Franz
Kafkas kurzes Prosastück •
»Der Schlag ans Hoftor«
gehört zu den insgesamt •
14 kurzen Erzählungen des Autors, die in der Fachwissenschaft unstrittig
als •
Parabeln
angesehen werden (vgl.
Zymner 2010,
S.456).
Kafka hat den Text im März
1917 verfasst und wurde 1936 von dem Herausgeber seiner nachgelassenen
Schriften, Max Brod
(1884-1968), 1936 erstmals veröffentlicht. Dabei fügte Brod den Titel
selbst hinzu.
Der Text ist, wie die
anderen Parabeln Kafkas auch, vielfach interpretiert worden und gehört wohl
auch in der Schule zu den meistbehandelten Texten dieser Art.
Reiner Stach
(2011/42015, S.220f.) geht dabei mit von der
Entstehungsgeschichte dieses und ähnlicher Texte und ihren biografischen
Bezügen absehenden Interpretationen hart ins Gericht. Für ihn zählt •
»Der Schlag ans Hoftor«
zu einer "Ansammlung von Preziosen, die allein schon genügt hätte,
wenn nicht den Weltruhm, so doch die weltweite Exegese Kafkas zu begründen,
jene demutsvolle, mit Auge und Zeigefinger sich vorwärtstastende Lektüre,
die den Text als Offenbarung nimmt und ihn jeder irdischen Kritik ein für
alle Mal entzieht." Es seien vor allem die "Rätseltexte"
aus Kafkas handschriftlichen Nachlass, den Oktavheften, die die sowohl
professionellen als auch die gewöhnlichen Leser "zu einer beständigen,
den Buchstaben
umwendenden Sinnklauberei verführt" hätten. Eine solche "Neigung zum
Text-Kult" erscheint ihm angesichts des heutigen Wissens um die Tatsache,
diese Werke alle in ihrem Entstehungszusammenhang zu betrachten seien,
"unaufgeklärt und naiv".
Vorwürfe, die auch werkimmanente, besonders textnahe Interpretationen im
Rahmen der schulischen Textarbeit treffen, aber wohl in ihren Grundfesten
nicht erschüttern muss. Literaturdidaktik ist eben doch noch etwas anderes
als "das Neonlicht der Editionsphilologie" (ebd.,
S.221), die ihren Fokus auf den kreativen Prozess bei der Werkentstehung
gerichtet hat.
So plädieren wir, nicht zuletzt aus didaktischen Überlegungen heraus, für
einen Pluralismus toleranter Interpretationen, der gerade bei einem Text wie
•
»Der Schlag ans Hoftor«
mit seiner "formalen Geschlossenheit und scheinbare Zeitlosigkeit" (ebd.)
zur "Sinnklauberei" als Spurensuche einlädt, deren Ergebnisse nicht von
vornherein feststehen. Der in den "Daten" eines Textes verborgene Textsinn
lässt sich nämlich auch bei bestem Willen im Text nicht finden, denn
"welchen Sinn, welche Bedeutung man mit literarischen Texten verbindet, ist
... eine Entscheidung, die der Interpret fällt." (Horst
Steinmetz 1995, S.475).
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.10.2024