"Kreativität ist ein formaler Begriff", betont
Liebau (1995,
S.7) "als solcher inhaltsleer. Er beschreibt zunächst nicht mehr als
die bloße Tatsache der Erfindungskraft, der Kraft also zur
schöpferischen Überbrückung der Differenz zwischen Vorhandenem und
Neuem."
Der Begriff kommt aus dem Lateinischen (creare) und bedeutet
hervorbringen oder auch gebären.In diesem Sinne wird das Verb "creare" auch in der lateinischen
Bibel verwendet, wo es in der Schöpfungsgeschichte heißt: “In
principio creavit Deus caelum et terram.” (Im/am Anfang
erschuf/kreierte oder brachte Gott den Himmel und die Erde hervor.)
Kreativität ist demnach eine göttliche Kraft, und dies nicht erst im
christlichen Schöpfungsmythos. Nur Gott oder den Götten ist sie
eigen, denn sie sind dieser Vorstellung nach auch die einzigen die
aus einem Nichts ein Sein oder Etwas erzeugen können. So hat es auch
der griechische Philosoph »Platon
(428/427 v. Chr. - 348/347 v. Chr.) gesehen, für den in
dieser Gott-Welt-Kreativät der Mensch demzufolge nicht wirklich
kreativ sein, sondern kann nur umformen kann, was Ergebnis eines
göttlichen Schöpfungsaktes darstellt. Die Produkte solcher
Transformationen können dabei aber, auf der Grundlage der
Einbildungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen,
unterschiedlich ausfallen.
»Kulturgeschichte
der Kreativität (Wikipedia)
Heute hat das Denken über die Kreativität solche Begrenzungen
hinter sich gelassen und dennoch oder vielleicht gerade deshalb
konkurrieren unzählige Ansätze und Schulen miteinander um das
richtige Verständnis von Kreativität, das auf ganz verschiedene Art
und Weise definiert wird. Die Ergebnisse der modernen
Kreativitätsforschung an dieser Stelle zu referieren oder kritisch
zu würdigen, kann hier nicht geleistet werden.
So greifen wir eine unseres Erachtens didaktisch sinnvolle
Definition aus der Fülle der Definitionen heraus, die von John F.
Drevdahl (1923-1966) (1956,
S.21) stammt. Sie setzt "einen Transfer von
Informationen voraus, d. h. Informationen werden aus verschiedenen
Mustern herausgelöst und sodann mit anderen Informationen in
Beziehung gesetzt. Eine solche Informationskombination wird dann als
kreativ zu bezeichnen sein, wenn sie neu ist und zur Lösung eines
Problems oder einer Aufgabe beiträgt." (Sikora,
1976, 9f.) Drevdahls Definition dient kann zumindest als
Arbeitsdefinition gute Dienste leisten:
"Kreativität ist die Fähigkeit des Menschen, Denkergebnisse
beliebiger Art hervorzubringen, die im wesentlichen neu sind und
demjenigen, der sie hervorgebracht hat, vorher unbekannt waren.
Es kann sich dabei um Imagination oder um eine Gedankensynthese,
die mehr als eine bloße Zusammenfassung ist, handeln.
Kreativität kann die Bildung neuer Systeme und neuer
Kombinationen aus bekannten Informationen involvieren sowie die
Übertragung bekannter Beziehungen auf neue Situationen und die
Bildung neuer Korrelate. Eine kreative Tätigkeit muss
absichtlich und zielgerichtet sein, nicht nutzlos und
phantastisch obwohl das Produkt nicht unmittelbar praktisch
anwendbar, nicht perfekt oder gänzlich vollendet sein muss. Es
kann eine künstlerische, literarische oder wissenschaftliche
Form annehmen oder durchführungstechnischer oder
methodologischer Art sein." (zit. n.:
Sikora, 1976,
9f.)
Kreative Arbeitstechniken haben in Schule und Unterricht seit den
90er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf vielfältige Weise Eingang
gefunden. Dabei folgt Schule nicht den Konjunkturen immer wieder neu
auf den Markt geworfenen Krea-Techniken, die bei Entwicklung und
Verbreitung reinen Geschäftsinteressen folgen und so immer wieder
Wellen von neuartigen, noch mehr Kreativitätspotentiale erschließenden
Techniken anpreisen, um sie mit Markenschutz versehen, zu
versilbern.
in Schule und Unterricht geht es darum, Schülerinnen und Schüler
und Schülern Freiräume für Kreativität zu eröffnen, kreative Zugänge
bei der Lösung von Problemen zu schaffen und aufzuzeigen. Zugleich
sollen die
Schülerinnen und Schüler dabei gefördert werden, ihre eigenen
kreativen Fähigkeiten zu erkennen und zu nützen. Schule stellt sich
nicht in den Dienst eines Geniekults, kultiviert auch z. B. beim
produktiv-kreativen Schreiben im Deutschunterricht keine
Genieästhetik.
Dass Kreativität
nicht primär ein Persönlichkeitsmerkmal darstellt, muss allerdings
auch in Schule und Unterricht thematisiert werden, damit sich in den
Köpfen von Schülerinnen und Schülern keine Vorstellung verfestigen,
die an eine, geradezu in den Genen verankerte Kreativität ebenso
glauben, wie an die prinzipielle Abhängigkeit von Kreativität und ▪
Intelligenz.
Mit Kreativität und
Intelligenz werden dabei in der Regel zwei begrifflich ohne sehr
schwierig zu fassende Konzepte in Verbindung gebracht, die sich alltagspsychologisch
vielleicht ohne weiteres zueinander fügen, aber in Wahrheit aber
doch theoretische Konstrukte sind, die mit psychologischen
Experimenten in vielfältigen Arrangements untersucht werden. Aber
gerade weil beide Begriffe, Intelligenz vielleicht noch stärker als
der Begriff der Kreativität, Konstrukte sind, werden sie auch im
Alltag in einer großen Bedeutungsvielfalt verwendet und miteinander
ins Spiel gebracht.
Kreativität definiert sich
aber keineswegs zwingend über Intelligenz. Insofern hofiert sie auch
nicht jenen, deren außergewöhnliche Kreativität ganz besonders
ausgeprägt ist, sondern
zielt auf das Zusammenspiel von Begabungen,
Wissen und Können.
Dabei fördert sie in unterschiedlich gestalteten
Lernprozessen die
intrinsische Motivation
der Schülerinnen und
Schüler, schafft ein dafür förderliches
Setting und trägt im Rahmen
ihrer allgemeinen pädagogischen Zielsetzung dazu bei, dass
Schülerinnen und Schüler ihre
eigene Persönlichkeit auf vielfältige
Weise und unter Nutzung der ihnen mitgegebenen oder sukzessiv
erworbenen "Talente" entwickeln können.
Im Zuge ihrer immer
fortschreitenden Entwicklung könnte dann auch eine
kreative Person
stehen, die über viel Erfahrung beim Bewerten von Ästhetik besitzt,
breite Interessen hat, von komplexen Sachverhalten angezogen
wird, über sehr viel Energie, Autonomie, Intuition und
Selbstbewusstsein verfügt, fähig ist, Widersprüche auszuhalten und
zu beseitigen und gegenteilige Ansichten in das eigene Selbstkonzept
einzufügen und die sich selbst als kreativ erfährt. (vgl.
Barron/Harrington 1981, zit. n.
Schmidtgrabmer 2012, S.18)
Alles das, und im Grund noch einiges mehr, macht
klar, auch wenn es
einen Idealfall beschreibt, weshalb Schule nie kreativen Moden
hinterherlaufen kann und darf, die letzten Endes ganz anderen Zielen
dienen sollen.
Kreatives Arbeiten in der Schule
orientiert sich an der
alltäglichen Kreativität, die in der Regel bei der Bewältigung von
Alltagsproblemen als solche subjektiv erfahren und in der Regel mit
positiven Gefühlen verbunden erlebt wird.
In schulischen Lehr- und
Lernprozessen steht es
nicht in einem Gegensatz zu rationalem Denken
und sollte insofern auch
nicht primär "als Befreiung von den Blockierungen des
zweckrationalen, wohlgeordneten, disziplinierten und kontrollierten
Denkens, als das originelle, aus dem Unbewussten strömende,
gefühlsgeleitete, phantasievolle, sich selbst verwirklichende
Erleben" hingestellt werden (Kluge/Zysno
1993, S.5f.): "Wenig spricht für das Entweder Oder, viel für das
Sowohl Als Auch." (ebd.)
Dennoch: Für die Entwicklung von Kompetenzen, die uns die
Bewältigung von Problemen der Gegenwart aber auch von Problemen der
Zukunft, über deren Form, Gestalt und Inhalt wir heute noch wenig
oder gar nichts wissen, abverlangen, und für die jeweils
erforderlichen Problemlösungen, wird kreatives Denken immer
wichtiger.