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Schon der amerikanische Ingenieur und Psychologe »Louis
Leon Thurstone (1887-1955) kritisierte seit Mitte der zwanziger Jahre
des vorigen Jahrhunderts den Ansatz der Zwei-Faktoren-Theorie Spearmans
und vertrat wie C. Burt, T. L. Kelley und H. Hotelling eine
multiple Faktorentheorie. (vgl.
Hofstätter 1957, S.175)
Seine Versuche mit Testpersonen ergaben, dass es seiner Ansicht nach eine
begrenzte Anzahl von Begabungsfaktoren gibt, die sich aber nicht zu einer
einzigen generellen Fähigkeit zusammenfassen lassen. So unterscheidet er
sieben Primärfaktoren
intelligenter Leistungen (primary
mental abilities).
Die sieben "primären mentalen Fähigkeiten" sind nach Thurstone:
-
Beherrschung von Sprache
(verbal comprehension)
Hier geht es um die Fähigkeit, Wörter und Wortbedeutungen zu kennen und
angemessen anzuwenden;
Typische Testaufgaben: Bildung verbaler Analogien,
Rechtschreibung, richtige Aneinanderreihung vertauschter Wörter,
Wortverständnis
-
Flüssige verbale
Ausdrucksfähigkeit (word fluency)
Angesprochen wird hier die Fähigkeit, die schnelle, assoziative und
vergleichsweise vom Inhalt unabhängige Produktion von Wörtern zu
verstehen, die nur ganz bestimmten Strukturen und Symbolzusammenhängen
entsprechen;
Typische Testaufgaben: Reime oder Wörter, die mit einem
bestimmten Buchstaben anfangen, oder Wörter, die nur aus einer
bestimmten Anzahl von Buchstaben bestehen
-
Fähigkeit
zum Rechnen (Umgang mit Zahlen; number)
Hier dreht es sich um das möglichst schnelle und präzise Lösen einfacher
Rechenoperationen, bei denen es mehr um die Rechenfertigkeit als um die
Rechenfähigkeit geht;
Typische Testaufgaben: Grundrechnungsarten wie Addition,
Subtraktion, Multiplikation und Division
-
Räumliches
Vorstellungsvermögen (space)
Mit diesem Faktor werden Fähigkeiten zur räumlichen Vorstellung und bei
der räumlichen Orientierung sowie die Fähigkeit zum Erkennen von
Objekten unter verschiedenen Perspektiven angesprochen;
Typische Testaufgaben: Vergleichen von Würfeln oder sonstigen
geometrischen Gebilden unter verschiedenen Perspektiven, Verfolgen
mechanischer Bewegungen
-
Auffassungsgeschwindigkeit
(Auffassungsgabe und Geschwindigkeit der Wahrnehmung; perceptual speed)
Hierbei geht es um die Fähigkeit, möglichst schnell Details zu
erkennen, die in ein irrelevantes Material eingebettet sind, sowie das
Vergleichen oder Identifizieren visueller Konfigurationen;
Typische Testaufgaben: Erkennen von Unterschieden und
Gemeinsamkeiten/Gleichheiten; Anstreichen bestimmter Symbole
-
Gedächtnis (memory)
Gemeint ist hier die Fähigkeit, sich mit Hilfe des Kurzeitgedächtnisses
bestimmte paarweise gelernte Assoziationen zu merken;
Typische Testaufgaben: Behalten von Zahl-, Wort-, Bild-, Figur-
oder Wort-Bild-Paaren
-
Schlussfolgerndes Denken
(induktiv, deduktiv; reasoning oder induction)
Hier zählt die Fähigkeit zum schlussfolgerndern Denken, zum Erkennen und
Anwenden von bestimmten Regelhaftigkeiten in der Abfolge von Symbolen,
Zahlen oder Wörtern.
(vgl. auch:
Werner Stangl, Klassische Modellvorstellungen der Intelligenz, 07.10.07)
Aber auch bei den Versuchen Thurstones stellte sich im Nachhinein heraus, dass
Testpersonen, die in dem einen Bereich sehr gute Ergebnisse erzielten, dies
tendenziell auch in anderen Bereichen aufwiesen, so dass es auch seine
multiple Faktoren-Theorie der Intelligenz noch Hinweise auf die Existenz
eines
g-Faktors gaben. (vgl.
Myers 2005, S.461)
So lässt sich wohl mit
Myers (2005, S. 461) bis heute sagen: "Zur Intelligenz gehören
verschiedene Einzelfähigkeiten, die jedoch häufig genug im selben Menschen
in Kombination auftreten und damit einen gewissen generellen
Intelligenzfaktor erkennen lassen."
Gert Egle, zuletzt bearbeitet:
29.09.2013
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