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Es gibt verschiedene Ansätze, um Parteien als Typen voneinander zu
unterscheiden. Solche Typologien greifen stets bestimmte Eigenschaften heraus und
vernachlässigen andere, um so
genannte Idealtypen zu bestimmen. Solche Idealtypen entsprechen insofern
nicht dem kompletten Bild einer Partei in der Wirklichkeit. Sie dienen vor allem dazu,
Parteien unter Bezug auf den Idealtyp miteinander zu vergleichen. Historisch haben die Parteien in den westlichen Demokratien seit etwa
der Mitte des 19. Jahrhunderts in den verschieden Phasen
unterschiedliche Parteitypen ausgebildet, wobei die zeitlichen
Begrenzungen und Abgrenzungen eher Orientierungspunkte als genaue
Angaben darstellen (vgl.
Katz/Mair 1995, vgl.
Detterbeck
2011, S.91) So ist also immer wieder von längeren Übergangsphasen
auszugehen und auch davon, dass sich bei verschiedenen Parteien die
Parteitypen auch überlappen.
- Zwischen etwa 1850 und 1918, als sich das Massenwahlrecht
durchsetzte, bestimmten vor allem die
Honoratiorenparteien
oder
Kaderparteien das Bild. Die Elitenpartei,
wie man diesen Typ auch nennen kann (vgl.
Beyme 2000,
S.27, Saalfeld
2007, S.128), war eine
individuelle
Repräsentationspartei, in der die gewählten Abgeordneten das Sagen
hatten. Die Hauptaufgabe einer solchen Partei bestand darin,
Abgeordnete zu bestimmen, die die Interessen des Bürgertums im Parlament
vertraten, d. h. repräsentieren, sollten.
Sie werden in der Regel nur im Wahlkampf als Partei aktiv, um ihre
Kandidaten zu unterstützen. Eine feste und dauerhafte Parteiorganisation
war bis auf absolut notwendige Organisationseinheiten eher selten.
Meistens genügt der Honoratiorenpartei ein loser Verbund ihrer in Clubs
und sonstigen Vereinigungen organisierten Parteigänger, die meist zu den
"Honoratioren", also den ehrwürdigen und angesehenen Personen,
sprich Eliten, einer Stadt gehören
(Anwälte, Ärzte, Professoren, Bankherren, höhere Beamte etc.).
- Zwischen 1880 und 1960 ist zweite Phase der
Parteienentwicklung, die den Typ der
Massenpartei
hervorbrachte. Die klar ausgeprägte soziökonomische Konfliktlinie
zwischen Kapital und Lohnarbeit und die Erkämpfung des
Massenwahlrechts waren für die Entstehung dies neuartigen Parteityps
verantwortlich, dessen Höhepunkt in der Zeit zwischen den beiden
Weltkriegen lag. Zugleich verband sich mit diesem neuen Parteitypus
eine neue "demokratietheoretische Konzeption [...], das Modell der
repräsentativen Parteiendemokratie (party government)",
ein Konzept, das dafür sorgte, dass die gewählten Abgeordneten "als
Sprachrohre und Delegierte ihrer gesellschaftlichen Basis"
verstanden wurden. (Detterbeck
2011, S.94) In erster Linie waren es die Arbeiterparteien,
die möglichst viele Mitglieder aus den unteren sozialen Schichten in
ihren Reihen organisieren wollten. Die wachsende Zahl der Menschen ,
die in solche
Klassenparteien eintraten (Mitgliederpartei),
machten auch eine straffere Organisation notwendig. Man brauchte
hauptberufliche Funktionäre, die den
Parteiapparat mit straffer Disziplin leiteten und dafür sorgten,
dass die Mitglieder Beiträge bezahlten. Dazu sorgten sie dafür, dass die
Ziele der Partei in theoretisch fundierten Programmen (Programmpartei)
formuliert wurden.
- Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 trat die
Parteienentwicklung in ihre dritte Phase und bildete die
Volkspartei
als neuen Parteityps aus. In der Phase des Übergangs machten sich
auch bürgerliche Parteien durch Verbesserung ihrer festere
Organisationsstrukturen daran, Massenparteien zu werden, ohne es
diesen aber in anderen Punkten (Finanzierung, Mobilisierung der
Parteibasis, Dominanz des Parteiapparats gegenüber den Abgeordneten)
gleichzutun. Zugleich führten verschiedene Prozesse des →Strukturwandels
dazu, dass die zuvor vergleichsweise festgefügten sozialen Lager und
Sozialmilieus mehr und mehr in einen Auflösungsprozess gerieten. Und
auch das "Lagerdenken" selbst fand im politischen Diskurs nicht mehr
den gleichen Widerhall wie zuvor.
Den neu entstehenden Volksparteien (catch-all parties), die ihre
Anhänger, vor allem aber ihre Wählerinnen und Wähler in allen
gesellschaftlichen Schichten suchten, ging es vor allem darum,
möglichst viele Stimmen bei Wahlen zu erhalten. Dazu bedurfte es
eines Parteihandelns nach innen wie nach außen, das nicht auf
Konflikt gebürstet war, sondern den "pluralistischen
Interessenausgleich,[...] Proporz- und Kompromisslösungen" (Detterbeck
2011, S.95) anstrebte und sich dabei am liebsten konsensfähigen
Themen zuwandte.
Das neue Demokratieverständnis wies dabei den Volksparteien die
Aufgabe zu, "als Vermittler zu wirken und das politische
Führungspersonal zu rekrutieren, das sich im zwischenparteilichen
Wettbewerb dem Votum der Bürger" stellte. (ebd.)
(→Aufgaben der Parteien)
Der moderne Typ der Volkspartei lässt sich als
professionelle Wählerpartei
bezeichnen (vgl.
Panebianco
1988), der sich von der herkömmlichen Volkspartei, wie sie von
Otto
Kirchheimer (1965, S.32) beschrieben worden ist, vor allem durch
die professionellen Parteizentralen unterscheidet, in der statt der
alten Parteibürokratie akademisch ausgebildete Fachleute arbeiten.
Dadurch dass die Volksparteien aber nicht mehr so in den
verschiedenen Sozialmilieus verankert waren, verringerte sich auch
die Bindung von bestimmten Wählergruppen, auf die sich die Parteien
bei jeder Wahl verlassen konnten. Die daraus entstehende "latente
Fragilität der Volksparteien" (Detterbeck
2011, S.96) brachte diese Parteien zusehends in Schwierigkeiten,
deren Mitgliederzahlen seit etwa 1960 nicht in dem gleichen Maße
zunahmen wie die Wahlberechtigten und deren Einnahmen, die sich
ohnehin aus ganz unterschiedlichen Quellen speisten, die steil nach
oben weisenden Kosten einer auf Medienwirksamkeit orientierten
Parteiarbeit nicht mehr deckten.
- Nach 1970 vollzog sich daher der Übergang zur vierten Stufe der
Parteientwicklung. Auch wenn die gesellschaftliche Verankerung der
Parteien in den Jahrzehnten zuvor abgenommen hatte, stand die
Dominanz der relevanten Parteien in den Parlamenten eigentlich nie
in Frage. So gaben die Parteien im Staat also weiterhin den Ton an.
Um ihre Lage nachhaltig zu verbessern, lehnten sie sich aber fortan
noch stärker an den Staat an und schufen sich durch die staatliche
Parteienfinanzierung die materiellen Grundlagen ihrer weiteren
Existenz und anhaltenden Parteitätigkeit. So wurde auch der Prozess
der weiteren Abkoppelung der Volksparteien von ihrer ehemaligen
gesellschaftlichen Basis weiter verstärkt.
Der neue Parteitypus, der dabei entstand, wurde als
Kartellpartei bezeichnet. (vgl.
Katz/Mair 1995) In vielem gleichen sie den Volksparteien bzw.
professionalisierten Wählerparteien. Was die Kartellparteien, man
spricht hier besser im Plural, da nur mehrere Parteien gemeinsam ein
Kartell bilden können, auszeichnet, ist zunächst einmal ihre
Bereitschaft zu einer engen Kooperation, die einem Ziel dient,
nämlich der Absicherung der gemeinsamen Privilegien. "Sie treffen
dabei gemeinsam getragene Vereinbarungen, von der alle beteiligten
Parteien profitieren, und die zudem die neuen politischen
Herausforderer benachteiligen." (Detterbeck
2011, S.96) Dazu zählen u. a. die Regelungen zur
Wahlkampfkostenerstattung, kostenlose Sendezeiten in Rundfunk und
Fernsehen im Wahlkampf, Vorsitz in Parlamentsausschüssen usw.
Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass eine Reihe von
Annahmen der Kartelltheorie sich empirisch nicht belegen, z. T.
sogar widerlegen ließen. Insbesondere die Annahme, dass die
Regelungen, die das Parteienkartell bei der staatlichen
Parteienfinanzierung getroffen hat, nicht zur Exklusion von
Kleinparteien geführt hat, sondern stattdessen oft erst deren
Weiterexistenz ermöglicht hat, ist ein Beispiel dafür. Und, selbst
wenn die relevanten Parteien gemeinsame Interessen haben, können sie
doch in politischen Sachfragen im Wettstreit miteinander liegen, was
in der Konsequenz die Stimmabgabe bei Wahlen nicht zu einem reinen
symbolischen Akt werden lässt, da sie ja wieder bei den Parteien des
Kartells landet.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.08.2016
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