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In den Augen vieler parteienverdrossener Wählerinnen und Wähler sind
Parteiprogramme nicht einmal ihr Papier
wert. Allzu häufig scheinen sie die Erfahrung gemacht haben, dass
Versprechungen, die in Parteiprogrammen gemacht wurden, anschließend dem
"Parteiengezänk" zum Opfer fielen und bei der Kompromisssuche mit
anderen Parteien an den Konfliktlinien politischer Abgrenzung verwässert
wurden. Und doch scheinen politikwissenschaftliche Untersuchungen zu
belegen, dass die Regierungspolitik in den meisten Demokratien im Großen
und Ganzen den Wahlprogrammen der Regierungsparteien entspricht. (Rölle
2001, zit. n.
Rudzio 2011, S.130)
Programmarbeit verlangt auch das »Parteiengesetz
von 1967 (neueste Fassung 2011) von den Parteien, indem es unter §1
Verfassungsrechtliche Stellung und Aufgaben der Parteien, Abs. 3 kurz
und bündig formuliert: "Die Parteien legen ihre Ziel in politischen
Programmen nieder." Programme zu entwickeln ist also nicht ins Belieben
von Parteien gestellt, sondern diese Aufgabe wird zur Erfüllung der ihnen
zugewiesenen Aufgabe für unerlässlich angesehen. "Kandidatenvereine"
oder gar "Gefolgschaften" aufgrund persönlicher Abhängigkeiten sollen
Parteien also nicht sein.Trotzdem wird das, was in den verschiedenen Programmen der
Parteien fixiert wird, heute von den Wählerinnen und Wählern kaum zur
Kenntnis genommen. Sie gewinnen ihre Einstellung gegenüber einer Partei
einfach daraus, was die Parteien tun, wie ihre Repräsentanten auftreten
und in der Öffentlichkeit und den Medien "rüberkommen" und schlichtweg
aus Erfahrungen, die sie mit den Parteien in der Vergangenheit gemacht
haben. (vgl.
Hesse/Ellwein 2011, S.309)
Die Programmarbeit der Parteien dient damit hauptsächlich der internen (Selbst-)Verständigung
und der Sichtbarmachung der parteieigenen Identität nach außen. (vgl.
ebd.) Allerdings findet die Programmarbeit angesichts des
allgemeinen "Bedeutungsverlusts konkreter politischer Programme" (ebd.,
S.312), über alle Parteien hinweg, immer weniger Anhänger. Und: wie es
scheint, werden auch Wahlkämpfe mehr und mehr in einem Zustand
programmatischer Unschärfe geführt, gewinnen emotionale Appelle mehr und
mehr die Überhand über programmatischen Sachaussagen. Die
programmatische Unschärfe liegt aber wohl auch mit darin begründet, dass
die früher besonders wichtigen Konfliktlinien, entlang derer sich die
Parteien positioniert haben, an Bedeutung verlieren. (vgl.
Köllner
(2008, S.13) Grundsatzentscheidungen stehen, nachdem sich die CDU
nach der Atomkatastrophe im japanischen »Fukushima
im März 2011 um 180 Grad gedreht und die »Energiewende
betreibt, zumindest am Ende des ersten Jahrzehnts nach der
Jahrtausendwende, kurz vor den Bundestagswahlen von 2014, nicht an.
Aus den der Zeit bis etwa 1960, in der die Parteien nach dem Zweiten
Weltkrieg bemüht waren, nach der ideologischen Verblendung der NS-Zeit
programmatische Klarheit zu erlangen, stammt die Unterscheidung der
Parteiprogramme in Grundsatz-, Aktions-, Wahl- und Regierungsprogramme,
denen jeweils besondere Aufgaben in der politischen Auseinandersetzung
zugewiesen wurden. Heutzutage hat die Programmarbeit der Parteien
entlang solcher, ihrem Anspruch nach fein säuberlich trennenden
Programmtypologien im Allgemeinen einen weitaus geringeren Stellenwert.
Auseinandersetzungen und Diskussionen um den programmatischen Kurs einer
Partei sind inzwischen nämlich zur Daueraufgabe jeder Partei und zu
einer Voraussetzung dafür geworden, dass man flexibel auf immer neue
Herausforderungen in der Politik reagieren kann. Daran kann auch die
Tatsache kaum etwas ändern, dass die deutsche Sozialdemokratie sich im
Rückblick auf ihre 150-jährige Parteitradition mit unterschiedlichen,
richtungweisenden Grundsatzprogrammen sich in Abgrenzung zum
vermeintlichen "Kanzlerwahlverein" der CDU/CSU selbst gerne als "die
Pogrammpartei" versteht, weil in diesem Begriff in besonderer Weise der
politische Anspruch der SPD gebündelt werde, Regierungsmacht an
grundsätzliche (Wert-)Orientierungen rückzubinden. (vgl.
offizielle Webseite der SPD, 30.7.2013)
Aber: auch wenn Programme in ihrer formulierten Form für die
Wählerinnen und Wähler kaum von Bedeutung sind und die Programmarbeit
der Parteien sich, weder in ihrem Verlauf, noch von den fixierten
Ergebnissen her betrachtet, nur noch zum Teil in die Schablonen der
traditionellen Typologie pressen lässt, kann die Unterscheidung in
verschiedene Programmarten hilfreich sein, um ihren Stellenwert,
zumindest im Groben, abschätzen zu können:
-
→Grundsatzprogramme
sind auf einen längeren Zeitraum angelegt und dienen vor allem zur
Integration der Parteimitglieder auf der Grundlage von
Wertorientierungen und perspektivisch auf längere Sicht angestrebten
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen einer Partei. Sie
haben insofern "Bekenntnischarakter" (Ossip
K. Flechtheim 1975, Sp. 1872), sind allerdings für die
Meinungsbildung der Wählerinnen und Wähler von eher untergeordneter
Bedeutung.
-
Aktions- und
Plattformprogramme sind eher operativ ausgerichtet, d. h. sie
sollen den Weg aufzeigen, mit welchen politischen Mitteln und
Kräften bestimmte Ziele kurz- oder mittelfristig erreicht werden
sollen.
-
→Wahlprogramme
dienen in →Wahlkämpfen
der Parteiwerbung nach außen. Sie präsentieren mit werbender Absicht
und einer entsprechenden Sprache im Allgemeinen mittel- und
kurzfristige Ziele einer Partei, die sich auf eine (bevorstehende)
Legislaturperiode beziehen. Zugleich sollen sie die Partei insgesamt
auf Kurs bringen. Auf die Wahlentscheidung der Wählerinnen und
Wähler haben solche Programme indessen kaum Einfluss. Sie machen
ihre Wahlentscheidung in der Regel von Dingen abhängig, die nur in
einem bedingten Zusammenhang mit dem jeweils formulierten
Wahlprogramm stehen. (s.
o.)
-
Regierungsprogramme, oftmals
auch synonym mit dem Begriff des Wahlprogramms verwendet, fassen die
Ziele zusammen, die eine Partei nach der Regierungsübernahme
umsetzen will. Dabei können auch Rücksichten und Kompromisslinien
sichtbar werden, die zum Zweck der Koalitionsbildung mit einer
anderen Partei oder Parteiengruppierung nötig erscheinen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.07.2016
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