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Verbalisieren verlangt eine partnerorientierte Grundeinstellung
Das Verbalisieren ist die wichtigste Aufgabe, die sich beim
aktiven
Zuhören stellt. An ihm lässt sich auch unschwer zeigen, wie
anspruchsvoll diese
Form des
Zuhörens ist.
Außerdem wird auch schnell klar, dass es beim aktiven Zuhören
nicht vornehmlich um das Beherrschen einer bestimmten
Methode geht, sondern letztlich die Haltungen und Grundeinstellungen des
jeweiligen Zuhörers darüber entscheiden, ob es gelingt oder nicht.. (vgl.
Crisand 1982, S.73)
Das bedeutet Verbalisieren
Wer im Rahmen seines aktiven Zuhörens Äußerungen des Partners bzw. der
Partnerin verbalisiert,
-
wiederholt die emotionale
Aussage des anderen mit eigenen Worten,
-
fasst in Worte, was
gefühlsmäßig in den Äußerungen des anderen mitschwingt.
Dabei kann das
Paraphrasieren,
d. h. das Umschreiben der sachlichen Aussage mit eigenen Worten
(vgl. umschreibendes Zuhören) durchaus dazu kommen, wenn es angeraten
erscheint. Nötig ist es allerdings für das aktive Zuhören nicht unbedingt.
Sich in den anderen einfühlen
In jedem Falle muss man sich in den anderen einfühlen,
Empathiefähigkeit entwickeln und zeigen, und
-
dem Sprecher seine
volle Aufmerksamkeit schenken
-
keine eigenen Ergänzungen zum Gesagten machen
-
eigentlich überhaupt nicht, wenn aber dann
nur ganz
vorsichtig interpretieren, was man gehört bzw. herausgespürt hat.
Dies gilt insbesondere auch für
körpersprachliche Signale
(Körperhaltungen,
Gesten,
Mimik
etc.), die u. U. schnell
inkongruent wirken und
damit die nötige Vertrauensbasis der Gesprächspartner beeinträchtigen
oder gar zerstören können.
Nicht immer und jederzeit kann es gelingen, die emotionale
Aussage des anderen gut zu verbalisieren. So kommt es vor, dass
-
einfach die
situativen Rahmenbedingungen (Lärm, Zeitpunkt, psychische Verfasstheit
etc.) nicht stimmen
-
die emotionalen
Hintergründe einer Aussage auch beim besten Willen nicht zu erkennen
sind
-
die Äußerungen
des anderen wenig Bereitschaft zeigen, sich auch zu öffnen
-
...
Im nachfolgenden Gespräch zwischen einer Schülerin (Anita)
und einer Lehrerin (Frau Kunze) versucht die Pädagogin das Gespräch auf
den Grundsätzen für das aktive Zuhören aufzubauen und die Aussagen der
Schülerin zu verbalisieren.
1 |
Frau Kunze: |
Du wolltest mit mir über deine Leistungen in den
letzten Monaten reden. |
2 |
Anita: |
Ja, ich finde, dass das, was wir im Unterricht
machen, einfach zu schwer ist für uns. Das geht im Übrigen nicht nur
mir so, müssen Sie wissen! |
3 |
Frau Kunze: |
Es macht dir Sorge, wenn du das Gefühl hast, nicht
mehr mitzukommen. |
4 |
Anita: |
Ja genau, ich habe schon jedes Mal ein mulmiges
Gefühl, wenn Sie zur Tür reinkommen. Das schlimmste für mich ist dann
noch die Vorstellung gleich dranzukommen. |
5 |
Frau Kunze: |
Es macht dir irgendwie Angst, dass du dich blamieren
könntest, ist es so? |
6 |
Anita: |
Ja, und das finde ich völlig unfair! |
7 |
Frau Kunze: |
Mmh, du glaubst, dass ich dich anders behandle als
die anderen. |
8 |
Anita: |
Ja, na ja, ich weiß nicht. Aber mir geht das eben
alles zu schnell. |
9 |
Frau Kunze: |
Du brauchst einfach mehr Zeit, um den Stoff
verarbeiten zu können. |
10 |
Anita: |
Schon, aber das ist auch immer alles so langweilig.
Ich will ja nichts gegen Ihren Unterricht sagen, aber |
11 |
Frau Kunze: |
Wenn's nach dir ginge, müsste im Unterricht größere
Abwechslung herrschen, stimmt's? |
12 |
Anita: |
Ja, genau! Jetzt machen wir schon seit ein paar
Wochen an dem Roman 'rum. Und den finde ja schließlich nicht nur ich
völlig uninteressant. So was, wie da drin beschrieben wird, gibt's
doch heutzutage überhaupt nicht mehr. Da fragt man sich doch, was das
Ganze dann soll. |
13 |
Frau Kunze: |
Du wünschst dir wohl eher Lektüren, die in die
Gegenwart passen. |
14 |
Anita: |
Klar, dann würde ich mich auch wieder mehr
anstrengen. Ist doch klar, dass ich so schon drei Mal meine
Hausaufgaben nicht gemacht habe! |
15 |
Frau Kunze: |
Mmh, du ärgerst dich wohl darüber, dass ich dich ohne
Hausaufgaben erwischt habe. |
16 |
Anita: |
Klar, ärgert mich das. Ausgerechnet an den Tagen, an
denen ich echt nicht die geringste Chance hatte, die Hausaufgaben zu
machen. |
17 |
Frau Kunze: |
Du hast manchmal einfach so viel anderes zu tun, dass
du nicht zu den Hausaufgaben kommst. |
18 |
Anita: |
Sicher. Allein an drei Nachmittagen haben wir jetzt
schon Schule und da komme ich erst um 18 Uhr heim. Wann soll ich dann
bitte noch Hausaufgaben machen? |
19 |
Frau Kunze: |
An diesen Tagen fühlst du dich total überlastet. |
20 |
Anita: |
Das geht doch jedem hier so. Da können sich doch nur
noch irgendwelche Streber hinsetzen und lernen. |
21 |
Frau Kunze: |
Du ärgerst dich darüber, dass die Streber, wie du sie
nennst, das Ganze doch irgendwie hinkriegen. |
22 |
Anita: |
Ist doch kein Wunder, wenn die Alten von denen Ihnen
das Geld nur so nachwerfen! |
23 |
Frau Kunze: |
Irgendwie beneidest du manche darum, dass sie mehr
Geld haben. |
24 |
Anita: |
Ich weiß nicht recht, aber eines ist doch klar: Von
denen geht doch keiner jobben. Denen stellt Papi doch einfach das Auto
vor die Tür. Einfach so. |
25 |
Frau Kunze: |
Mmh ... |
26 |
Anita: |
Aber wenn ich meinen Job nicht hätte, könnte ich mir
doch gar nichts leisten. Das geht halt alles von meiner Zeit ab. So
ist es eben. Und dann klappt's halt mit der Schule auch nicht mehr
ganz so optimal. Aber am schlimmsten ist es einfach in Deutsch. |
27 |
Frau Kunze: |
Du meinst, dass ich mit meinem Unterricht und dem
Stoff einfach auch stärker berücksichtigen müsste, dass du wegen
deines Jobs gar nicht so viel Zeit hast wie die anderen. |
28 |
Anita: |
Ja, irgendwie schon. Ist doch nicht meine Schuld. |
|
... |
|
(nach einer Anregung aus: Frauke Teegen, Aus dem Tritt
gekommen, Medienprojekt im Auftrag der Bayerischen Landesuniversitäten,
in: Crisand 1982, S.113)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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