|
Die Parteien von links nach rechts zu ordnen, ist in Deutschland sehr
populär. Auch wenn oft überhaupt nicht klar festgemacht werden kann, was
eigentlich links und was rechts bedeutet und viele so rein gar nichts
mit den beiden Begriffen anfangen können, aus der öffentlichen
Diskussion und den Medien ist die Rechts-links-Topographie des Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland
nicht wegzudenken. Das Linke und das Rechte lässt sich auch für Fachleute nicht so leicht
an bestimmten Inhalten, Haltungen und Handlungsmustern festmachen.
So kommt es auch, dass links und rechts im Grunde wie
Metaphern
verwendet werden, mit denen man, ohne sich auf einen bestimmten
Begriffs-/Bildinhalt festlegen zu müssen, den beiden Kategorien
unterschiedliche Eigenschaften zuschreiben kann.
Links und rechts - eine lange Geschichte
Die Links-rechts-Topographie des Parteiensystems geht in seinen
Ursprüngen zurück bis zu den Parlamenten der »Französischen
Revolution (1789-99). Im Grunde genommen ist Links-rechts-Ordnung
wirklich eine "absolut banale Raummetapher, deren Ursprung völlig
willkürlicht ist" (Bobbio
2006, S.46)
Seit damals jedenfalls hat sich eine bestimmte Sitzordnung der
politischen Kräfte in den Parlamenten eingebürgert, die bis heute in
vielen Parlamenten nachwirkt, die die Gegensätze zwischen den Parteien
räumlich widerspiegeln soll:
Natürlich sagt eine solche Sitzungsordnung, wenn sie im Konsens der
jeweiligen Parlamentsfraktionen zustande kommt, nur etwas darüber aus,
wie die Parteien sich auf der Basis von Links-rechts-Überlegungen in
einem Parteiensystem selbst sehen oder gesehen werden wollen.
Rechts und links in wissenschaftlicher Darstellung
In der Wissenschaft ebenso wie im öffentlichen Diskurs wird die
Links-rechts-Dimension am häufigsten benutzt, wenn es darum geht,
Parteien und Parteiensysteme zu im →politischen
Raum zu positionieren. (vgl. Ladner
2004., S.135) Diese Positionierung kann wissenschaftlich berechnet
und zwischen den beiden Polen links und rechts skaliert werden. (vgl.
Gross/Sigelmann 1984, Ladner
2004, S.135)
Eine Untersuchung der
Forschungsgruppe
Wahlen aus dem Jahr 2006 hat das Links-rechts-Schema in 11 Stufen skaliert. Der
Wert Null stand dabei für "ganz links" und der Wert 10 für "ganz
rechts". Dabei wurden die relevanten Parteien auf der Skala
zwischen den Werten 4,3 und 6,5 positioniert, was für ein zentripetales
Mehrparteiensystem mit einer bipolaren Struktur zwischen einer rechteren
und linkeren Gruppe von Parteien durchaus typisch ist:
Die Abbildung verdeutlicht die
abnehmende Polarisierung unter den relevanten Parteien des deutschen
Parteiensystems.
Die extremen Außenpositionen werden dabei
in der Regel von kaum systemrelevanten, Kleinparteien des linken und
rechten politischen Extremismus, besetzt. Sie sind von der
linkeren Parteiengruppe (SPD, Grüne und Linke) bzw. rechteren
Parteiengruppe (CDU/CSU und FDP) (vgl.
Rudzio 2011,
S. 127), die in der Mitte "klumpen", sehr viel weiter weg als die
einzelnen Mitglieder der Parteiengruppe von denen der anderen
Parteiengruppe.
Betrachtet man diese Einschätzungen der Parteien durch die
Wählerinnen und Wähler und berücksichtigt zugleich, dass die extremen
Randpositionen zur Rechten wie zur Linken bis dahin von kleineren
extremistischen Parteien besetzt worden sind, wird klar, dass sich die
Wahlen in Deutschland in der Regel "in der Mitte" entscheiden.
Links und rechts ist populär, aber nicht wirklich beliebt
Trotz zahlreicher Einwände und der Tatsache, dass die Wählerinnen und
Wähler heute kaum in solchen einfachen Schemata denken (vgl.
Rudzio 2011,
S.129), ist das Links-rechts-Schema noch wie vor populär.
Nicht nur Jugendliche wissen
oft nicht, was sie mit den
Metaphern
links und rechts genau anfangen
sollen. Auch etliche Erwachsene, die vor einiger Zeit noch glaubten, dass die
beiden Begriffe unverzichtbar seien und zu den "grundlegenden und bedeutungsstiftenden Kriterien des politischen Diskurses" gehörten,
zählen sie schon seit längerem "zum ideologischen Schrotthaufen", der
eigentlich "ins große Wachsfigurenkabinett" müsste. (Marco Revelli 1990, zit. n.
Bobbio
1994/20046, S.7)
Jugendliche jedenfalls wollen sich nur sehr ungern mit links oder rechts selbst
beschreiben. Wenn sie dies tun, ordnen sie sich, verglichen mit der
Gesamtbevölkerung, traditioneller Weise "etwas weiter links ein". (Schneekloth
2010,
S.134) Und: je höher ihr angestrebter Schulabschluss, desto eher tun sie
das, je niedriger dieser ist, desto eher streben Jugendliche der Mitte
zu. (ebd.,
S,134)
Im Allgemeinen jedoch zeigen sie bei der Verwendung der Begriffe eine
"hochgradige Unsicherheit" (Wächter
2004, S.15ff.). Und dennoch sind sie "derzeit noch" mit dem
politisch etablierten Links-rechts-Code in Gesellschaft und politischer
Kultur durchaus vertraut und verfügen über ein breites
Bedeutungsspektrum dazu (vgl.
Wächter
2004, S.16). Allerdings vermengen sie auch oft Politik und
Lifestyle miteinander. ("Links, das sind Dreadlocks und wenn man Joints
raucht, keinen militärischen Haarschnitt hat und eher locker drauf ist."
(zit. n.
Brie/Spehr 2006, S.6.f.).(→Linke
und rechte Orientierungen: Handlungen und Handlungsmuster)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.08.2016
|
|