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Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens
In diesem Arbeitsbereich zum ▪
Studentenleben in der frühen Neuzeit
(1350-1789) sind verschiedene Aspekte zu diesem
Thema mit unterschiedlichen Materialien zusammengestellt.
In seiner
"Sittengeschichte des deutschen
Studententums" aus dem Jahr 1926 hat sich »Max Bauer
(1861-1932) mit dem sogenannten ▪
Pennalismus befasst.
»Waren die fürchterlichen und unwürdigen Qualen der
▪ Deposition
vorüber, so war aus dem Beanus der Fuchs, der Pennal, geworden, und
neue Foltern begannen, die sich auf ein bis eineinhalb Jahre
erstreckten.
Der Schüler 'kommt aus dem Vaterhaus, schüchtern und ungelenk, in
eine Welt wilder Gesellen. Mürbe gemacht durch Beschimpfungen,
Verhöhnungen, Vergewaltigungen fällt er seiner
Landsmannschaft zum
Opfer. Nun unterliegt er der Tyrannei der älteren Studenten, der
Schoristen, der Scherer', "weil sie den jungen Studenten die Haare abschoren, und sonst auch wacker schoren".
"Er ist gezwungen sich seiner Landsmannschaft anzuschließen. Ihre
Mitglieder erniedrigen ihn vom Kameraden zum willenlosen Sklaven.
Ein
unehrenhaftes System der Knechtung und der körperlichen
Züchtigung stößt ihn zu den gemeinsten Diensthandlungen herab. Seine
neuen Kleider, die er aus dem Vaterhause mitgebracht, hat er gleich
nm ersten Tage hergeben müssen. Nun läuft er zerlumpt, verwahrlost,
unsauber, im durchlöcherten Rock, in zerrissenen Hosen und
ausgetretenen Pantoffeln. Der
Schorist kommandiert, vexiert,
tribuliert, schikaniert, malträtiert. Der Pennal putzt ihm die
Stiefel, tut Botengänge, trägt ihm den Raufdegen und die Spielkarten
nach, muß Geld schaffen, wenn er seine eigenen Mutterpfennige
hergegeben hat, spült die Gläser, schenkt ein, schleppt den
Betrunkenen nach Hause. Wird mit Fußtritten belohnt, blutig
geschlagen und gestoßen. Blöde hockt er unter der Bank. Seine Namen
sind
Rapschnabel, Feix, Mutterkalb, Säugling, Hausunke,
Quasimodegenitus". Dann
Haushahn, Halfpape, d. h. Halbpfaffe,
also halber Studente, Schieber, weil er drängelt, aus der Pennälerzeit sich zu drücken,
Spulwurm, weil er angeblich allerlei Unreinigkeiten im Leibe hat, die man ihm auch durch Eintrichterung
von ekelhaften Tränken und Speisen zu vertreiben vorgab. Namentlich
der Schwedentrank war hierfür gebräuchlich. Er bestand aus Wurst,
Brod, zerschnittenen Nesseln, gestoßenen Ziegelsteinen, Tinte,
Nußschalen, Senf, Butter, Salz, Kot und ähnlichen Zutaten, nach
deren Genuß der Trinkende nicht selten Blut brechen mußte, was aber
der Heiterkeit der Zuschauer keinen Eintrag tat. Weiter nannte man
die Pennäle Raupen, weil sie noch nicht ausgekrochen waren, Imperfecti, Ölberger, endlich
Füchse [
...].
Doch nicht genug an diesen Schmeichelnamen. Ebenso
wie diese sind
die löblichen Eigenschaften des Pennal. Er ist geschwätzig,
naseweis, bissig, gefräßig, trunksüchtig, raffgierig, geizig, störrisch (loquax, dicax, mordax, vorax, bibax, rapax, tenax, scapax),
so daß alle Vocabeln auf ax bei ihm zutreffen.'
Er wird zum
Zutreiber und Gelegenheitsmacher seines Herrn. In den
Hörsälen, sogar in der Kirche hatte er mit seinen Leidensgefährten
besondere Plätze. Selbst auf der Straße wie während des
Gottesdienstes erhielt er Stockschläge, Backenstreiche, Nasenstüber,
Fußtritte. Bei den Saufgelagen hatte er die ekelhaftesten und
niedrigsten Hantierungen zu leisten.
Manch einer der Füchse ist den Torturen seines Schoristen erlegen,
körperlich und seelisch zu Grunde gegangen. Im Jahre 1615 quälten
Jenenser Bursche einen armen Jungen, daß er in seiner Not zum
Fenster hinaussprang und den Hals brach. Die Schuldigen büßten nur
mit einer geringen Geldstrafe.
Ein Jahr, sechs Monate, sechs Wochen, sechs Stunden, sechs Minuten
währte diese Tortur. Dann mußte der Fuchs sich bei jedem einzelnen
Mitglied der Nation, der Verbindung, der sein bisheriger Quälgeist
angehörte, und der er beizutreten hatte,
"die Absolution" erbitten.
Er erhielt diese auf dem von ihm auszurichtenden
Pennalschmaus,
seinem Abschiedsessen vom Pennalstand. Hier wurden ihm nur noch die
Haare abgebrannt, dann konnte er selbst an Anderen vergelten, was er
selbst erduldet hatte.
Von dem heillosen Unfug, der sonst noch auf diesen und ähnlichen
Schmäusen getrieben wurde, wird noch zu reden sein. Jetzt noch
einiges über die Schoristen, "diese Schandflecken des deutschen
Studententums", wie sie Huber nennt. [...]
Bei solch geilen
Auswüchsen in den mit einander Schritt haltenden
Pennalismus und Schorismus,
die den Studentenkörper zu zerstören drohten, konnte nicht
ausbleiben, daß sich Universitätsbehörden zu irgend einem
Vorgehn gegen den
Pennalismus aufzuraffen suchten. Es blieb dabei aber meist nur
bei Worten, wenn auch mitunter sehr scharfen. So beißt es einmal:
"Durch diese schlimme Krankheit — des Pennalismus — dieser und
anderer Akademien wird wie durch pestartigen Brand und Krebs diese
Anstalt aufgerieben und schwindet zusammen. Wiewohl wir wiederholt
beschlossen haben, durch die allerschwersten Strafen ihre Urheber
wie faule Leichname vom gesunden und unversehrten akademischen
Körper abzuschneiden, unsere ernstesten Erlasse durch Gesetze
gefestigt und durch Strafen ausgerüstet haben, hat dennoch die
eisenfeste, ja stahlharte Bosheit bisher nicht unterdrückt werden
können, daß sie nicht alle Augenblicke gleichsam wie eine Flut
herausbräche". Man erinnerte die Studenten an ihren Eid, den sie auf
die Universitätsgesetze geleistet haben,
verbot ihnen, sich um die Nationen zu kümmern, drohte ihnen die
Relegation cum infamia für alle Zeiten.
Insbesonders waren
Jena und Rostock in Kampfesworten an
der Spitze, da auch bei ihnen der Pennalismus am ärgsten tobte. Noch
aber war die Zeit nicht urteilsreif, wie Beyer sagt, dem ich hier
folge. Wenn die
Kunde von dem wüsten Studentenleben wirklich einmal in weitere
Kreise hinausdrang, gedachte der Vater mit Lächeln seiner Jugend,
wie er es auch nicht anders getrieben. Die Zeit war eben dazu
geneigt, ziemliche Roheiten gelassen zu ertragen, als müßten sie so
sein. Ihre Nerven waren stark. «
(aus:
Bauer 1926,
S.82-88)
weiter mit:
Schoristen
(Bauer 1926)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
24.02.2022