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Warenästhetik und Werbung

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Schulische Analyse von Werbeanzeigen (Schreibform)
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Warenästhetik und ihre Rückkoppelungseffekte bei erotischen Appellen in der Werbung

"Manipulation", so definiert Haug (1970/1972a, S.11) den Begriff, "bezeichnet die nichtterroristische Lenkung des Bewusstseins und Verhaltens der Massen durch sprachliche und ästhetische Mittel." Stehe sie in einem "allgemeinen Zusammenhang von Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung", in dem sie zu Stabilisierung eines solchen Systems beitrage, werde sie zugleich oft auch als repressiv verstanden, so dass dann "von manipulierten Bedürfnissen und ihrer repressiven Befriedigung gesprochen" werde (ebd.)

In der kapitalistischen Gesellschaft, die den "Standpunkt der Kapitalverwertung als Selbstzweck" über alles setzt und für den "alle Lebensanstrengungen, Sehnsüchte, Triebe und Hoffnungen nur ausbeutbare Mittel sind, Motivationen, an denen man die Menschen fassen kann [...], dieser Verwertungsstandpunkt, der in der kapitalistischen Gesellschaft absolut dominiert, steht dem, was die Menschen von sich aus sind und wollen, schroff gegenüber." (ebd., S.22)

Dennoch passt sich unter den Bedingungen der kapitalistischen Warenproduktion und Kapitalverwertung das Bewusstsein der Menschen sowie ihre Triebstruktur den Zielen der kapitalistischen Verwertung in einer Art und Weise an, dass sich die Menschen über die Identifikation und Kommunikation mit der dinglichen Warenwelt definieren und dabei mehr und mehr Teil eines darüber gleichgeschalteten psychischen und gesellschaftlichen Apparates werden. Wenn "die individuellen Wünsche und Bedürfnisse (...) so vollkommen präformiert (sind)" (Marcuse 1955, S.58, zit. n. Haug 1970/1972b, S.36) und sich durch die kapitalistische Produktionsweise, "mit denen der Mensch die Dinge zu seinem Nutzen umschafft, schaffen auch den  Menschen um." (Haug 1970/1972b, S.36), denen dadurch die grundlegenden Verhältnisse und Strukturen, die dafür verantwortlich sind, zusehends im Dunkel bleiben.

Einen großen Anteil daran hat, so Haug, die von der kapitalistisch dominierten Massenkommunikation und Werbung zusehends verkümmert Sprache wird, deren "Verfall [...] Sprache (...) die Massen des Mittels der Verständigung untereinander (beraubt)." (ebd., S.37)

Wenn die Sprache der Menschen in dieser Weise zum repressiven Instrument einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung wird, indem sie die Menschen der Möglichkeit beraubt, sich über ihre wahren Bedürfnisse selbstreflexiv, aber auch in der Kommunikation mit anderen zu verständigen und auf deren Befriedigung hinzuarbeiten, wird sie selbst zum systemstabilisierenden Moment und damit repressiv. Dies gilt im besonderen Maße für die Werbesprache, die sich systembedingt ganz und gar in den Dienst der Verdunkelung der gesellschaftlichen Strukturen kapitalistischer Verwertung stellt.

Wahre und falsche Bedürfnisse

Der Philosoph und Soziologe »Herbert Marcuse (1898-1979) hat sich in seinen Werke immer wieder wieder kritisch mit der kapitalistischen Gesellschaft und ihren Strukturen auseinandergesetzt. In seinem Werk "Der eindimensionale Mensch" (1970) beschreibt er u. a. wie die Unterwerfung des Menschen unter den spätkapitalistischen Produktionsapparat zustande kommt und wie das kapitalistische System mit Hilfe seiner dessen immanenten technischen Rationalität seine grundlegenden Strukturen verschleiert. Einen besonderen Akzent legt er dabei auf die Analyse von Manipulationsmechanismen, mit denen die Menschen ihrer Fähigkeit beraubt werden, die bestehenden Verhältnisse überhaupt noch in Frage stellen zu können.

In diesem Zusammenhang spielt seine marxistisch orientierte Unterscheidung von wahren und falschen Bedürfnissen eine entscheidende Rolle. Sie prägen auch sein Verständnis von der Funktion und Wirkung von Reklame bzw. Werbung.

Für Marcuse sind menschliche Bedürfnisse historisch geprägt und wer sie verstehen und analysieren will, muss sich in kritische Distanz zu den jeweils aktuell als quasi "natürlich" beschriebenen Bedürfnissen setzen können. um "das eingeschliffene Universum von Bedürfnissen und Befriedigungen" (Marcuse 1970, S.26) in Frage stellen zu können.

Dafür grundlegend ist die Unterscheidung von wahren und falschen Bedürfnissen. Was richtige oder falsche Bedürfnisse sind, kann in letzter Instanz aber nur von den einzelnen Individuen selbst beantwortet werden, sofern, und das ist die grundlegende Bedingung, die "eigene Antwort", die sie darauf geben, "frei" erfolgen kann. Dies ist allerdings angesichts der Tatsache, dass sie "davon abgehalten werden autonom zu sein, solange sie (bis in ihre Triebe hinein geschult und manipuliert werden, kann ihre Antwort auf diese Frage nicht als ihre eigene verstanden werden." (ebd.)

Und selbst, wenn sie dem ausdrücklich zustimmen: "Die freie Wahl der Herren, schafft die Herren oder die Sklaven nicht ab." (ebd., S.27)

Wer kein "Bewusstsein der Knechtschaft" hat und wer unter der herrschenden Bedingungen stets "durch das Vorherrschen von Bedürfnissen und Befriedigungen behindert (wird), die in hohem Maße die des Individuums geworden sind" (ebd., S.26), kann den Schleier der Verdunkelung der wahren gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer treibenden Kräfte allerdings nicht lüften.

Dass sich dieses Bewusstsein nicht einstellt, liegt an den verschiedenen Systemen sozialer Kontrolle, die "das überwältigende Bedürfnis nach Produktion und Konsumtion von unnützen Dingen [...] das Bedürfnis nach abstumpfender Arbeit, wo sie nicht mehr notwendig ist; das Bedürfnis nach Arten der Entspannung, die diese Abstumpfung mildern und verlängern; das Bedürfnis, solche trügerischen Freiheiten wie freien Wettbewerb bei verordneten Preisen zu erhalten, eine freie Presse, die sich selbst zensiert, freie Auswahl zwischen gleichwertigen Marken und nichtigem Zubehör bei grundsätzlichem Konsumzwang." (ebd., S.27)

Dass die verschiedenen Momente sozialer Kontrolle von den Menschen in lang anhaltenden Prozessen internalisiert werden, erschwert in besonderem Maße die notwendige kritische Distanz einnehmen zu können, so dass "die geistige und gefühlsmäßige Weigerung mitzumachen (...) als neurotisch und ohnmächtig (erscheint)." (ebd., S.27)

Falsche Bedürfnisse

Falsche Bedürfnisse sind danach, "diejenigen, die dem Individuum durch partikuläre gesellschaftliche Mächte, die an seiner Unterdrückung interessiert sind, auferlegt werden: diejenigen Bedürfnisse, die harte Arbeit, Aggressivität, Elend und Ungerechtigkeit verewigen."

Dabei ist es unerheblich, ob die Befriedigung solcher Bedürfnisse vom Einzelnen als positiv erlebt wird. Denn grundsätzlich dient sie dazu, "die Entwicklung derjenigen Fähigkeit (seine eigene und die anderer) zu hemmen, die Krankheit des Ganzen zu erkennen und die Chancen zu ergreifen, diese Krankheit zu heilen. Das Ergebnis ist dann Euphorie im Unglück." (ebd. S.25)

Zu den falschen Bedürfnissen zählen "die meisten der herrschenden Bedürfnisse, sich im Einklang mit der Reklame zu entspannen, zu vergnügen, zu benehmen und zu konsumieren, zu hassen und zu lieben, was andere hassen und lieben" (ebd.)

Im Zeitalter der Klimaerwärmung und ihren Folgen wird dies z. B. im Zusammenhang mit Autowerbung besonders deutlich. Wo eine radikale Verkehrswende und die Abkehr vom Individualverkehr die einzig rationale Lösung darstellen würde, muss sich das Auto als Produkt inszenieren, dass gerade diese Lösung verschleiert und sich selbst als nachhaltig präsentieren.

So zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass falsche Bedürfnisse "einen gesellschaftlichen Inhalt und eine gesellschaftliche Funktion (haben), die durch äußere Mächte determiniert sind, über die das Individuum keine Kontrolle hat. [...] Ganz gleich, wie sehr solche Bedürfnisse zu denen des Individuums geworden sind und durch seine Existenzbedingungen reproduziert und befestigt werden; ganz gleich, wie sehr es es sich mit ihnen identifiziert und sich in ihrer Befriedigung wiederfindet, sie bleiben, was sie seit Anbeginn waren - Produkte eine [sic!] Gesellschaft, deren herrschendes Interesses Unterdrückung erheischt." (ebd.)

Die Entstehung von Mustern eindimensionalen Denkens und Verhaltens

Weil die Produkte aber " (...) die Menschen durchdringen und manipulieren, (...) befördern (sie) ein falsches Bewusstsein, das gegen seine Falschheit immun ist." (ebd., S.32) Da dies zugleich einhergeht mit dem wachsenden Wohlstand größerer sozialer Schichten, entwickelt sich "ein Lebensstil, und zwar ein guter - viel besser als früher -, und als ein guter Lebensstil widersetzt er sich qualitativer Änderung." (ebd.

Die Konsequenz dieser Entwicklungen ist die Entstehung eines Muster(s) eindimensionalen Denkens und Verhaltens, worin Ideen, Bestrebungen und Ziele, die ihrem Inhalt nach das bestehende Universum von Sprache und Handeln transzendieren, entweder abgewehrt oder zu Begriffen des Universums herabgesetzt werden. Sie werden neubestimmt von der Rationalität des gegebenen System und seiner quantitativen Ausweitung." (ebd.

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Warenästhetik und ihre Rückkoppelungseffekte bei erotischen Appellen in der Werbung

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 03.11.2021

   
 

 
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