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Modelle des Parteiensystems in Deutschland

Überblick

 
 
  Es gibt verschiedene Perspektiven und Ansätze, um zu erklären,

Zu diesen Perspektiven gehört die Geschichte des Parteienwesens in Deutschland ebenso wie eine strukturelle Analyse des herrschenden Parteiensystems unter soziologischen und politikwissenschaftlichen Blickwinkeln.

Der institutionelle Ansatz:
Das Wahlrecht erzeugt und strukturiert das Parteiensystem

Lange verfolgte man bei der Analyse von Parteiensystemen den sogenannten institutionellen Ansatz, der die Struktur des Parteiensystems auf das jeweils herrschende Wahlrecht zurückführte. (vgl. u. a. Giovanni Sartori 1994)
Auch in der Geschichtswissenschaft ist man lange Zeit diesem Ansatz gefolgt, wenn z. B. das reine Verhältniswahlrecht für das zersplitterte Vielparteiensystem der Weimarer Republik über Gebühr verantwortlich gemacht worden ist. Unbestritten hat dieses Wahlrecht die Parteienzersplitterung in der Weimarer Republik begünstigt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass andere Faktoren, insbesondere die sozialen Spannungen und Konflikte der Zeit und der Zeit davor, das Parteiensystem der Weimarer Republik formten und strukturierten.

Der Links-rechts-Ansatz

Am häufigsten verbreitet zur Analyse und Darstellung des Parteiensystems ist das Links-rechts-Schema, das die Parteien zwischen den Polen links und rechts einordnet. Diese Links-rechts-Topographie des Parteiensystems hat eine lange Geschichte.
Die Aussagekraft des Links-rechts-Ansatzes hängt vor allem damit zusammen, auf welche Kriterien sich die Kategorien links und rechts, die in einem polaren Gegensatz zueinander stehen, stützen. Wird dabei z. B. lediglich der ideologische Gegensatz von links und rechts erfasst, bleibt die Darstellung des Parteiensystems dementsprechend eindimensional. Komplexeren Strukturen des Parteiensystems wird dann keine Rechnung getragen.
Dennoch: Auch wenn der wissenschaftliche Wert eines eindimensionalen Schemas nicht besonders hoch ist, in der Wahrnehmung der Wählerinnen und Wähler, und dementsprechend auch in den Medien, spielt es eine zentrale Rolle. Gerade in jüngerer Zeit durch das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Deutschland und Europa gewinnt es wieder an Bedeutung.
Allerdings wissen die Erwachsene und Jugendliche wissen oft nicht recht, was sie mit den Etiketten »links« und »rechts« genau anfangen sollen. Manche Erwachsene, die vor einiger Zeit noch glaubten, dass die beiden Begriffe unverzichtbar, »links« und »rechts« zu den "grundlegenden und bedeutungsstiftenden Kriterien des politischen Diskurses" gehörten, zählen sie schon seit längerem "zum ideologischen Schrotthaufen", der eigentlich schon längst "ins große Wachsfigurenkabinett" müsste. (Marco Revelli 1990, zit. n. Bobbio 1994/20046, S.7)
Schule und Unterricht sollte trotz der Einwände gegen das eindimensionale Links-rechts-Schema nicht darauf verzichten, das Parteiensystem auch unter dieser Perspektive zu betrachten. Dafür sprechen einige Gründe, z. B.:

  • Die Jugendlichen sind  "derzeit noch" mit dem politisch etablierten Links-rechts-Code in Gesellschaft und politischer Kultur durchaus vertraut und verfügen über ein breites Bedeutungsspektrum dazu (vgl. Wächter 2004, S.16). (→Linke und rechte Orientierungen: Handlungen und Handlungsmuster)

  • Jugendliche ordnen sich, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, traditioneller Weise "etwas weiter links ein". (Schneekloth 2010., S,134) Und: je höher ihr angestrebter Schulabschluss, desto eher tun sie das, je niedriger dieser ist, desto eher streben Jugendliche der Mitte zu. (ebd., S,134)

  • Zugleich ist den jungen Leuten oft in keiner Weise klar, was Links-Sein eigentlich bedeutet. Oft vermengen sich Politik und Lifestyle miteinander. ("Links, das sind Dreadlocks und wenn man Joints raucht, keinen militärischen Haarschnitt hat und eher locker drauf ist." (zit. n. Brie/Spehr 2006, S.6.f.) Vielleicht fällt dann auch noch der Name »Che Guevaras (1928-1967), des zur Pop-Ikone linken Lifestyles umgedeuteten kubanischen Revolutionärs.

So bleibt also für den politischen Unterricht hier durchaus etwas zu tun, gerade weil Jugendliche eine "hochgradige Unsicherheit im Gebrauch der beiden Begriffe »links« und »rechts«" zeigen und mit diesen beiden Kategorien "ihre eigene politische Selbstbeschreibung" nur sehr ungern vornehmen (Wächter 2004, S.15ff., Hervorh. d. Verf.). Dabei gilt es aber die Grenzen der Links-rechts-Zuschreibung deutlich aufzuzeigen.

Der historisch-soziologische Ansatz:
Parteiensysteme als Ausdruck sozialer Konflikte und Spannungen (Cleavages)

Wie die Analyse eines Parteiensystem aussieht, wenn man seine Entstehung an bestimmte gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse koppelt und die Beziehungen der Parteien zueinander mehrdimensional und von jeweils bestimmten Interessen geleitet betrachtet, hat die sog. Cleavage-Theorie dargestellt.
Die von »Seymour Martin Lipset (1922-2006) und »Stein Rokkan (1921-1979) im Jahr 1967 entwickelte Cleavage-Theorie erklärte die Entstehung und die jeweils spezifische Formierung und Konfiguration von Parteiensystemen in Westeuropa mit dem Vorhandensein bestimmter gesellschaftlicher Konflikte.
Diese Konflikte sahen sie durchzogen von Linien (Konfliktlinien). Die Spannungen und Konflikte führten zur Gründung von Parteien, die sich entlang dieser Konfliktlinien formten und positionierten.
Die wesentlichen Konfliktlinien (cleavages), die sie in ihrer Analyse zugrunde legten, waren die Konfliktlinien zwischen Kapital und Arbeit, Kirche vs. Staat, Stadt vs. Land und Zentrum vs. Peripherie.
Die Entstehung dieser vier Hauptcleavages lassen sich nach Lipset/Rokkan auf die zwei Prozesse der europäischen Entwicklung zurückführen: Die Nationalstaatsbildung einerseits und die wirtschaftliche und soziale Modernisierung im Zuge der industriellen Revolution.
Letzten Endes erzeugen die Konfliktlinien ein bestimmtes Parteiensystem. Dabei unterstellt der Konflikt- und Spannungslinien-Ansatz (cleavages) "eine Wechselbeziehung zwischen den Angehörigen der durch gemeinsame soziale und Lebensstilmerkmale charakterisierten Milieugruppen und den sie vertretenden Parteien." (Decker 2011, S.49)Parteiensysteme sind unter dieser Perspektive also nicht einfach Produkte von Bürgerinnen und Bürgern, die sich sich aus beliebigen Gründen zusammentun, um dann mit anderen als Partei zu konkurrieren, sondern sie sind z.B. an der verteilungsbedingten Konfliktlinie das Ergebnis von sozioökonomischen und an der wertebezogenen Konfliktlinie von soziokulturellen Prozessen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  • Was spricht für, was gegen die verschiedenen Modelle zur Analyse des Parteiensystems?

 
     
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