Der Begriff der ▪ dramatischen Rede
geht ursprünglich auf das schon von dem griechischen Philosophen
»Platon
(428/427 - 348/347 c. Chr.) in seinem Werk »Politeia
zur Unterscheidung von Bericht und Darstellung herangezogene,
sogenannte "Redekriterium" zurück. Dieses bestimmte, ob in einem
Werk der Dichtung der Autor selbst spricht oder er die von ihm
geschaffenen Figuren zu Wort kommen lässt. (vgl.
Pfister 1977, S.19) Das Redekriterium diente daher auch zur
Unterscheidung von dramatischen und erzählenden Texten, da bei
jene durchgehend darstellend seien, der Dichter also an keiner
Stelle selbst spreche. Und für lyrische Texte bedeutete es, dass
sich darin "nur der Autor selber und in der Epik die Figuren (in
Form der wörtlichen Rede) und der Autor gleichermaßen" (Asmuth
62004, S.9) artikulieren konnten.
Diese Auffassungen gelten heute in der Literaturwissenschaft als
überholt und daher hat man wohl auch in der Dramentheorie von
dem Begriff der dramatischen Rede etwas Abstand genommen. Der ▪
plurimediale Charakter des dramatischen
Textes scheint dem Begriff in gewisser Weise den Boden des
sogenannten "Redekriteriums" mit den oben genannten
Implikationen zu entziehen. Dennoch sieht
Pfister (1977, S.20), der den Begriff selbst gebraucht (z.
B.
ebd., S.149), den Wert von Platons Redekriterium darin, die
grundsätzliche "Bedeutung dieses kategorialen Unterschieds in
der Sprechsituation" (ebd.,
S.20) erkannt zu haben, von der er selbst, bei aller
differenzierteren Betrachtung der Phänomene im Einzelfall, auch
bei seinem ▪ Modell der dramatischen
Kommunikation ausgeht. Zugleich weist er auch darauf hin,
dass die dramatische Rede mit der normalsprachlichen
Rede
in einem Alltagsgespräch bei allen Unterschieden, die sie
ansonsten auszeichnen, das Moment der raumzeitlichen situativen
Gebundenheit teilt, das sich "von der mehr oder weniger stark
ausgeprägten Situationsabstraktheit narrativer und
expositorischer Rede (absetzt)". (ebd.,
S.149)
Die dramatische Rede bezeichnet hier die Figurenrede im Drama
(Dialog mit seine Repliken und den Monolog), die, als
Sprechakt
betrachtet, "jeweils ihre eigene Sprechsituation
(konstituiert)." (ebd.,
S.149)
Sie ist ▪
Sprech-/Sprachhandeln (▪
Ausdrucks- und Inhaltshandlungen) und im Sinne der ▪
Sprechakt-Theorie
auch ohne Verwendung ▪
explizit performativer Formeln und Verben immer
performatives Sprechen, d. h. im Sprechen wird stets eine
bestimmte Handlung vollzogen: Eine Figur befiehlt oder gesteht
etwas, gibt ein Versprechen oder bedankt sich, stößt eine
Bedrohung aus oder warnt jemanden vor etwas, sagt etwas voraus
etc.
Allerdings werden, das ist wiederum eine Folge des ▪
plurimedialen Charakters
dramatischer Texte, über die verschiedenen ▪
Codes und Kanäle der dramatischen Kommunikation
auch Handlungen im Drama nicht sprechhandelnd vollzogen, wenn
bestimmte Aktionen im stummen mimisch-gestischen Spiel (z. B.
bei Umarmungen, Raufereien, Drohgesten oder Mordtaten u. dergl.)
dargeboten werden, wobei diese Aktionen meistens "von den
Sprechhandlungen der Planung, Absichtserklärung, Begründung oder
Rechtfertigung begleitet (werden)." (ebd.,
S.169)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
03.09.2023