Home
Nach oben

 

 

Konfliktlinien in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik

Traditionsphase 1949-1953

 
 
  Die Geschichte der Parteien und des Parteiensystems in der Bundesrepublik Deutschland ist seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 mit dem Vorhandensein und der weiteren Entwicklung bestimmter gesellschaftlicher Konfliktlinien verbunden, die dafür sorgten, dass sich ein so oder so geartetes Parteiensystem ausbildete. Dabei kann man drei Phasen unterscheiden:
  • 1949-1953: Traditionsphase mit Rückkehr der Wähler in ihre Traditionslager der Weimarer Zeit

  • 1953-1980: Stabilitätsphase, die durch die Dominanz von nur zwei gesellschaftlichen Grundkonflikten/Konfliktlinien (Kapital vs. Arbeit, Klerikalismus vs. Laizismus) gekennzeichnet war.

  • seit 1980: Dekompositionsphase, die von einer zunehmenden Zersplitterung der das Parteiensystem beeinflussenden Konfliktstruktur geprägt ist. (vgl. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a.)

Eine andere Einteilung (v. Alemann 2010, S.48-96) geht von 5 Phasen aus: 1. Formierungsphase von 1945-1953, 2. Konzentrierungsphase von 1953-1976, 3. Transformationsphase von 1976-1994, 4. Stabilisierungsphase 1994-2002 und 5. Fluide Phase seit 2002

1949-1953: Die Traditionsphase
Das Parteiensystem auf Bundesebene nach der ersten Bundestagswahl 1949

Nach der ersten »Bundestagswahl im Jahr 1949, erlangte die CDU/CSU die meisten Stimmen. Die beiden "Schwesterparteien" bildeten dabei gemeinsam eine neue christliche "Union", die den Rahmen des politischen Katholizismus der Weimarer Zeit, wie ihn die Zentrumspartei repräsentierte, hinter sich ließ, die aber von einigen als Deutsche Zentrumspartei (DZP) auch noch zur Wahl angetreten war.
Insgesamt zeigte sich in dieser ersten Wahl nach dem Nationalsozialismus, dass die Wählerinnen und Wähler massenhaft in ihre politischen Traditionslager zurückgekehrt waren. Sie wählten nahezu wieder so, wie sie schon in der Weimarer Republik (1918/19-33) bis 1928 gewählt hatten. (vgl. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a) (
Wahlergebnisse 1920-1933) Aus diesem Grund wird die Zeit zwischen 1949 und 1953 auch als Traditionsphase bzw. Formierungsphase (v. Alemann 2010, S.50-60) des deutschen Parteiensystems nach 1945 bezeichnet. (vgl. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a)
Das war mehr als bemerkenswert und zeigte, dass auch nach der langen Zeit, die dazwischen lag, trotz Weltwirtschaftskrise und NS-Diktatur, offenbar etliche Konfliktlinien gleich geblieben waren. Teilweise wird sogar davon gesprochen, dass die am Ende des Ersten Weltkriegs vorhandenen gesellschaftlichen Grundkonflikte wie eingefroren bis in die späten 1960er Jahre das Parteiensystem geprägt hätten (Freezing-These oder Stabilitätsthese)
Die Konfliktlinien erzeugten ein fragmentiertes Vielparteiensystem, zu dem auch eine ganze Reihe kleinerer Parteien gehörte. Allerdings kristallisierten sich zusehends zwei Konfliktlinien heraus, die das Parteiensystem in den nachfolgenden Jahrzehnten prägten: Kapital vs. Arbeit und Kirche vs. Staat.

Was die Konfliktlinien betraf, hatten in den Nachkriegsjahrzehnten bestimmte gesellschaftliche Grundkonflikte der Weimarer Zeit ausgedient oder hatten deutlich an Bedeutung verloren.
Das betraf die nationale Konfliktlinie, die Spannung also zwischen Zentrum vs. Peripherie ebenso wie die agrar-industrielle Konfliktlinie (Stadt vs. Land), die "nach der starken Zunahme der Mobilität als Kriegsfolge in den Wirtschaftswunderjahren der Bundesrepublik an Sprengkraft verloren." ( v. Alemann 1994, S. 281) Aber eine große Rolle spielten weiterhin die Konfliktlinien zwischen Kapital und Arbeit mit ihren Spannungen "zwischen Arbeiternehmer- und gewerkschaftlichen Interessen einerseits sowie bürgerlich-mittelständisch-freiberuflichen Interessen andererseits [...] und zwischen religiös, kirchlich-konfessionell gebundenen sowie liberalen, kirchlich ungebundenen Gruppen bzw. Wählern oder Parteianhängern" (ebd.). (Konfliktlinie Kirche vs. Staat: religiös vs. säkular)

Die Parteien besaßen im Parteiensystem nach 1949 und in den fünfziger Jahren einen hohen Anteil an Stammwählern und auch die Mitglieder des jeweiligen Parteiapparates stammten aus sozial abgegrenzten Gruppen. Da sich die beiden maßgebenden Konfliktlinien jedoch nicht völlig überlagerten, wie dies später in den siebziger Jahren der Fall war, sondern sich stattdessen kreuzten (crosscutting cleavages), wurde in den 1950er und 1960er Jahren des vorigen Jahrhunderts daraus ein "Parteiensystem, dessen Anhängerschaft sich aus vier verschiedenen Stammgruppen rekrutierte" (v. Alemann 2010, S.119.):

  • Bei der SPD waren dies gewerkschaftlich Organisierte, die nicht kirchlich gebunden waren und sich "wie selbstverständlich" wieder zusammenfanden. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a)

  • Die CDU/CSU hatte kirchlich gebundene, aber katholische und protestantische Gruppen hinter sich, die aus dem Mittelstand kamen. Zugleich war sie aber auch mit der katholischen Arbeiterschaft verbunden.

  • Die FDP hatte Wähler aus dem kirchlich ungebundenen, bürgerlichen Mittelstand hinter sich.

  • Die noch existierende Zentrumspartei band noch einen Teil der katholischen Arbeitnehmerschaft.
    (vgl. v. Alemann 1994, S. 282, v. Alemann 2010, S.120)

Für v. Alemann (1994, S.282) stellen sich die Konfliktlinien, die das Parteiensystem der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren erzeugten, wie in der Abbildung dar. Sie zeigt auch, dass die zwei gesellschaftlichen Grundkonflikte ausreichten, um ein Parteiensystem zu erzeugen, das überschaubar war.

Was das Parteiensystem der frühen Bundesrepublik aber doch deutlich von der Weimarer Zeit unterschied, war, dass sich zwischen den Parteien der Regierungskoalition unter dem CDU-Kanzler »Konrad Adenauer (CDU/CSU, FDP, DP) und der demokratischen Opposition (SPD, Zentrum) mit dem Sozialdemokraten »Kurt Schumacher an der Spitze eine eindeutige, aber insgesamt gemäßigte Polarität ausgebildet hatte (vgl. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a) (Die Weimarer Parteien im Links-Rechts-Schema)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:

  1.  

 
     
  Überblick ] Cleavage-Theorie ] Parteiengeschichte ] Zweidemensional ] Raummodell ]  
       

          CC-Lizenz
 

 

Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA) Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de