▪ Literarische Motive und
literarische Symbole
▪
Vanitas-Lyrik des
Barock
▪ Didaktische und
methodische Aspekte
▪ Überblick
▪
Textauswahl
▪
Bausteine
▪
Baustein: Vanitas in Stillleben und Porträts
Das
▪
Vanitas-Motiv war vor allem in der
▪
frühen
Neuzeit (Renaissance und Humanismus) (1300-1600) und im
▪
Barock (1620-1700)
weit verbreitetes
▪
Motiv in der Literatur und der
Bildenden Kunst.
In der weltlichen Lyrik des Barock macht eine Gruppe von Texten, die man
als
▪
Vanitas-Lyrik
bezeichnen kann, Vergänglichkeit zu ihrem Hauptthema und variiert "in vielfältiger Gestalt den
Grundgedanken der Vergänglichkeit allen Irdischen" (Mauser 1982,
S.242).
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Vergänglichkeit ist überhaupt ein zentrales Thema der Barockzeit und
entspricht nach Ansicht vieler in ganz besonderer Weise dem barocken
Lebensgefühl, das wiederum Ausdruck der besonderen Bedingungen der von
Kriegen und Nöten heimgesuchten Zeit ist.
Die Vanitas-Idee, so wird immer wieder betont, entspräche eins
zu eins dem Lebensgefühl des barocken Menschen und damit gut.
Doch wer genauer hinsieht, wird erkennen, dass solche Analogien und ihre
Verallgemeinerung deutlich zu kurz greifen.
Ob ein allgemeines barockes Lebensgefühl wirklich zureichend damit
beschrieben werden kann, dass man es auf den gemeinsamen Nenner zwingt, es
sei ein Oszillieren ▪
zwischen allseits
bedrohtem Leben und einer Gier nach Lebensgenuss gewesen und sei nur in
seiner zeittypischen besonderen ▪
bipolaren
Spannung zwischen der Gewissheit des eigenen Todes (vanitas, memento
mopri) und dem Streben danach, das Leben bis zuletzt auszukosten und zu
genießen (carpe diem), zu begreifen, ist zumindest zweifelhaft. Auch wenn es
so etwas wie das Lebensgefühl einer Zeit schlicht nicht gibt, lädt der in
vielem so fremd daherkommende ▪
Barock und
insbesondere die Vanitas-Lyrik geradezu dazu ein, sie als unmittelbaren
Reflex auf die besonderen ▪
gesellschaftlichen, politischen, religiösen und kulturellen
Rahmenbedingungen der Zeit zu deuten.
Das Leben der meisten Menschen in der frühen Neuzeit war, verglichen mit
unserer heutigen durchschnittlichen Lebenserwartung, ziemlich kurz. Wer das
vierzigste Lebensjahrzehnt erreichte, konnte eigentlich schon ganz zufrieden
mit sich und der Welt sein. Noch im 17. Jahrhundert hatte ein neugeborenes
Kind, vor allem wegen der immens hohen Kindersterblichkeit, gerade mal die
(statistische) Aussicht auf 30 Lebensjahre, wenn nicht Kriege, Missernten,
Naturkatastrophen und Seuchen seinem Leben schon vorher ein Ende setzten.
Das Leben war von vielen Seiten bedroht: Kriege im Großen wie im Kleinen,
besonders die furchtbaren Ereignisse des ▪
Dreißigjährigen Krieges (1618-48) und seiner verheerenden Folgen prägten
das Leben mehrerer Generationen. Dazu kamen Hungersnöte und die andauernde
Plage von Seuchen wie der Cholera und der Pest, die ganze Landstriche und
Städte entvölkert haben. All das und anderes mehr führte einem vor Augen,
wie unsicher das menschliche Dasein war. In einem Leben, das jeden Tag von allen
Seiten bedroht ist, steht den Menschen in besonderer Weise vor Augen, dass
ihr Leben vergänglich ist und nicht so sicher ist wie der Tod.
In der Lehre von den letzten Dingen am Ende aller Tage, der christlichen
Eschatologie, schien dabei der Schlüssel dafür zu liegen, dem "irdischen
Jammertal", wie es die meisten erlebten, einen Sinn zu geben. Die Erfahrung,
dass alles vergänglich ist, um am Ende vor dem »göttlichen
Endgericht (Jüngstes Gericht), alles Vergängliche (Leib, Ruhm, Reichtum
...) hinter sich zu lassen und als Lohn für ein gottesfürchtiges Leben
oder nur als einen göttlichen Gnadenakt das "ewige Leben" zu erlangen,
machte das irdische Dasein lediglich zu einer vergleichweise kurzen
Durchgangsstation zwischen "ewiger" Verdammnis (Hölle) und "ewigem
Seelenheil" (Himmel).
Dieser »eschatologische
Daseinsbezug hat das Leben der Menschen unter seinen religiösen Vorzeichen
im christlichen Abendland vom Mittelalter bis hin zur Neuzeit entscheidend
geprägt.
Im christlichen Konzept von Vergänglichkeit fügt sichvieles zusammen. Dazu gehört auch, dass man zumindest von unserer heutigen Warte aus sieht, welchen
Beitrag gerade die Vanitas-Idee zur Aufrechterhaltung extrem auseinander
gehender sozialer Lebensverhältnisse geleistet hat. Sie hat den Mächtigen
(Adel, Fürsten, Kirche etc.) geholfen, ihre Herrschaft über die Menschen zu
stabilisieren.
Vanitas-Gedichte, aber auch viele Darstellungen der Bildenden Kunst, machen diesen eschatologischen Daseinsbezug des irdischen
Lebens als einer Art Durchgangsstation, bis am Jüngsten Gericht
"abgerechnet" wird, zum Thema und bewerten unter dieser Perspektive, was
sich auf der Erde, im Leben vieler oder einzelner Menschen abspielt, was
ihnen im irdischen Leben wichtig und wert erscheint.
Als Motiv der
Vergänglichkeit (Vanitas) taucht dieser Gedanke immer wieder auf und wird
mit unterschiedlichen sprachlichen und bildlichen Symbolen in Texten und
Bildern umgesetzt.
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In den weit verbreiteten
»Vanitas-Stillleben, mit denen die Reichen und Mächtigen der Zeit ihre
eigens für Bilder geschaffenen Galerien ausstaffierten oder die Bilder an
den Wänden ihrer der Repräsentation dienenden Prunkräume aufhängen ließen,
wurde das Thema mit ▪
unterschiedlichen Symbolen immer wieder gestaltet.
Dass es in einer Sammlung, die überwiegend dazu diente, andere zu
beeindrucken und wie mit allem anderen Prunk und Pomp Macht und ihre
Unantastbarbeit zu demonstrieren, auf die Mahnung ankam, die die
Vanitas-Idee auch den Mächtigen die irdische Begrenztheit ihrer Stellung vor
Augen führte, dürfte dabei sicher zweitrangig gewesen sein.
Natürlich gibt es auch
»Vanitas-Stillleben, die das Motiv ganz in den Vordergrund rücken, z. B. wie in
der nachfolgenden Anhäufung von Totenschädeln in dem Vanitas-Stillleben von
Aelbert Jansz. van der Schoor (1603-1672). Dass solche Bilder nicht
unbedingt zum ästhetischen Spiel einluden, versteht sich. Welchen Gebrauch
man allerdings von ihnen machte, hing in hohem Maße davon ab, in welchen
Kontexten sie rezipiert wurden.
Auch für Vanitas-Motive gilt: Vergänglichkeit ist keine Objekteigenschaft,
sondern ein Dingen zugeschriebenes Konzept, das sich in verschiedenen Zeiten
und Kulturen unterschiedlich ausgeprägt hat und auch im Wandel der Zeiten
auch immer wieder unterschiedlich wichtig genommen worden ist.
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In Porträts und Selbstbildnissen des Barock tauchen Vanitas-Motive immer
wieder auf. Sie gehörten offenbar auch einfach zur Selbstdarstellung auf
einem bestimmten Bildungsniveau dazu.
Dass das Vanitas-Motiv darüber hinaus auch zur Kultivierung eines "Bekümmertseins"
gehörte, das einfach zeitgemäß war und in der Öffentlichkeit, für die solche
Gedichte und Bilder geschrieben oder gemalt und in der sie in höfischer oder
gebildeter bürgerlicher Gesellschaft rezipiert worden sind, gepflegt wurde,
ist zudem ein wichtiger Aspekt. Er verweist nämlich darauf, wie die
höfisch-adelige und die gelehrt-bürgerliche Gesellschaft mit der fast
ausufernden Vanitas-Symbolik umgegangen ist. Mit einem zur
gesellschaftlichen Attitüde tendierenden "Bekümmertsein" kann damit die
eigentliche "düstere" eschatologische Botschaft "konsumiert" und im
gesellschaftlichen Umgang miteinander kommunizierbar gemacht werden.
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Eitel und vergänglich ist in den Augen von Menschen in der frühen Neuzeit
das Irdische im Grunde nur, weil es vor der Ewigkeit dem göttlichen
Endgericht keine Rolle spielt, welchen Rang man im irdischen Leben
eingenommen hat, welche Güter man angehäuft hat und wo man gewesen ist und
was man von der Welt gesehen hat. Die Erkenntnis dieser christlichen
Wahrheit und der heilsgeschichtlichen Erwartung, dass dies alles im Himmel
und in der Hölle am Ende aller Tage keine Rolle spielen wird, ist zumindest
eine Aussicht, die einen gottesfürchtigen und gläubigen Menschen früher und
heute zuversichtlich stimmen kann, das irdische Leben mit seinen
Herausforderungen aller Schwierigkeiten und Probleme zum Trotz so zu
meistern, dass ihm am Ende das ewige Leben zuteil wird.
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Vanitas-Lyrik des
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Baustein: Vanitas in Stillleben und Porträts
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
05.11.2024