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Die Aufgaben der →Parteien im
politischen System der Bundesrepublik
Deutschland ergeben sich aus ihrem im →Grundgesetz
Artikel 21 festgeschriebenen verfassungsrechtlichen Status und den
im »Parteiengesetz
von 1967, neueste Fassung 22. Dez. 2015 niedergelegten Bestimmungen.
Grundgesetz und Parteiengesetz formulieren Idealziele
Das →Grundgesetz hält zu den Aufgaben der Parteien in
Artikel 21, Abs.
1 fest:
(1) Die
Parteien wirken bei der politischen Willensbildung
des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. [...]
Mit der ihnen vom Grundgesetz gewährten
Mitwirkungsgarantie nehmen
Parteien den Rang von
Verfassungsinstitutionen ein, ohne den Staatsorganen
(Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht) gleichgestellt zu sein.
Im »Parteiengesetz
von 1967, neueste Fassung 22. Dez. 2015 wird unter § 1 Abs. 2 zur
verfassungsrechtlichen Stellung und Aufgaben der Parteien ausgeführt:
Die Parteien wirken an der Bildung des
politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen
Lebens mit, indem sie insbesondere
-
auf die Gestaltung der
öffentlichen Meinung Einfluss nehmen,
-
die politische Bildung
anregen und vertiefen,
-
die aktive Teilnahme der
Bürger am politischen Leben fördern,
-
zur Übernahme
öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden,
-
sich durch Aufstellung
von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden
beteiligen,
-
auf die politische
Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen,
-
die von ihnen
erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen
Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung
zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen.
Die normativen Vorgaben des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes
formulieren natürlich Idealziele, die nichts darüber aussagen, wie die
Politik aussieht, welche die Parteien machen. Aber sie haben dennoch
einen großen Einfluss. So hängt z. B. von diesen Kriterien ab, ob eine
Gruppierung, die sich bei einer Bundestagswahl zur Wahl stellen will,
auch die erforderliche Wahlzulassung durch den Bundeswahlausschuss
erhält.
18 Aufgaben der Parteien
In der politikwissenschaftlichen Forschung gibt es eine Vielzahl von
Katalogen, die auflisten, welche Aufgaben Parteien im politischen System
der Bundesrepublik Deutschland haben.
So hat man aus der Analyse der
Parteienforschung der sechziger und siebziger Jahre des vorigen
Jahrhundert 18 verschiedene Funktionen herausgearbeitet (Wiesendahl
1980, S,188 zit. n.
Alemann 1994,
S.301):
-
"Elitenauslese,
-rekrutierung
-
Willensbildung, Programm,
Zielformulierung
-
Meinungsbildung,
Information, Kommunikation
-
Regierungsbildung, -steuerung
und -koordination
-
Stimmenwerbung,
Wahlbeteiligung und Wahlkampf
-
Interessenartikulation
und -repräsentation
-
Gruppenintegration
-
Interessenaggregation
-
Kandidatennominierung und
-präsentation
-
Erziehung und politische
Sozialisation
-
Massenmobilisierung und -organisation,
Partizipation
-
Propaganda, Mobilisierung
von Unterstützung
-
Legitimation,
Konsensbildung
-
Bindegliedfunktion
-
Interessenmediatisierung
und -transformation
-
Regierungskontrolle
-
Systemerhaltung
-
Systemreform und -innovation"
Hauptaufgaben von Parteien
Unter didaktischen
Gesichtspunkten betrachtet ist eine derart ausdifferenzierte Auflistung
unterschiedlicher Parteifunktionen sicher nicht empfehlenswert.
Drei
verschiedene Funktionskataloge, die sich für die Unterrichtsarbeit
eignen können, seien daher hier vorgestellt:
- Vier Funktionen (von Beyme)
-
Klaus von
Beyme (1984, S.25) unterscheidet 4 Funktionen von Parteien, die vor allem
die "»input-Funktionen« für das politische System" (Alemann
(1994, S.302) festhalten:
-
Vier Funktionen
(Decker)
Repräsentionsfunktion: Die
Parteien sind Ausdruck sozialer Kräfte und bilden diese entlang von
gesellschaftlichen Konfliktlinien ab. Um deren Interessen zu bündeln
und zu artikulieren formulieren sie Programme.
Steuerungsfunktion: Die
Parteien streben nach (Regierungs-)Macht und können unmittelbaren
Einfluss auf die staatliche Willensbildung und Entscheidungen
nehmen. Die Parteienkonkurrenz bringt dabei politische Innovationen
hervor.
Legitimationsfunktion: Die
Parteien verkörpern das allgemeine Demokratieprinzip und zugleich
dessen plebiszitäre Komponente. Indem sie sich bemühen, Bürgerinnen
und Bürger für eine politische Beteiligung zu gewinnen und Bürger
für ihre Ziele mobilisieren, sorgen sie für die Integration des
Gemeinwesens.
Sozialisationsfunktion: Die Parteien suchen das zukünftige
politische Führungspersonal aus und bilden es so aus, dass es in der
Lage ist, politische Führungsämter auf allen Ebenen zu übernehmen.
Aber: Sie arbeiten auch als "Karrierevehikel" in eigener Sache.
(vgl. ebd.)
-
Sieben Funktionen
(Alemann)
-
Ulrich von
Alemann
(1994, S.302ff.) geht von insgesamt 7 Funktionen aus (s.
Abb.), die
Parteien und Verbände erfüllen, wobei die
Legitimationsfunktion bei den Parteien und die
Selbstregulierungsfunktion bei den Verbänden dominiere:
-
Parteien bieten ihren
Mitgliedern Raum, sich zu politisch zu beteiligen (Partizipation).
Wer in einer Partei aktiv ist, kann dabei mitwirken, wie
bestimmte Interessen in Programme, konkrete Ziele und Aktionen
umgesetzt werden sollen und kann bei der Aufstellung bestimmter
Kandidaten nicht nur mitreden, sondern auch mitentscheiden.
-
Parteien sorgen
dafür, dass die Interessen, die sie sich jeweils zu eigen
machen, in politisches Handeln umgesetzt werden (Transmission).
Sie bündeln wirtschaftliche, soziale, ökologische,
gesellschaftspolitische und ideelle Ziele so (Aggregation),
dass daraus im Wettstreit mit konkurrierenden Parteien
unterschiedliche Ansätze zur Problemlösung und entsprechend
unterschiedliche Handlungsalternativen, die zu politischen
Entscheidungen führen.
-
Auch wenn die
Parteien nicht allein dafür sorgen können, dass geeignete
Parteipersonen die Spitzenämter im politischen System besetzen (Selektion),
bestimmen sie doch weitgehend allein über die Nominierung
Mandatsträgern, die das jeweilige Personal einer Regierung
anbelangt (z. B. bei der Besetzung von Ministerposten usw.)
-
Parteien tragen dazu
bei, dass einander widerstrebende Interessen verschiedener
sozioökonomischer Gruppen, die ein Kennzeichen jeder offenen,
pluralistischen Gesellschaft sind, miteinander verbunden werden
können. (Integration)
-
Angesichts der
Tatsache, dass in den Parteien selbst nur ein recht geringer
Teil der Mitglieder politisch aktiv ist, macht deutlich, dass
der Einfluss der Parteien auf die politische Sozialisation der
Gesamtbevölkerung eher als gering einzuschätzen ist. Dennoch:
Wer in einer Partei aktiv ist "lernt Politik von der Pike auf:
Anträge formulieren, Versammlungen leiten, Personalpakete
schnüren, Verhandlungen führen [...] lernt durch die Praxis der
Organisation, aber auch durch die Schulungsmöglichkeiten, die
die Parteien selbst und ihre assoziierten Stiftungen anbieten."
(ebd.,
S.308)
-
Wenn die Parteien
ihre Aufgaben bei Partizipation, Transmission, Selektion und
Integration wirklich erfüllen, tragen sie dazu bei, dass das
politische System als Ganzes funktioniert und in den Augen der
Bürgerinnen und Bürger als dem Gemeinwohl zuträglich angesehen
wird (Legitimation). Insofern
können die Parteien zur Systemstabilisierung bei erfolgreicher
Funktionserfüllung beträchtlich zur Systemstabilisierung
beitragen.
-
Parteien sind in der
Regel sehr komplexe Organisationen. Sie haben eigene
"Vorfeldorganisationen, Parteistiftungen,
Wirtschaftsunternehmen, Kulturvereine und Beratungsgremien, die
einen großen Teil ihrer Zeit der Eigenbeschäftigung widmen." (ebd.,
S.310) Sie können zwar bestimmte gesellschaftliche Probleme
nicht in Eigenregie und relativer Autonomie gegenüber dem Staat
lösen, wie dies z. B. bestimmte Wohlfahrtsverbände oder
Institutionen der beruflichen Selbstverwaltung wie z. B. die
Ärztekammer oder die Industrie- und Handelskammern. Insofern
haben sie keine ausgeprägten politisch-gesellschaftliche
Aufgabenbereiche, die sie selbst regulieren können, aber sie
agieren zumindest "selbstreflexiv". Sie befassen sich, salopp
ausgedrückt, häufig mehr mit sich, unterschiedlichen Strömungen
und Flügeln in der eigenen Partei, als mit dem jeweiligen
politischen Gegner. (Selbstregulation)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.08.2016
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