Die Aborigines und die Zeit
In ihrer Erzählung
"Keine Uhr, kein Kalender" (1980, dt. 1995) schildert die australische
Ureinwohnerin Daisy Utemorrah (1922-1993) den Umgang der Aborigines in
Westaustralien mit der Zeit:
"Mein
Volk hatte weder eine Uhr, um die Zeit anzuzeigen, noch einen Kalender, um
die Jahreszeit oder den Monat anzusagen. Wir mussten durch genaues
Hinsehen die Zeit und die Jahreszeit erkennen. Als Jäger und Sammler zogen
wir von Ort zu Ort und mussten wissen, wo wahrscheinlich Nahrung zu finden
sein würde. Deshalb mussten wir auf die Zeichen achten, die uns den
Wechsel der Jahreszeiten anzeigten.
Wir beobachteten die Blätter und das Gras. Wenn sie ihre Farbe
veränderten, wussten wir, dass die Erntezeit herankam oder die kalte
Jahreszeit. Wenn die Blätter rot waren, wussten wir dass zu dieser Zeit
bestimmte Früchte reif wurden. Und wenn das Gras vertrocknete, war es an
der Zeit es abzubrennen, damit die Kängurus vor dem Feuer davonliefen und
unseren Männern entgegen, die mit ihren Speeren warteten.
Wenn sich die Wolken bei Sonnenuntergang formten wie Männer, die Seite an
Seite stehen, wussten wir, dass die Ernte gut sein würde. Wir würden
reichlich Yams, Beeren, Seerosen, wilden Honig und anderes mehr finden.
Diese Zeichen waren unser Kalender."
(in:
Yin 1995, S. 24)
Heutzutage
kann man die Zeit am Lauf der Gestirne oder auch mit »Atomuhren« genau messen.
Und nichts macht den Unterschied zwischen unserem modernen Zeitbegriff und
dem der Aborignes deutlicher als die Funkuhr am Armband.
Jedem von
uns steht pro Tag gleich viel davon zur Verfügung, genau 24 Stunden nämlich.
Doch auch wenn die Zeit damit etwas unbeeinflussbar Objektives hat, besitzt
sie auch eine subjektive Dimension. Manchmal meinen wir, dass die Zeit
rasend schnell vergeht, und ein andermal scheint es uns, als plätschere sie
so dahin oder sei sogar einfach stehen geblieben. In besonders glücklichen
Stunden wollen wir die Zeit einfach anhalten und in anderen geradezu
überspringen.
Wie wir unsere Zeit verwenden und wie wir unser Zeitbudget einteilen,
ist meistens unsere jeweils eigene Entscheidung. Und doch lassen sich
mittels statistischer Untersuchungen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei
der Zeitverwendung durch die Menschen zeigen.
In unserem Wirtschaftssystem mit seiner Konkurrenz von Anbietern ist Zeit
nicht nur ein wertvolles Gut, sondern stets auch ein Kostenfaktor. Wer Zeit
"verliert", bleibt auf der Strecke. Dass Zeit kostbar ist, erfahren aber
nicht nur Manager. Auch "Grundschüler bekommen eine Digitaluhr an ihr
kleines Handgelenk und Teenager brauchen einen Terminkalender, um ihre
vielen Verpflichtungen zu organisieren.
In der Arbeitszeit sind die Termine
dicht gedrängt und auch in der Freizeit muss immer »was los« sein", erklärt
Wolfgang Hauge (1994) und
fährt fort:
"Uhren sind allgegenwärtig: am Arm, an der Wand, auf öffentlichen Plätzen,
im Auto. Wir haben die Uhr schon verinnerlicht, sind unruhig, in Eile,
gehetzt. [...] Die Zeit ist uns so sehr in Fleisch und Blut übergegangen,
dass sie uns als etwas Natürliches erscheint. Wir sind mit einem
»Zeitgewissen« ausgestattet, wie Norbert Elias sagt. [...] Wir können uns
gar nicht mehr vorstellen, dass es Menschen gibt, die den immer wachen
Zwang, nach der Zeit zu fragen, nicht haben."
Die Analyse Hauges "Was also
ist die Zeit?" mündet denn auch in die Frage: "Gibt es überhaupt noch etwas,
was nicht der Zeit unterworfen ist?" Der Umgang mit der Zeit in modernen
Industriegesellschaften fördert naturgemäß derlei kultur- und
zivilisationskritische Einwände zu tage. Und mitunter wird auch von Kritiker
allzu engmaschiger Zeitbudgetverwaltung des einzelnen eingewendet, dass
damit nur "kunstlederner Mist", gemeint sind die handelsüblichen Zeitplaner
im Kunstledereinband, an den Mann gebracht werden soll. Denn mit "Einteilerei
und Vorausplanung" lasse sich eben keine Zeit gewinnen. "Zeit kann man", so
heißt es dann folgerichtig, "nur verlieren, es hat keinen Sinn, sich dagegen
zu wehren." (sterns gesammelte Entrüstungen, in: Westermann Monatshefte
1985).
Auch wenn man diesem Urteil in letzter Konsequenz nicht folgen mag, so ist
doch nicht zu übersehen, dass das Zeitmanagement selbst zu einem riesigen
Geschäft geworden ist. Längst sind Zeitplanungssysteme in Ringbuchform mit
unzähligen Ergänzungsblättern an die Stelle kleiner Kalender getreten und so
mancher, der "nur" seine privaten Termine "verwalten" muss, trägt sie
mittlerweile sowohl in ein solches Produkt wie auch sein elektronisches
Pendant (Pocket PC, Palm) ein, um sie dann letzten Endes mit MS Outlook auf
dem heimischen PC letzterhand zu "synchronisieren". Spezielle
Softwareprogramme tun dazu ihr Übriges, um den Drang des einzelnen nach
einem Zaubermittel im Umgang mit seiner stets subjektiv als zu knapp
empfundenen Zeit zu befriedigen.
Welche Strategien und Techniken man auch immer im Umgang mit seiner Zeit
verfolgt bzw. anwendet, hat es doch stets damit zu tun, wie man sein Leben
"organisiert". Damit ist Zeitmanagement eigentlich Selbstmanagement. Zu
diesem Selbstmanagement gehört es, eine Balance zwischen verschiedenen
Aspekten des Lebens in einer bestimmten Lebenssituation zu finden. Nur
wenn z. B. die physische und psychische Verfassung, die intellektuellen
Fähigkeiten, soziale Beziehungen und Arbeits-/Lern- bzw. Karriereziele im
Zusammenhang gesehen werden, kann der Weg über ein bewusstes Zeitmanagement,
zu einem beruflich wie privat mehr befriedigenden Umgang mit Zeit führen,
die einem am Ende Entlastung von Stress ebenso wie das Erreichen von
realistischen beruflichen oder privaten Zielen verheißt. Dabei gibt es auf
dem Weg zu einem effizienten Zeitmanagement natürlich auch Rückschläge, aber
die dabei auftretenden
Schwierigkeiten lassen sich meist nach einiger Zeit überwinden.
Und wenn es dann wieder einmal trotz akribischer Zeitplanung wiederum nicht
klappt, dann liegt es meist nicht so sehr an den verwendeten
Zeitplanungsinstrumenten als an "lieb gewordenen", erlernten
Verhaltensweisen und Einstellungen, die nur schrittweise im Zuge der
weiteren persönlichen Entwicklung überwunden werden können.
Der Weg zum besseren Zeitmanagement
Wer sich über seine Zeitverwendung und Zeiteinteilung ernsthaft Gedanken
machen will, tut dies unter anderem,
-
weil er/sie sich über einen längeren Zeitraum als überlastet empfindet
-
weil er/sie unter Stress gerät und unter Umständen körperliche
Symptome zeigt
-
weil er/sie in einem befristeten Zeitraum bestimmte Arbeits-, Lern-,
Berufs- oder Karriereziele erreichen will
-
weil er/sie sich andauernd "verzettelt"
-
weil er/sie bestimmte Aufgaben immer erst ganz kurz vor
Fristende anpackt.
Und natürlich gibt es noch viele Gründe mehr. Ehe man sich jedoch daran
macht, mit technischen Hilfsmitteln "aufzurüsten", um mit deren Hilfe
verschiedene
Methoden des Arbeits- und
Zeitmanagements wie das
Erkennen von Zielen, das
Setzen von Zielen oder die
konkrete Planung des Arbeitsprozess anzugehen, sollte man sich einmal
genauer mit seinem eigenen alltäglichen Zeitbudget befassen.
Der erste
Schritt ist dazu die Erstellung eines
persönlichen Zeitprotokolls,
mit dem Aktivitäten und Tätigkeiten über einen gewissen Zeitraum (meist eine
Woche) zunächst einmal akribisch festgehalten werden. Der dadurch gewonnenen
Daten werden dann mit verschiedenen Kategorien zu einem
persönlichen Zeitprofil
zusammengestellt. Dadurch gewinnt man wichtige Anhaltspunkte für die
künftige Zeitplanung und erhält Hinweise auf Schwachstellen im
Selbstmanagement.
Gert
Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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