Online-Petitionen haben Konjunktur. Etliche Plattformen von
Bürgerbewegungen, Aktivisten-netzwerken, Non-Profit-Organisationen bis hin
zu E-Petitionsportalen von Parlamenten machen mit unterschiedlicher
Reichweite (national, international) haben den Weg freigemacht die neue Form
politischer Partizipation und konkurrieren mit ihren unterschiedlichen
Zusatzangeboten um Aufmerksamkeit der Internetnutzer, auch in Deutschland.Jeder Mann oder jede Frau, jedes Kind, Deutsche und Menschen anderer
Herkunft, selbst dann wenn sie nicht in Deutschland leben, kurz und gut:
wirklich jedermann, gleich welcher Staatsangehörigkeit, darf sich in
Deutschland mit seinem/ihrem Anliegen, direkt an
den Deutschen Bundestag wenden. Wenn man sich über etwas aufregt, man sich
über etwas beschweren will oder nur einen Verbesserungsvorschlag machen
will, eine Einzelpetition solchen Inhalts direkt an die Volksvertretung zu
richten (Legislativpetition), ist Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürger (GG Art. 17) in
Deutschland. Eine Petition (lat., Bittschrift. Gesuch, Eingabe) kann sich
dabei auf einen politischen Sachverhalt beziehen, es kann aber auch darum
gehen, dass sich jemand von einer Behörde ungerecht behandelt fühlt.
Meistens hat ein Petent, wie man die Person nennt, die eine Petition stellt,
auf anderen Wegen, oft mit vielen Enttäuschungen, versucht, sein Problem zu
lösen. Wichtig: Die Inanspruchnahme des Petitionsrechts darf sich dabei auf
den Petenten nicht nachteilig auswirken.
Hat man seine Petition an den »Deutschen Bundestag
adressiert (auch auf der Länderebene und auf »europäischer
Ebene möglich), landet sie beim so genannten »Petitionsausschuss,
dessen 28 Mitglieder nach dem Verhältnis der Sitze der Parteien im Bundestag
von den jeweiligen Fraktionen in den Ausschuss entsendet werden. Der
Petitionsausschuss ist verpflichtet, die Eingaben (Petitionen)
entgegenzunehmen. Das bedeutet allerdings nicht,
dass das darin formulierte Anliegen auch von den Mitgliedern dieses Gremiums
mündlich erörtert wird. Hier handelt der Ausschuss von Fall zu Fall, wenn es
sich um eine Einzelpetition handelt, oder macht sein Vorgehen bei einer
öffentlichen Petition davon abhängig, wie viele Personen in welchem Zeitraum
eine Petition mitunterzeichnet haben (z.B. Online-Petition). Grundsätzlich
gilt, dass eine Petition in Schriftform aufgesetzt und ihren Verfasser auch
namentlich aufführen muss. Ist sie soweit formal korrekt, muss sie zwar
beschieden werden, aber ohne dass dafür eine Begründung gegeben werden muss.
Nimmt sich der Petitionsausschuss einem Anliegen an und hält es für
berechtigt, kann er die zuständigen Behörden zu einer Stellungnahme zwingen.
Weisungen kann er ihnen allerdings nicht erteilen. Aus diesem Grunde treffen
Petitionsbescheide auch in einem vorliegenden Fall keine verbindlichen
Entscheidungen und stellen auch keine Verwaltungsakte dar.
Seit dem Jahr 2005 hat die E-Demokratie mit ihren digitalen Möglichkeiten
und Plattformen im Internet (Wikis, Blogs, sozialen Netzwerken etc.) auch
den Deutschen Bundestag erreicht. Seitdem können Petitionen auch online
eingereicht werden. Voraussetzung dafür: Petitionen müssen nicht mehr, wie
früher gefordert, handschriftlich unterzeichnet sein.
Neu ist seitdem auch die Möglichkeit, öffentliche Petitionen
einzureichen. Solche Petitionen, für deren Einreichung man sich – mit
E-Mail-Adresse und Postadresse - registrieren muss, müssen verschiedenen
Kriterien entsprechen, wenn sie veröffentlicht werden wollen. So muss das
Anliegen neben anderen Aspekten z. B. von allgemeinem Interesse sein, darf
sich weder als Ganzes noch in Teilen nicht erkennbar auf Personen beziehen,
darf nicht gegen die Menschenwürde verstoßen und darf auch keine
offensichtlich falschen, entstellenden oder beleidigenden Meinungsäußerungen
enthalten. (vgl. »Richtlinien
für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (pdf)
Sind diese Kriterien erfüllt und stehen einer Veröffentlichung nicht
weitere Hindernisgründe entgegen (z.B. eine Belastung des sozialen Friedens,
der internationalen Beziehungen oder des interkulturellen Dialogs), wird sie nach einer etwa dreiwöchigen
Prüfung durch den Ausschussdienst, der den Petitionsausschuss in seiner
Arbeit unterstützt, zugelassen und veröffentlicht. Mit dem Zeitpunkt der Zulassung gilt
dann eine Frist von 6 Wochen, während der der Petitionstext online gestellt
wird. Während dieses Zeitraums kann die Petition von allen unter Angabe
ihres Namens unterzeichnet werden. Misst man den "Erfolg" einer
Online-Petition daran, dass die Petenten vom Petitionsausschuss des
Bundestags eingeladen und angehört werden, muss die Online-Petition in den
ersten vier Wochen nach ihrer Einreichung bzw. Freischaltung 50.000
Unterstützer gefunden haben. So geschieht dies aber nur im Regelfall. Denn
selbst bei Erreichen des Quorums können sich die Abgeordneten des
Petitionsausschusses mit einer Zweidrittel-Mehrheit gegen die Beratung einer
Petition in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Genauso ist es auch
möglich, dass eine Petition öffentlich beraten wird, obwohl sie das nötige
Quorum nicht erreicht hat. Maßgeblich ist letztlich stets der Inhalt der
Petition. Die Grenze von 50.000 Unterstützern in der Vier-Wochen-Frist
erreichen allerdings nur sehr wenige Petitionen. Dafür genügt schon ein
Blick in das »Petitionsforum des E-Petitionen-Portals des Deutschen Bundestags.
Was verleitet Bürgerinnen und Bürger dazu, sich mit einer Online-Petition
an den Bundestag zu wenden, dessen Petitionsausschuss offenbar ein zentrales
Element der E-Demokratie (Richter/Bürger 2014, S.255) geworden ist? Warum
zeichnen immer mehr von ihnen online die darin ausgedrückten Anliegen?
Natürlich hat es auch mit
Clicktivism zu tun, mit der Offerte der sozialen Medien, die auch in
diese früher "abgeschirmten" Partizipationspfade politischer Willensbildung
eindringen, mit einem Mausklick eine Sache zu unterstützen. Und ebenso sind
Online-Petitionen Formen der Vergesellschaftung, liefern Kitt für den
Zusammenhalt der Menschen. Diese schließen sich zusammen und entwickeln ein
Zusammengehörigkeitsgefühl, das in unserer individualisierten Gesellschaft
jeder für sich immer wieder neu herstellen muss. Offensichtlich erhoffen
sich die Petenten aber vor allem, dass ihr Anliegen auf die öffentliche
Agenda gesetzt wird, dass es Aufmerksamkeit erregt und sie sich auf diese
Weise aktiv in den Prozess der politischen Willensbildung einbringen können.
Indem sie den Petitionsausschuss als „Kummerkasten der Nation“ verstehen,
machen sie diesen auch zu einem Seismografen, der Meinungen und Stimmungen
in der Bevölkerung aufzeichnet. Online-Petitionen geben ihnen die Chance,
sich öffentlich zu artikulieren und wenn, wie im Fall des E-Petitionsportals
des Deutschen Bundestags, auch noch die Möglichkeit besteht, im User-Forum
„Diskussionszweige“ mit anderen sprießen zu lassen, öffnet sich ein weiterer
Aktions- und Kommunikationsraum zivilgesellschaftlicher Beteiligung und
sozialer Vernetzung. Die kommunikativen und partizipativen Angebote, die
auch das E-Petitionsportal des Deutschen Bundestages enthält (Forum und die
Möglichkeit mit einem oder den Petenten per E-Mail Kontakt aufzunehmen) sind
dazu richtige Schritte, um die Online-Petitionen dabei zu stärken, einen
vorhandenen Diskurs über ein bestimmtes Thema in Gang zu bringen, zu
begleiten oder zu fördern. Und: Wer eine öffentliche Petition einstellen
lässt, wirbt damit, ob ihr Anliegen zur parlamentarischen Anhörung kommt
oder nicht, für seine Sache, aktiviert und mobilisiert andere, es ihm
gleichzutun. Und am Ende bekommt die Petenten auch noch eine Vielzahl
anderer Daten zur Auswertung, an denen sie das erreichte Ergebnis mit ihren
Erwartungen abgleichen und Erfolg oder Misserfolg ihrer u. U. auch
andernorts verfolgten Cross-Media-Marketing-Strategie messen können.
Doch nicht nur staatliche Petitionsportale, die Petitionen im Sinne des
Grundgesetz-Artikels 17 aufnehmen und der Prüfung und Weiterbearbeitung
zuführen, betreiben das "Geschäft" mit Petitionen. Inzwischen gibt es eine
ganze Reihe von Online-Petitionsportalen im Internet, die ihren Nutzern
bestimmte Partizipationspfade anbieten. Sie bieten z. B. über die Zeichnung
einer Petition hinaus E-Mails und Newsletter an und unterstützen die
Petenten mit ihrem Braintrust, dem in Blogs und Wikis dafür gesammelten
Wissen. Zudem bieten sie auch die Möglichkeit, sich international zu
vernetzen und schaffen damit eine transnationale zivilgesellschaftliche
Öffentlichkeit. Angesichts der globalen Probleme der Menschheit eine
Möglichkeit also, sich in Europa mit den Klimaflüchtlingen aus Ozeanien zu
vernetzen und gemeinsam die Stimme für den Klimaschutz zu erheben.
So oder so: Online-Petitionsplattformen wie die des Deutschen Bundestags oder die
privater Betreiber wie z. B. »Aavaz.org,
»Campact.de, »Change.Org,
»MoveOn.org
oder »OpenPetition.org
können herkömmliche Formen der politischen Partizipation
nicht ersetzen und sie tun es offensichtlich auch nicht. Wer sich öfters an
Online-Petitionen beteiligt, legt sich nämlich keineswegs auf die faule
Haut, wenn andere sich in Parteien engagieren, Bürgerinitiativen gründen,
Info-Stände machen oder an Demonstrationen teilnehmen. Im Gegenteil, wer
sich online politisch betätigt, das haben Studien ergeben, der ist auch mit
einer nahezu doppelt so großen Wahrscheinlichkeit bei solchen
offline-Aktionen dabei. Dieses Ergebnis ist auch ein gutes Gegenargument für
die immer wiederkehrende Behauptung, dass Online-Petenten sich vor allem das
Gefühl verschaffen wollen, etwas Gutes zu tun (»Slacktivism), das man sonst
gerne mit einer politischen Botschaft auf der eigenen Kleidung, mit der
Beteiligung am Boykott einer bestimmten Supermarkt-Kette oder eines
Versandunternehmens zur Schau trägt, auch wenn man weiß, dass das so gut wie
keinen Einfluss darauf hat, was in der Politik passiert.
Noch freilich steht der Beweis aus, dass dies der wachsenden Zahl von
Online-Petitionen wirklich besser gelingt. Schließlich ist dafür auch
politisches Interesse nötig, das vielen Menschen in unserer Gesellschaft
abhanden gekommen ist. Trotzdem: Ein Zeichen dafür, was die Menschen bewegt, sind
sie allemal und auch eine Chance ihren Nutzern einen breiten und leicht
begehbaren Weg zur politischen Partizipation im Zeitalter des Mitmachwebs
anzubieten. Parteien und Politiker sollten jedenfalls ein Auge darauf haben.
(Quellen:
-
Saskia Richter und Tobias
Bürger (2014): E-Petitionen als Form politischer Partizipation. Welchen
Nutzen generieren digitale Petitions-Plattformen?, in: Der Bürger im
Staat, 44. Jg., 4(2014), S.252-258
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle 2011, zuletzt neu bearbeitet am:
30.12.2023