studenten meistens in den streng reglementierten ▪
Bursen als
Gemeinschaftseinrichtungen wohnten und zum Teil auch wohnen mussten,
waren sie noch verpflichtet, einen schmucklosen Talar und ein Barett
zu tragen, um ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zu signalisieren.
Später, nach dem Niedergang der Bursen und der Aufhebung des
Bursenzwanges wehrten sich die Studenten gegen diese
mönchisch-klösterlichen Uniformismus und entwickelten ihren eigenen
"Stil", der zum ihre besondere Stellung als akademische Bürger zwar
immer noch zum Ausdruck brachte, damit auch der Integration und
Separation ihrer Gemeinschaft diente, aber auch die Prinzipien
mönchischer Zucht mir ihren Regeln gegen "unkeusche" Kleidung hinter
sich ließen.
Sang- und klanglos gaben sich die Universitäten und die anderen
weltlichen und
geistlichen
Obrigkeiten aber mit der "auf böse Sitten und Verwilderung" (zit. n.
Bauer 1926,
S.37) hindeutende Entwicklung nicht geschlagen, zumal es ganz und
gar nicht in das Konzept der ▪
Sozialdisziplinierung des Untertanenverbandes bei der
Herausbildung des modernen Staates in der frühen Neuzeit passte,
wenn sich eine bestimmte Gruppe anschickte, sich über Regelungen
hinwegzusetzen, mit denen die weltliche und geistliche Obrigkeit mit
zahlreichen »Policey- und
»Zuchtordnungen
tief in das Leben ihrer Untertanen eingegriffen.
Als die Studenten begannen, in "unzüchtigen" »Pluderhosen
umherzuziehen, ging das vielen entschieden zu weit (vgl.
ebd., S.63) und
war in ihren Augen ein Angriff auf Sitte und Moral. Mit der
Beibehaltung des ▪
Hosenlatzes,
ohnehin schon ein Dorn in den Augen aller Moralapostel seit dem 15.
Jahrhundert, rüttelte die neue Mode der Studenten, die an die Tracht
von Landsknechten erinnerte, offenbar an den Grundfesten der
öffentlichen Sittlichkeit.
Wer zur Universität gehörte,
war damit, ob in der alten mönchischen Kleidung oder in prächtigen
Pluderhosen, von seinem sozialen und rechtlichen Status gegenüber dem
Rest der städtischen Bevölkerung, mit der die Studenten in den
Universitätsstädten zusammenlebten, klar abgegrenzt, sondern
sie dies nicht durch ihren Geburtsstand, z. B. als ▪
adelige
Studenten nicht ohnehin schon waren.
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Die ersten
Universitäten hatten keinen
»Campus, wie wir dies heute kennen. Unterrichtet bzw. gelehrt
wurde dort, wo es Platz gab. Das konnten Kirchen ebenso sein wie
Privathäuser, die über entsprechende Räume verfügten. Was eine
Universität als zunächst ausmachte, war nicht ein bestimmter Ort,
sondern allein die Tatsache, dass sich eine bestimmte Gruppe von
Menschen zu einem bestimmten Zweck zusammentat und eine Korporation
bildete, die mit besonderen Rechten und Privilegien der kirchlichen
oder weltlichen Obrigkeit ausgestattet war. Erst nach und nach kam
es zu dem heute oft noch feststellbaren Ensemble von Gebäuden, die
einer Universität gehörten oder gemietet wurden.
Im Zuge der ▪
frühneuzeitlichen Staatsentwicklung strebten die neuen
Territorialherren aber danach, sich alle ▪
Schlüsselmonopole staatlicher Herrschaft zu sichern und
damit auch die bis dahin herrschende ▪
Vielfalt sozialer
Gruppen mit zahlreichen Sonderrechten und Lebensformen zu
beseitigen.
In diesem lang anhaltenden Prozess musste sich
zum eine eine staatliche Zentral- und Lokalverwaltung entwickeln, "die getragen
wurde von den Fürsten als den Inhabern jener Staatsgewalt verpflichteten
Beamtenschaft mit umfassender Regierungs- und Verwaltungskompetenz". (Schilling
1987, S.153). Zum anderen mussten alle anderen Personen und
Institutionen, die traditionell (herrschaftliche bzw. staatliche)
Gewalt ausübten, ausgeschaltet werden.
Dementsprechend gingen die neuen Landesherren auch gegen die
korporative Autonomie der Universität vor und griffen mit ihrer ▪
Policey-Gesetzgebung ▪
sozialregulierend und
sozialdisziplinierend
in das Universitäts- und Studentenleben ein, ▪
verboten schon frühzeitig Auswüchse des Pennalismus, entzogen
diesen damit auch der universitären Gerichtsbarkeit und zeigten auch
den Korporationen der Studenten damit ihre Grenzen auf. Die Gründung
von »Landesuniversitäten und die Umwandlung bestehender Universitäten
in Einrichtungen, die dem landesherrlichen Regiment als
Konfessionsuniversitäten unterstanden, setzte diese Entwicklung
fort.
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