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Didaktische und methodische Aspekte

Überblick

Franz Kafka: Parabeln

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur
Literarische Gattungen Erzählende Texte Parabel Autorinnen und Autoren Franz Kafka Überblick Biografischer Überblick Brief an den VaterKafka als Erzähler Kurze Erzählungen (Epische Kleinformen) •  Überblick Parabeln [ Didaktische und methodische Aspekte Überblick Zugänge zu Kafkas Parabeln im Literaturunterricht ] Überblick  Auf der Galerie Der AufbruchDer Geier Der neue Advokat Der Schlag ans Hoftor Der Steuermann Die Brücke Die Prüfung Ein altes Blatt Eine kaiserliche Botschaft Ein Hungerkünstler Ein Landarzt Gibs auf Heimkehr In der Strafkolonie Kleine Fabel Vor dem Gesetz Bausteine • Andere kurze Erzählungen Längere Erzählungen Romane und Romanfragmente Links ins Internet   Schulische Interpretation einer Parabel Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch

 

Die ▪ Parabeln Franz Kafkas gehören zu den erzählenden Texten, die neben seinen größeren wie z. B. seinen ▪ Romanfragmenten ▪ "Der Prozess" oder »"Das Schloss" oder anderen Erzählungen ▪ größeren Umfangs wie »"Die Verwandlung" oder »"Ein Bericht für eine Akademie" zu den Gegenständen des Literaturunterrichts in der Sekundarstufe II.

Der literaturdidaktische Umgang mit seinen Parabeln orientiert sich dabei an unterschiedlichen Konzepten. Sie werden und a) "(wurden) in der Folge einer wissenschaftlichen Orientierung des Deutschunterrichts (...) als 'Texte' gelesen (vgl. Zobel 1985) und analysiert", b) werden "im Gefüge der Kurzprosagattungen betrachtet (vgl. Schrader 1980)" oder c) "in der Tradition der Gleichnisexegese (vgl. Bekes 1988) " (Nickel-Bacon 2012, S.107).

Dazu kommen immer wieder gattungsbezogene Deutungen zum Zuge, die aber nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit sind und in keiner Weise reflektieren, dass sich in ▪ modernen Parabeln der strukturbildende enge Verweisungszusammenhang von Bild- und Sachbereich, wie er den traditionellen Parabeltypus prägt, ▪ aufgelöst hat oder in Auflösung begriffen ist.

Dennoch: Wer die • Textsortenmerkmale moderner Parabeln per Definition erfassen will, sollte solche Definitionen lediglich als Arbeitsdefinitionen verstehen, die mit ihren Kriterien eine beschreibende Funktion eines konkreten Textes haben und bestenfalls als ein vorläufiger gemeinsamer Nenner angesehen werden können. Dabei ist es unter diesem Blickwinkel auch vergleichsweise unbedeutend, welche • Parabeldefinition als Arbeitsdefinition fungiert, wenn der normative Geltungsanspruch grundsätzlich hinterfragt wird.

Implizite Transfersignale und Literaturunterricht

In der Forschung gibt es bis heute keinen Konsens darüber, welche Texte Franz Kafkas genau zur Gattung der Parabel zu zählen sind. Das hat verschiedene Gründe, liegt vor allem aber auch daran, was man überhaupt unter einer Parabel, namentlich einer modernen Parabel versteht.

So gelten denn auch lediglich vierzehn Texte in der Fachwissenschaft unstrittig als Parabeln (Zymner 2010, S.456): Von den hier im Arbeitsbereich aufgeführten Texten zählen dazu: Der neue Advokat, ▪ Der Schlag ans Hoftor Der Aufbruch, Der Geier, Der Schlag ans Hoftor,•  Die Prüfung, Ein altes Blatt, • Eine kaiserliche Botschaft, Ein Hungerkünstler, Ein Landarzt, Der Steuermann, Die Brücke,Gibs auf und Vor dem Gesetz.

Das Kriterium, das dabei der Zuordnung von Texten zur Gattung der Parabel zugrunde gelegt wird, ist das Vorhandensein von • impliziten Transfersignalen, an denen sich die so genannte Uneigentlichkeit parabolischer Texte zeigt und die die globale Appellstruktur dieser Texte entfalten.

Auch wenn die "Entdeckung" der impliziten Transfersignale einer modernen Parabel ermöglicht, "weitgehend vom Text her und ohne inhaltliche und funktionale Festlegungen, die Erzählgattung 'Parabel' schlüssig" (von Heyderbrand 2007, S. 11) von anderen mit expliziten Transfersignalen aufwartenden Kurzformen vergleichenden Erzählens abzugrenzen, ist ihr analytischer Nachweis, keine Aufgabe für den Literaturunterricht, sondern für die Literaturwissenschaft.

Am Text konkret aufzuzeigen, wodurch die Suchbewegung noch einem Sinn jenseits der Textebene ausgelöst wird, ist oft nicht nur schwierig, sondern auch dem wissenschaftsorientierten Ansatz einer  •"Merkmal-Nachweis-Didaktik" (Leubner/Saupe/Richter (2016) vorbehalten. Didaktisch gesehen ist das "Auffinden gleichgerichteter Textelemente" (Zymner 1991, S.94) bei der schulischen Interpretation von Parabeln wenig sinnvoll, solange sie nur dazu dienen, den Parabelcharakter auf Textebene nachzuweisen. Der mühevolle Nachweis, auf welchen impliziten Transfersignalen die Suchbewegung nach einer textexternen Bedeutung des Textes beruht, versperrt im Literaturunterricht dabei u. U. auch den Weg, sich auf die eigentliche Kernaufgabe zu konzentrieren.

Die auf impliziten Transfersignalen beruhende wissenschaftliche Gattungszuordnung bedeutet allerdings nicht, dass etliche andere kurze Prosastücke Kafkas, die keine solche Signale aufweisen, nicht auch als Parabeln aufgefasst werden können. Sie können • in einem allegorischen Verfahren im Sinne der Allegorese durchaus auch parabolisch verstanden werden. 

Literaturdidaktischer Parabelbegriff

Im Literaturunterricht der Schule werden jedenfalls eine ganze Reihe weiterer Texte traditionell als Parabeln aufgefasst, um unterschiedliche Formen und Richtungen von Suchbewegungen nach dem Sinn der vielfach hermetisch bzw. strukturell oder sogar radikal fremd erscheinenden Texte auszulösen. Dies impliziert aber auch, dass ein Leser oder eine Leserin auch mal "auf der Geschichte sitzen" bleibt (Allemann 1975/1998, S.129), weil diese sich seinen Sinnzuschreibungen einfach entzieht.

Diesen Texten, zumindest bei der ersten Begegnung, soweit "voraussetzungslos" begegnen zu können, wie dies nach jahrelanger Erfahrung mit literarischen Texten im Unterricht möglich ist, gehört zur Konzeption von Lernaufgaben, die dem Kompetenzerwerb im Umgang mit Parabeln Franz Kafkas dienen müssen. Einfach ausprobieren zu können, was einem zu ihnen einfällt, wenn man spürt bzw. herausliest, dass das Gesagte nicht das eigentlich Gemeinte sein kann. ist gerade bei der ersten Begegnung mit Kafkas Parabeln wichtig.

Dabei soll die Bedeutung von fundiertem Gattungswissen für ein vertiefteres Verständnis von Parabeln nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, zumal die davon geleitete kognitive Suchbewegung nach der Bedeutung dieser Texte ein in der Schule durchaus üblicher • Zugang zu Kafkas kurzen Prosastücken darstellt.

Der Literaturunterricht setzt nämlich gewöhnlich "ein grundlegendes Wissen darüber, was Gattungen sind, welche Funktion und welche Geschichte sie haben und wie man sie adäquat analysieren kann, in verschiedenen Arbeitsfeldern als selbstverständliche Basis voraus." (Kaulen 2010, S.95)

Dabei muss dieses Gattungswissen nicht unbedingt, der merkmalorientierten "Literaturwissenschaftsdidaktik"  (Köster 2015, S.60 unter Bezugnahme auf Pflugmacher 2014, S. 157f.) folgen.

Man hat ihren "klassischen" Ansatz, durch Abstraktion gewonnene Merkmale für eine Gattung bzw. ein Genre an einem konkreten Text nachzuweisen und zugleich anzunehmen, dass damit Wesentliches zum Textverstehen beigetragen werde, als "Merkmal-Nachweis-Didaktik"  bezeichnet (Leubner/Saupe/Richter (2016), Kap. 14.3 Unterrichtseinheiten zu Gattungen/Genres. In ihrer • Kritik wird betont, dass das dabei praktizierte Auffinden von Textmerkmalen auf der lokalen Textebene wie das "Malen nach Zahlen" in der Schule "zu einer Art Geschicklichkeitsübung" verkommt. Das solcherart oft an die Wand geworfene • Zerrbild  dient vor allem dazu, sich von der klassischen Literaturwissenschaftsdidaktik abzusetzen, auch wenn die Zeiten der "Merkmalshuberei" im Literaturunterricht sicher vorbei sind.

Heute dürfte die Praxis im Umgang mit Kafkas Parabeln wohl eher davon geleitet sein, durch ▪ eigenes Zutun der Schülerinnen und Schüler bei der Rezeption die textexterne ▪ Sinnkonstruktion mit dem Vertrauen darauf anzupacken, zu einem eigenen Verständnis des Textes zu gelangen.

Indem dabei die von solchen Texten oft ausgelöste »kognitive Dissonanz (strukturelle oder ▪ radikale Fremdheitserfahrungen) überwunden werden kann, erfahren die Schülerinnen und Schüler, dass in der Vielzahl der möglichen Konkretisationen auch ihr Textverständnis seine Berechtigung besitzt und in der möglichen Anschlusskommunikation plausibel gemacht werden kann.

Allerdings darf auch nicht erwartet werden, dass sich jede im Umgang mit Kafkas Parabeln erfahrene kognitive Dissonanz auflösen lässt. Und trotzdem: Wer Kafkas Parabeln trotz seiner strukturellen Fremdheitserfahrung ohne weitere Irritationen und Blockaden verstehen will, muss sich "tiefer" auf den Text einlassen, selbst auf die Gefahr hin, dass sich das als strukturell Fremde Erlebte trotzdem nicht immer und vor allem nicht vollständig erklären und deuten lässt. (vgl. Šlibar 2005, S.82, zit. n. ebd.) Das gilt für sämtliche ▪ moderne Parabeln.

Eine wichtige Aufgabe des Literaturunterrichts im Zusammenhang mit diesen Texten ist es daher affektive und volitionale Selbsteuerungsaktivitäten und • metakognitive Strategien (vgl. Christmann/Groeben 1999) zu fördern, die helfen können, über die Unlust erzeugende, kognitive Dissonanz hinwegzukommen. Gerade weil unsere eigenen Schemata der Wahrnehmung, des Fühlens und (sozialen) Handelns in der Regel keine verlässlichen Orientierungen dafür geben, dem Gelesenen Sinn zu geben, bleibt das Akzeptieren die prinzipielle Vieldeutigkeit von Kafkas Texten, denen unter konstruktivistischer Perspektive wie anderen literarischen Texten ja kein Sinn eingeschrieben ist, den man "objektiv" herauslesen kann.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.10.2024

 
 

 
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