▪
Theaterformen im Überblick
Das griechische Theater war auch in
Gestalt seiner ▪ Tragödien
nie darauf aus, ein illusionierendes Bühnenbild zu erzeugen.
Bühnenbilder, wie sie heute für jede Theaterinszenierung von
außerordentlicher Bedeutung sind, gab es im griechischen Theater
nicht.
Stattdessen nutzte man die verschiedenen architektonisch
geschaffenen Räume.
-
Die kreisrunde oder halbkreisförmige
Orchestra fungierte als Auftrittsbereich des
Chores, der den Raum durch die beiden seitlich gelegenen
mächtigen Parodostore betrat und
durch sie die Orchestra auch verließ.
-
Das fest eingebaute
Ensemble von Skene mit
Proskenium, einer langgestreckten Halle von geringer
Tiefe, wo durch die in die Front des Skenengebäude eingelassenen
drei Tore die Schauspieler auf ihren Auftrittsplatz (Logeion)
traten, war gegenüber der Orchestra nur leicht erhöht. (In
späterer Zeit spielten sie auch auf dem Dach des Skenengebäudes).
Und auch die Sprechweise der Schauspieler war alles andere
als "natürlich". In dem weiten Rund der monumentalen Theater
waren die meisten Zuschauer wohl ohnehin nur zum Zu-schauen
verdammt, das Zu-hören jedenfalls dürfte den meisten doch
ziemlich weit von der Bühne entfernten Zuschauern eher schwer
gefallen sein, auch wenn die Schauspieler, was sie äußerten,
deklamierten und der Chor seine Gesänge anstimmte. Vorführungen
in diesen Theatern blieben daher wohl für viele Zuschauer reine
"Schau-Ereignise" (Brauneck
2012, S.29).
Die griechische Tragödie führte keine Innenraumszenen vor. Wo
das dargestellte Geschehen sich ereignete, wurde sprachlich
vermittelt und in der Tragödie spielten sich unzählige
Ereignisse ohnehin "vor dem Palasttor" ab. Über das,
was irgendwo drinnen
geschah, wurde ebenso berichtet, wie über militärische
Schlachten, die sich außerhalb des zur Darstellung Gebrachten
ereigneten, was mit "Mauerschau"
(Teichoskopie) und "Botenbericht"
in das dramatische Geschehen sprachlich hereingeholt wurde.
Trotzdem kannte das ansonsten sehr puristisch inszenierte
griechische Drama auch eine Art von "special effects", die sich
mit der bühnentechnischen Ausstattung der Zeit realisieren
ließen.
-
So fuhr man
eine Plattform auf Rollen (Ekkyklema) mitunter aus dem
mittleren Tor des Skenengebäudes für überraschende, oft und
nur für kürzere Momente auf die Bühne, "damit
Ereignisse, zumeist mörderischer Handlungen, die im
Innenraum stattgefunden hatten,
tableauartig
dem Publikum vorgeführt" (ebd.)
werden konnten. So werden mit der Ekkyklema Leichen
enthüllt, wie z. B. in der Tragödie »Der
bekränzte Hippolytos (428 v. Chr.) von
Euripides
(480-406 v. Chr.), wo damit gezeigt wird, wie der Titelheld
in der letzten Szene stirbt. Und auch in der Tragödie »Antigone
(442 v. Chr.) von »Sophokles
(497/496 - 406/405 v. Chr.) wird die Leiche Haimons in der
Schlussszene (Exodos) auf diese Weise dem Publikum
präsentiert.
-
Mit Hilfe
eines hölzernen Krans (Mechane), der wie eine Art
Flugmaschine verwendet wurde, konnten Götter "eingeflogen"
werden oder auch Abgänge sehr effektvoll inszeniert werden.
In dem lateinischen Begriff
deus ex
machina ( "Gott aus der Maschine“) wird dies später klar zum
Ausdruck gebracht.
Das griechische Theater als Maskentheater
Das maßgebliche dramaturgische Element der aufgeführten
Tragödien war jedoch der Einsatz von Masken, die ebenso wie die
Kostüme den kultisch-rituellen Ursprung des Spiels
verdeutlichten.
Vor
allem aber war das griechische Theater "Maskentheater". (Brauneck
2012, S.30) Die Masken, die dabei zum Einsatz kamen,
erfüllten im griechischen Theater, in dem es nie um die
individuelle Ausgestaltung der Rolle ging, unterschiedliche
Funktionen:
-
Sie verliehen
den Schauspielern, aber auch dem Chor, eine "zeichenhafte
Identität" (ebd.),
die auch noch die Zuschauer erkennen konnten, die weitab von
der Bühne in den oberen Rängen der Theater zusahen.
-
Sie gab den
Schauspielern die Möglichkeit, durch einfachen Maskenwechsel
auch die Rolle zu wechseln, zumal sie für gewöhnlich mehrere
Rollen in einem Stück spielten. So mussten nur noch die
großen Gebärden und die Art, wie die Figur sprach, der Maske
angeglichen werden. Der individuelle Schauspieler verschwand
damit immer hinter seiner Maske.
-
Die aus Leder
oder Papier gefertigten Masken mit ihren Öffnungen für Augen
und Mund konnten mit einfachen Mitteln so gestaltet werden,
dass sie bestimmte äußere oder charakterliche Merkmale
einer Figur typisieren konnten. So konnte man an der Hell-
oder Dunkelfärbung der Maske erkennen, ob es sich bei der
Figur um einen Mann oder eine Frau handelte (nur Männer
spielten mit), auch Griechen
und orientalische "Barbaren" wurden so unterschieden. Masken
unterstrichen aber auch unermessliches Leid, wenn z. B. wie
bei der "Maske des geblendeten Ödipus aus dessen Augen
schwarze Blutbäche quollen" (ebd.),
oder konnten bestimmte Schreckensgestalten, wie z. B. die
drei Rachegöttinnen (»Erinnyen),
die Orestes nach seinem Muttermord in die Raserei treiben,
sofort identifizierbar machen.
▪
Theaterformen im Überblick
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
|