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Schiller erhielt im Jahre 1791 ein Stipendium
auf drei Jahre vom Prinzen von Schleswig-Holstein-Augustenburg und vom
Grafen Schimmelpfennig; er dankte dem Prinzen in einer Reihe von Briefen.
Dabei äußerte er sich auch zu seinen Vorstellungen über die Kunst und die
Philosophie.
"Wäre das Faktum wahr, -wäre der außerordentliche Fall wirklich
eingetreten, dass die politische Gesetzgebung der Vernunft übertragen, der
Mensch als Selbstzweck respektiert und behandelt, das Gesetz auf den Thron
erhoben, und wahre Freiheit zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht
worden, so wollte ich auf ewig von den Musen Abschied nehmen, und dem
herrlichsten aller Kunstwerke, der Monarchie der Vernunft, alle meine
Tätigkeit widmen. Aber dieses Faktum ist es eben, was ich zu bezweifeln
wage. Ja, ich bin so weit entfernt, an den Anfang einer Regeneration im
Politischen zu glauben, dass mir die Ereignisse der Zeit vielmehr alle
Hoffnungen dazu auf Jahrhunderte benehmen.
Ehe diese Ereignisse eintraten, Gnädigster Prinz, konnte man sich
allenfalls mit dem lieblichen Wahne schmeicheln, dass der unmerkliche aber
ununterbrochene Einfluss denkender Köpfe, die seit Jahrhunderten
ausgestreuten Keime der Wahrheit, der aufgehäufte Schatz von Erfahrung die
Gemüter allmählich zum Empfang des Bessern gestimmt und so eine Epoche
vorbereitet haben müssten, wo die Philosophie den moralischen Weltbau
übernehmen, und das Licht der Finsternis siegen könnte. So weit war man in
der theoretischen Kultur vorgedrungen, dass auch die ehrwürdigsten Säulen
des Aberglaubens zu wanken anfinge, und der Thron tausendjähriger
Vorurteile schon erschüttert ward. Nichts schien mehr zu fehlen, als das
Signal zur großen Veränderung und eine Vereinigung der Gemüter. Beides ist
nun gegeben - aber wie ist es ausgeschlagen?
Der Versuch des französischen Volkes, sich in seine heiligen
Menschenrechte einzusetzen, und eine politische Freiheit zu erringen, hat
bloß das Unvermögen und die Unwürdigkeit desselben an den Tag gebracht,
und nicht nur dieses unglückliche Volk, sondern mit ihm auch einen
beträchtlichen Teil Europens, und ein ganzes Jahrhundert, in Barbarei und
Knechtschaft zurückgeschleudert. Der Moment war der günstigste. aber er
fand eine verderbte Nation, die ihn nicht wert war, und weder zu würdigen
noch zu benutzen wusste. Der Gebrauch, den sie von diesem großen Geschenk
des Zufalls macht und gemacht hat, beweist unwidersprechlich, dass das
Menschengeschlecht der vormundschaftlichen Gewalt noch nicht entwachsen
ist, dass das liberale Regiment der Vernunft da noch zu frühe kommt, wo
man kaum damit fertig wird, sich der brutalen Gewalt der Tierheit zu
erwehren, und dass derjenige noch nicht reif ist zur bürgerlichen
Freiheit, dem noch so vieles zur menschlichen fehlt."
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