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▪ Themabereich: Gewalt im Internet
Hate Speech im Internet
von Gert Egle
"Du Hurensohn", "Motherfucker" oder einfach "Deine Mudda"-Sprüche
sind Beleidigungen, die besonders Männer und männliche
Jugendliche oft bis ins Mark treffen, wenn sie ihnen irgendwo im
öffentlichen Raum begegnen. Vielleicht manchmal auch nur als
harmloser Trashtalk gemeint, wirken solche Sprüche auf ihre
Empfänger oft überaus aggressiv, "weil sie erfolgreich die als
sündenfrei und unschuldig wahrgenommene Mutter beschimpfen", die
wir gewöhnlich gerne glorifizieren und als "rein und
geschlechtlos", wie der Anthropologe David D. Gilmore meint,
sehen wollen. (vgl.
Morris 2016) Manch einer der Beleidigten lässt, wenn ihm das
im "richtigen", dem analogen Leben widerfährt, die Fäuste
sprechen oder zieht, wenn er Ross und Reiter nennen kann vor
Gericht, denn Beleidigungen sind als sogenannte »Ehrdelikte
strafbar. Darunter fallen eine Menge Handlungen, die die
persönliche »Ehre
des Betroffenen herabsetzen wie herabwürdigende Äußerungen,
Gesten oder Tätlichkeiten.
Im Alltag sind wir, wenn wir nicht in eine besondere
Konfliktsituation geraten (oftmals reicht der Kampf um einen
Parkplatz oder das Drängeln an der Kinokasse aber schon aus)
wohl eher selten Zielscheibe direkter Beleidigungen und wenn,
wird darauf wohl auch eher selten mit körperlicher Gewalt
geantwortet. Und vor Gericht zu ziehen ist auch nicht jedermanns
oder jederfraus Sache, auch wenn die Verstöße gegen
Straftatbestände wie die der »üblen
Nachrede (Ȥ 186
StGB) oder der der »Verleumdung
(Ȥ 187
StGB) allein 2016 weit über zweihunderttausend mal zur Anzeige
gebracht wurden. Und mit 88,8 % lag die Aufklärungsquote bei
Ehrdelikten weit über dem Niveau aller anderen angezeigten
Delikte. (vgl.
wikipedia.de, 22.01.2010)
Im Internet scheinen aber andere Gesetze zu herrschen. Wo
immer man hinkommt, immer wieder trifft man auf von Hass auf
einzelne Personen, gesellschaftliche Gruppen und Institutionen,
kurz auf alles andere und Fremde, strotzenden Kommentare,
Postings oder Tweets, mit denen "Wut-" oder sonstige
Bürger*innen Dampf ablassen und andere beleidigen und
diskriminieren. Hate Speech, auf deutsch Hassrede, nennt man das
inzwischen, was sich im Internet wie eine Seuche verbreitet. Ihr
Ziel: Einzelne oder Gruppen abzuwerten.
Mit dem Anfang 2018 In Deutschland in Kraft getretenen Anfang
"Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen
Netzwerken“, kurz »Netzwerkdurchsetzungsgesetz
(NetzDG) in haben die Strafverfolgungsbehörden ein Mittel an die
Hand bekommen, um gegen Hate Speech im Allgemeinen,
antisemitische, fremdenfeindliche und andere volksverhetzende
Agitation vorzugehen. Dabei konnten nach Angaben des »Bundeskriminalamtes
(BKA) 77 Prozent der 2018 gezählten ca. 1500 strafbaren
Hasskommentaren dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden.
(vgl.
wikipedia.de, 22.01.2010) Rechtspopulisten und Rechtsextreme
verbreiten damit ihre
menschenverachtenden
und menschenfeindlichen Einstellungen, suchen sich dafür ganz
gezielt bestimmte Themen, die sie besetzen können. Sie halten
damit ihre bisherigen Anhänger*innen bei der Stange und
rekrutieren auf diese Art und Weise neue, die sie mitten in der
Gesellschaft abholen, weil es ihnen oft gelingt, ihre
Positionen, Bilder und Sprache, übers Internet im
gesellschaftlichen Mainstream unterzubringen und nicht nur in
ihrer rechtsextremen und rechtspopulistischen Filterblase.
Die »gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit (GMF), die hinter solchen Hassreden
steht, nimmt sprachlich ins Visier, was immer ihr in die Quere
kommt: Hautfarbe, Herkunft, Alter, Sexualität, Religion,
Behinderung ... Das alles wird zur Ziel im Kern rassistischer
Hetze gemacht, die davon ausgeht, dass Menschen nicht gleich
viel, sondern die einen mehr, die anderen weniger wert sind, um
damit ihre Diskriminierung zu rechtfertigen. Es geht dabei
darum, die offen angefeindeten und diskriminierten Personen und
Gruppen einzuschüchtern, aber auch all denen den Schneid
abzukaufen, die sich Hate Speech entgegenstellen, weil sie genau
wissen, dass nur das aktive Widersprechen (Counter Speech)
dagegen hilft, dass sich die große Zahl derer, die irgendwo auf
solche Hassreden stoßen, nicht einfach an diese Sprache und die
dahinter stehenden rassistischen Konzepte einfach gewöhnen. Was
die Gegner wollen, ist eine Stärkung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts, statt Spaltung und Ausgrenzung wie es die
Hassreden-Verfasser*innen anstreben. Ein schwieriger und zäher
Kampf, wenn schon ein schnell und unbedacht gesetzter Like den
Hassredner bzw. -schreiber bestärkt, weiter zu machen wie bisher
und ihn/sie ermuntert, seiner/ihrer Freude am Beleidigen und
Erniedrigen hemmungslos, weil oft anonym, weiter zu frönen.
Hate Speech und seine Folgen für Betroffene und die
Gesellschaft als Ganzes sind gravierend. Sie erreicht große
Teile der Menschen, die im Internet unterwegs sind und sich auf
unterschiedliche Art und Weise und je nach Art in
unterschiedlicher Zahl mit Hate Speech umgehen (s. Abb. unten)
Mehr Statistiken finden Sie bei
Statista
-
https://de.statista.com/infografik/10093/umgang-mit-hasskommentaren-im-internet/
- lizenziert unter:
https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/legalcode
Für
größere Ansicht bitte anklicken!
Wer selbst Opfer von Hate Speech geworden ist, sollte den
Kommentar oder Post dem Seitenbetreiber melden oder, sofern
er/sie dazu in der Lage ist, selbst löschen. Der Seitenbetreiber
ist nach dem »Netzwerkdurchsetzungsgesetz
(NetzDG) verpflichtet, den Inhalt des gemeldeten Posts zu
überprüfen und gemeldete mutmaßlich rechtswidrige Inhalte
innerhalb bestimmter Fristen zu löschen.
In jedem Fall sollte man einen Screenshot der Hate Speech
machen und die Internetadresse URL und den Namen des Profils
speichern, um den Vorgang zu dokumentieren. So kann das Ganze
auch dann noch zur Anzeige bringen, wenn der Kommentar bereits
gelöscht sein sollte.
Wenn die Hassrede einen Straftatbestand darstellt, sollte man
sie mündlich oder mündlich oder schriftlich bei der Polizei oder
der Staatsanwaltschaft anzeigen, was man im Übrigen auch anonym
tun kann. Solche Straftatbestände laut Strafgesetzbuch (StGB) z.
B. Beleidigung, Nachstellung ( Stalking, Nötigung, Bedrohung,
üble Nachrede, Verleumdung, Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen (z.B. Symbole, Grußformen),
Belohnung und Billigung von Straftaten, Aufforderung zu
Straftaten, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener oder
Volksverhetzung.
Da aber nicht jede Hassrede gleich eine Straftat darstellt,
sollte man sich auch das nicht ohne guten Grund tun. Gar nicht
geht, einen anderen böswillig anzuzeigen, dann dass kann selbst
ein »Ehrdelikt
sein, mit dem man sich selbst strafbar machen kann. Manchmal
ist man sich unsicher: In seinem solchen Fall kann man direkt
zur Polizei gehen und sich dort beraten lassen.
Hate Speech ist aber nicht nur eine Angelegenheit der
Betroffenen. Es geht alle an. Einfach Zusehen und den
Hassredner*innen Gehör schenken, ist angesichts dessen, was auf
dem Spiel steht, keine Option: Es geht um den gesellschaftlichen
Zusammenhalt und um die Werte einer freiheitlichen
demokratischen Gesellschaft, um den Schutz vor Rassismus und
Diskriminierung der Opfer und derjenigen, die sich für den
Schutz der Opfer einsetzen.
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▪ Themabereich: Gewalt im Internet
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
26.12.2023