Nun, im Allgemeinen kann man, wenn
sich in einem Erzähltext die Erste Person andauernd als Erzähler zu
erkennen gibt, davon ausgehen, dass es sich nach Auffassung der
traditionellen Erzähltheirie um eine
Ich-Erzählung
mit einer
Ich-Erzählperspektive
(Ich-Erzählsituation) handelt.
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Allerdings kommt es auch vor, dass sich "auch der auktoriale
Erzähler [...] in der Ich- oder Wir-Form zu Worte melden kann, um dann
doch die Geschichte eines anderen [...] in der Dritten Person, als »Er/Sie-Erzählung«
mitzuteilen."
(Vogt
1990, S.66.)
-
Fener betont Stanzel, dass es nicht immer eindeutig zu
klären sei, "ob dieses Ich noch außerhalb der dargestellten Welt,
bzw. an ihrer Schwelle (steht) [...] oder ob es schon ein Heimatrecht in
der dargestellten Welt hat, d.h. in seiner Existenz Zeit und Raum mit den
Figuren der Handlung teilt." (Stanzel
(1964/1979), S. 26)
Eine Ich-Erzählung dagegen verlangt, dass das Ich in der Ersten Person
sowohl als Erzähler, als auch als eine mit ihm identische Handlungsfigur
auftritt.
(vgl.
Vogt
1990, S.165f.)
Mit dem Ich- und dem Er-Erzähler ist das ohnehin so eine
Sache.
Denn, wie
Schmid (2011a, S.132) betont, könne jeder Erzähler ja ein »Ich«-Erzähler
sein, "d. h. er kann sich selbst benennen, auch wenn er dabei
nicht die Figur einer erzählten Geschichte meint." Daher
plädiert er stattdessen dafür bei "der Teilhabe des Erzählers an
der von ihm erzählten Geschichte (...) zwischen dem
diegetischen und
nichtdiegetischen Erzähler" zu unterscheiden.
Das geht z.
B., wenn er sagt: "
»Er stellte ihn zur Rede, doch der
Übeltäter gab vor: "Ich habe doch keine Ahnung davon gehabt,
dass das verboten ist." Der Verfasser der Geschichte ist
davon überzeugt, dass es für diese Ausrede damals schon keinen
rechten Grund gab und auch heute noch keinen gibt. Und das
machte auch nicht besser, dass jener hinterher, das ist aus
heutiger Sicht völlig klar, in vorwurfsvollem Ton hinterher gab:
"Hätte man mir das nicht sagen können? Glaubst du etwa, ich
hätte nicht auf deinen Rat gehört." « Er nahm ihm das einfach
nicht ab, sondern bestand auf einer Entschuldigung.
In diesem
Fall spricht der
diegetische Erzähler (auch:
homodiegetische Erzähler), der als Figur selbst in der
Geschichte handelt, von sich selbst in der Er-Form.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.06.2019