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Cleavage-Theorie

Konfliktlinie Kirche vs. Staat

Cleavage church-state

 
 
 

Der politische Modernisierungsprozess, der mit der »Reformation im 16. und 17. Jahrhundert einsetzt und im 18. Jahrhundert mit der »Französischen Revolution (1789-99) fortgesetzt wird, führt nach Lipset/Rokkan (1967) zu sozialen Spannungen, die im Zeitalter der Massendemokratie zu sozialen Trennlinien werden, "hinter" denen sich gesellschaftliche Großgruppen mit unterschiedlicher Interessenlage in diesem Konflikt als Parteien in einem Parteiensystem formieren.

Eine der von Lipset/Rokkan (1967) als Hauptcleavages bezeichneten Konfllikt- oder Spannungslinien war der zwischen Kirche und Staat, zwischen Klerikalismus und Laizismus.
Dabei ging es vor allem um politische Konflikte, die dadurch entstanden, dass der Staat mit seinen verschiedenen Säkularisationsmaßnahmen die Enteignung von Kirchenbesitz und die Abschaffung von sozialen Privilegien des Klerus betrieb.
So beschloss z. B. die »französische Nationalversammlung angesichts der "andauernden Misere der Staatsfinanzen" (Fehrenbach 21986, S.30) schon zu Beginn der »Französischen Revolution im November 1789 in einem Dekret, sämtliche Kirchengüter in dem katholischen Land zu enteignen und damit zu "nationalisieren". Zugleich begann man in Frankreich auch damit, das Verhältnis von Staat und Kirche ganz neu zu regeln, was am Ende "den Gedanken der Trennung von Staat und Kirche aufkommen ließ. Das Ergebnis war die Laizität des Staates und die Säkularisierung des bürgerlichen Lebens, die seitdem als ein Kennzeichen der modernen Gesellschaft gilt. (ebd.)
Ähnliche Enteignungen der katholischen Kirche fanden vor allem in der »Napoleonischen Zeit auch in den von den Franzosen beherrschten Gebieten rechts des Rheins usw. statt. Im so genannten »Reichsdeputationshauptschluss wurden die deutschen Territorialherren, welche infolge der Verschiebung der französischen Grenze nach Osten Gebietsverluste hatten hinnehmen müssen, im Jahr 1803 nicht nur auf Kosten der Kirche entschädigt, sondern die aufgehobenen Klöster wurden auch der Verfügungsgewalt der Landesherren unterstellt, die auf dieser Grundlage kirchliche Güter einfach einzuziehen konnten. In Deutschland profitierten davon vor allem der König von »Preußen und die Mittelstaaten, wie z. B.  der Herzog von »Württemberg, der Markgraf von »Baden und der Landgraf von »Hessen-Darmstadt von der Säkularisation. Sie erhielten mit diesen Entschädigungen bedeutend mehr, als sie linksrheinisch an Frankreich verloren hatten. Bei Preußen war das das Fünffache, bei Württemberg etwa das Vierfache und bei Baden das Siebeneinhalbfache der Gebietsverluste. (vgl. ebd., S.69) Die Kirche in Deutschland jedenfalls ist von der Säkularisation "vor allem materiell und kulturell getroffen worden", zugleich aber waren "die gewaltigen Vermögensverluste, die Zerstörung oder Verschleuderung wertvoller Kunstwerke und Bibliotheksbestände, die Auflösung von achtzehn katholischen Universitäten sowie zahlreicher Akademien und Gymnasien in Stiften, Abteien und Klöstern" auch dafür verantwortlich, dass "das geistige, kulturelle und soziale Leben im katholischen Deutschland auf lange Zeit geschwächt war." (ebd., S.173) Für die Entstehung moderner Staatlichkeit war die Säkularisation von besonderer Bedeutung, weil sie einen weiteren Schritt zur Entstehung der Territorialstaaten war und durch die Entflechtung von Kirche und Staat den Staaten Aufgaben zuwuchsen, die vorher der Kirche zustanden (z. B. im Bildung- und Unterrichtswesen, bei der Krankenpflege und der Armenfürsorge).

 

 

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 25.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:

  1.  

 
     
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