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Der Geier

Überblick

Franz Kafka (1883 - 1924) Parabeln

 
FAChbereich Deutsch
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Das kurze Prosastück • "Der Geier" von • Franz Kafka ist im Jahre 1917 entstanden, kurz nachdem sich der Autor von Milena Jesenska getrennt und seine Tuberkuloseerkrankung diagnostiziert worden ist. Der Titel der Erzählung ist nachträglich von Max Brod hinzugefügt.

• "Der Geier" wurde wie fünf weitere bis dahin nicht veröffentlichte Prosastücke (Poseidon, Der Kreisel, Die Prüfung, Gemeinschaft) in die erste mehrbändige Werkausgabe des Autors übernommen. Damit bekam ein breiteres Publikum, das Kafka bis dahin lediglich "als Autor expressionistisch getönter Erzählungen und gescheiterter Romanprojekte" (Stach 2011/42015, S.532f.) kennen gelernt hatte, neue Seiten des Autors zu Gesicht, die einen Erzähler präsentierten, der sich nicht mehr im opulenten Erzählen zeitweilig verlor, sondern - wie in den Stücken des Landarzt-Bandes - seine Vorliebe für abstraktere Formen zeigte. Mit diesen parabolischen Texten gelang es ihm, in metaphorischer Zuspitzung philosophische Probleme darzustellen und dafür vor allem das Paradoxon einzusetzen, "dem er ganz neue Effekte abgewann." (ebd.) Bis dahin hatte Kafka seine Kritiker besonders mit seiner sprachlichen Perfektion beeindruckt, was ihm auch die zugestanden, die mit seinen "phantastische(n) Zumutungen" (ebd.) wenig anfangen konnten. Die "neuen" Prosastücke, zu denen auch • "Der Geier" zählte, gaben eben "vor allem deshalb zu denken, weil sie zum Denken explizit und unwiderstehlich aufforderten." (ebd.)

Nach Wiebrecht Ries (2014) lebt Kafka "sadomasochistische Folterphantasien" aus, wie er sie u. a. auch in einem Brief an Max Brod vom 3.4.1913 geäußert hat. Darin heißt es: "Vorstellungen wie z. B. die, daß ich ausgestreckt auf dem Boden liege, wie ein Braten zerschnitten bin und ein solches Fleischstück langsam mit der Hand einem Hund in der Ecke zuschiebe – solche Vorstellungen sind die tägliche Nahrung meines Kopfes." (zit. n. Ries 2014, S. 168)

in • "Der Geier"  in diesem "steigert", so  .. , "die Zwangsvorstellung einer lustvollen Vereinigung mit der Zerstörungsgewalt einer schrecklichen Vogelfigur ins unerträglich Grausame." Dabei vereine das Ende der Erzählung den Schock eines plötzlichen Erkenntnisdurchbruchs mit der Lust am Untergang, der paradoxen Tötung des Todes. Als Todesfantasie verrate "die orale Penetration durch einen 'Speerschnabel' eine sexuell getönte Lust am Vernichtetwerden in einem See von Blut." (S.163) Auf diese Weise dringe er zu den tiefsten und fremdesten Schichten der menschlichen Seele vor.

 

Immer wieder wurde in der Forschung die Nähe der Werke Kafkas zu Träumen betont und seine Dichtung als eine Art Traumdichtung bezeichnet. Michael Müller in seiner "Vorbemerkung" zu Franz Kafka Träume (1993) betont, dass die Sogkraft von Kafkas Werken auf dem Effekt beruht, Traumhaftes mit realistischen Mitteln zu erzählen und dabei einer "Traumlogik" folgen, die auf Bildern beruht, die als "Halbschafphantasien", ehe sie in Vergessenheit geraten, in literarische Formen einer realistischen Darstellungsweise übersetzt werden. Daher ist Kafkas Kunst der "phantastischen Abstraktion" (Walter H. Sokel) auch als Traumkunst zu verstehen. (vgl. S.166) "In ihr gewinnen seelische Instanzen als die Kristallisation einer psychischen Dynamik eine visuelle Dichte der Darstellung, die nicht über sich hinausweist, sondern ist, was sie repräsentiert." (S.167)

Traumanaloges Dichten

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.10.2024

 
 

 
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