In wenigen großen Schritten schreiben
Die Schreibstrategie
des "Versionen-Schreibens"
folgt einer Strategie weniger großer Schritte.
Einfach etwas niederzuschreiben - aus
dem Bauch heraus oder nur ein
einziges Mal einer Generalidee folgend
- ist nicht Sache des Versionenschreibers.
Auch wenn die Strategie in nahezu allem dem
Einen-Text-zu-einer-Idee-Schreiben gleicht, unterscheidet sie sich doch
in einem maßgeblichen Punkt: "Es gibt mehrere Texte zu einer Idee." (Mrotzek/Böttcher
2011, S. 35)
Pingpong zwischen Idee und jeweiliger Textversion
Wer seinen Schreibprozess dadurch gestaltet, dass er immer wieder
eine neue Version eines schon einmal geschrieben Textes verfasst,
überlässt sich nicht dem einmaligen Schreibfluss, sondern überlegt, was
er zuvor geschrieben hat.
Er setzt sich damit auseinander und sucht bei der
erneuten Produktion des Textes weniger nach neuen inhaltlichen
Gesichtspunkten, sondern will vor allem zu besseren Formulierungen
gelangen.
Der Versionenschreiber sieht, wie
Ortner (2000,
S.420ff.) verdeutlicht, Sprache als Medium der Konturierung und Profilierung von Ideen.
Aber auch wenn das dominante Motiv für die Abfassung mehrerer Versionen
oft die verbesserte sprachliche Gestalt ist, bietet sich im neuerlichen
Abfassen natürlich auch Gelegenheit die übergeordnete Idee zu überformen
und weiterzuentwickeln.
In diesem Pingpong zwischen Idee und jeweiliger
Textversion, zwischen Version und Reflexion entsteht schließlich das
Textprodukt. (vgl.
Mrotzek/Böttcher
2011, S. 35)
Flowgesteuerter Schreibprozess
Dabei entsteht die Gesamtgestalt des Textes stets wieder in einem
linearen Prozess der Textproduktion, der in der Regel "vorn vorn bis
hinten" neu geschrieben wird. Ebenso wie beim "Text-zu-einer-Idee-Scheiben"
ist dabei das vorwärtstreibe Element ein
flow-gesteuerter Gestaltungsprozess, der auf dem
Prinzip der Satzverhakung
basiert (der jeweils zuvor geschriebene Satz stell einen wichtigen
Impuls für den nachfolgenden dar).
Eine auwändige Maurer-Strategie
Wer mehrere Versionen schreibt, verwendet ein sehr aufwändiges
Verfahren zur Textoptimierung. Denn es entsteht eben immer ein
vollständig neu geschriebener, statt ein nur in manchen Teilen
verbesserter Text.
Dennoch: Im Allgemeinen kann man von davon ausgehen,
dass sich sowohl die inhaltliche als auch die sprachliche Qualität durch
den Bezug auf einen zuvor schon selbst geschrieben Text verbessert und
auch die Textverständlichkeit dadurch erhöht wird.
Dabei kann dieses Versionenschreiben bis auf die kleinstmögliche
Einheit, den Satz, bezogen werden. Als "Maurer-Strategie" bezeichnet,
geht es eben dann darum, solange an jedem einzelnen Satz zu "bauen",
"bis er gut genug ist, um mit dem nächsten fortzufahren." (Mrotzek/Böttcher
2011, S. 35)
Versionenschreiben ist keine Anfertigung der Reinschrift
Das Schreiben mehrerer Versionen ist nicht zu verwechseln mit der
Reinschrift, die manche Schülerinnen und Schüler beim Abfassen von
Aufsätzen anfertigen.
Dabei wird ja in der Regel nur eine Kopie eines
Textes angefertigt, der zu einer verbesserten Lesbarkeit des Textes
führen soll. Das "Konzept-Schreiben", wie dieses Vorgehen, in der Schule
manchmal genannt wird, ist also kein, jedenfalls kein Versionen-Schreiben in dem hier als Schreibstrategie vorgestellten
Sinne.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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