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Kurze Geschichte des Parteiensystems der BRD

Das deutsche Parteiensystem nach 1945

 
 
 

Der "Neustart" des deutschen Parteiensystems beginnt mit der Wiederzulassung von Parteien durch die alliierten Besatzungsmächte nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur. (vgl. Hesse/Ellwein 2012, S.289f.) Bis 1951 bildeten sich dabei vier überregionale Parteien aus: SPD, KPD, CDU (CSU in Bayern) und die FDP, die von einer Reihe kleinerer Parteien flankiert wurden.

Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland hat sich nach 1949 bei der  ersten »Bundestagswahl zunächst ziemlich ähnlich zu dem konstituiert, das in der Weimarer Republik (1918/19-33) vorhandenen gewesen ist. Die Wählerinnen und Wähler kehrten nämlich massenhaft in ihre politischen Traditionslager zurück und wählten wieder nahezu so, wie sie schon bis 1928 gewählt hatten. (vgl. Rudzio 2015, Kap. 4.2. a) (Wahlergebnisse 1920-1933).

Danach entwickelte sich das Parteiensystem weiter, so dass man insgesamt drei Phasen unterscheiden kann:

Gegenüber der Weimarer Zeit brachte die Gründung der CDU (CSU) Neues in das noch an Weimarer Zeiten erinnernde fragmentierte Vielparteiensystem ein. Sie verstand sich nämlich im Gegensatz zur katholischen Zentrumspartei in Weimar als Partei, die Werte und Ziele beider christlichen Konfessionen vertreten wollte.

Was die Parteien in der Anfangszeit voneinander trennte, waren die Konfliktlinien, die bis in die Weimarer Zeit vor 1933 hineinreichten (vgl. Rudzio 2011, S.111f.) Dabei sind die "klassischen" Konfliktlinien oder Konfliktlagen (cleavages) in der Parteiengeschichte schon immer der Klassenkonflikt (Kapital vs. Arbeit), historische Konflikte zwischen Stadt und Land, Kirche und Staat oder zwischen Zentrum und Peripherie mit ihrer unterschiedlichen Gewichtung gewesen und haben auch die Entwicklung der Parteiensysteme in anderen europäischen Ländern maßgeblich beeinflusst. (Alemann 1994, S.281)
Nach dem dem Ende des Nationalsozialismus bestimmten in der Nachkriegszeit vor allem fünf Konfliktlinien die Konfiguration des Parteiensystems in Deutschland. (→Traditionsphase des Parteiensystem der BRD)

Besonders bemerkenswert ist dabei, dass sich die Wählerinnen und Wähler der ersten Bundestagswahlen im Jahr 1949 wieder massenhaft in jene Traditionslager zurückbegaben, die vor der NS-Diktatur bestanden hatten (verglichen mit den Reichstagswahlen von 1928). (Rudzio 2011, S.114)
In der Folge entstand daraus "eine klare Polarität zwischen Regierungsmehrheit (CDU/CSU, FDP, DP) und demokratischer Opposition (SPD, Z).“ (ebd.) Dennoch schien die Bundesrepublik mit ihren 11 Bundestagsparteien (einschl. der Parteilosen) als Vielparteiensystem wieder "Fahrt in Richtung Weimar“ (F. A. Hermens) aufzunehmen. (vgl. ebd., S.115)

Dass es anders kam, war einem Prozess der Konzentration des Parteiensystems von 1952 bis 1961 geschuldet, in dessen Verlauf

  • die CDU/CSU im Zuge einer Sammlungsbewegung im konservativen und liberalen bürgerlichen Lager eine Reihe kleinerer Parteien aufsaugte,
  • die Sozialdemokraten, bedingt durch den soziostrukturellen Wandel, aber auch infolge ihres Stilwandels, der sich programmatisch im »Godesberger Programm von 1959 niederschlug, stetig zunahmen und
  • die FDP am Ende der sechziger Jahre grundlegende Positionen veränderte und einen Koalitionswechsel von der CDU zur SPD einleitete (vgl. ebd.)

Die Einführung der 5%--Klausel

Die Einführung der 5%-Klausel tat dazu ihr übriges, um den Konzentrationsprozess zu fördern. Sie galt seit 1949 getrennt in den einzelnen Bundesländern, ab 1953 mit dem neuen Bundeswahlgesetz für den bundesweit erreichten Zweitstimmen-Anteil bei sämtlichen folgenden Bundestagswahlen (Ausnahme 1990 nach der Wiedervereinigung). Dazu kam noch die vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Parteiverbote auf der extremen Rechten und der extremen Linken. So wurden die Sozialistische Reichspartei (SRP) als Nachfolgeorganisation der NSDAP 1952 und die KPD als verfassungsfeindliche Partei 1956 verboten. Allerdings war die KPD in der Wählergunst dabei schon deutlich unter die 3%-Marke gerutscht.

1961-1983: Zweieinhalb-Parteiensystem

Zwischen 1961 und 1983 bildete sich ein "Zweieinhalb-Parteiensystem" (Rudzio 2011, S.120, Hervorh. d. Verf.) aus CDU/CSU und SPD als großen Volksparteien und der FDP. Diese Parteien "interagierten im Wesentlichen untereinander und bildeten mithin ein geschlossenes System." (ebd., S.121) Einer der wesentlichen Gründe dafür war die Tatsache, dass das Parteiensystem nur noch von zwei Konfliktlinien (cleavages) durchzogen wurde.

Letzten Endes blieben die Parteien untereinander koalitionsfähig und bildeten insgesamt ein "gemäßigt bipolares Parteiensystem mit zentripetaler Tendenz" (Rudzio 2011, S.121) Die weitere Entwicklung des Parteiensystems wurde dabei vor allem von der kleinsten der Bundestagsparteien, der FDP, vorangetrieben. Ihre Koalitionswechsel brachten jeweils ein anderes Parteienbündnis in die Regierungsverantwortung, 1969 die sozialliberale Koalition und 1982/83 nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen den SPD-Kanzler »Helmut Schmidt (*1918) die schwarz-gelbe Koalition von CDU/CSU und FDP unter dem Bundeskanzler »Helmut Kohl (*1930). Auf diese Weise hatte die FDP eine "Schlüsselrolle" inne: Ohne sie gelang es, abgesehen von einer »Großen Koalition von CDU/CSU und SPD (2005-2009), keine Kanzlermehrheit herzustellen und damit eine Regierung zu bilden. Allerdings stand die FDP vor und nach jedem der beiden Koalitionswechsel vor einer inneren Zerreißprobe und musste den Massenaustritt von Parteimitgliedern immer erst wieder durch neue Parteieintritte kompensieren.

1983-2005: Zwei-Parteigruppensystem mit Regionalsystem Ost

Die Zeit zwischen 1983 und 2005 führte zu einschneidenden Veränderungen im Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Das "Zweieinhalb-Parteien-System" wandelte sich zu einem "Zwei-Parteigruppensystem mit Regionalsystem Ost" (Rudzio 2011, S.122, Hervorh. d. Verf.) Den Anstoß zu dieser Konfigurationsveränderung des Parteiensystems gaben drei Entwicklungen:

2005-2013: Bipolares Fünfparteiensystem im Zustand unabgeschlossener Formierung

Seit den Bundestagswahlen von 2005, bei der die rot-grüne Koalition vor allem wegen der von SPD-Kanzler »Gerhard Schröder (*1944) durchgesetzten "»Agenda 2010", deren Arbeitsmarktreformen tiefe Einschnitte in die soziale Lage von Arbeitslosen vornahmen, ihre Mehrheit verlor, hat sich schon während, aber insbesondere nach nach der Großen Koalition zwischen CDU und SPD unter der Kanzlerschaft »Angela Merkels (*1954) in der Bundesrepublik Deutschland entlang der dominanten wirtschaftlich-sozialen Konfliktlinie ein bipolares Fünfparteiensystem entwickelt, dessen Formierung auch 2009 noch nicht abgeschlossen ist. Rudzio (2011, S.128) bezeichnet die seit der Bundestagswahl von 2009 geschaffene Parteikonfiguration auf Bundesebene daher als ein "bipolares Fünfparteiensystem im Zustand unabgeschlossener Formierung" (Hervorh. d. Verf.) An dieser Konfliktlinie stehen sich seitdem eine linkere und eine rechtere Parteiengruppe (SPD, Grüne und Linke vs. CDU/CSU und FDP) gegenüber. (vgl. ebd., S.127) Die Bundestagswahlen im September 2013 werden zeigen, ob die Schwächung der beiden großen Volksparteien durch den seit den 1970er Jahren schon beobachteten Rückgang der Parteibindungen in Deutschland (vgl. ebd., S.126) weiter anhält und welche Dynamik die gestiegene Wechselbereitschaft der Wähler in die Parteikonfigurationen des Parteiensystems der Bundesrepublik Deutschland bringt.

2016 -: Sechsparteiensystem

Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt vom März 2016, bei dem die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) aus dem Stand heraus mit zweistelligen Ergebnissen in diese Landtage eingezogen und damit in insgesamt 8 Landtagen präsent ist, muss man wohl von einer Entwicklung zu einem Sechsparteiensystem sprechen, zumal auch die FDP wieder in diese Landtage eingezogen ist.

Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland ist heute ein Mehrparteiensystem.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 13.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Was führte in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg dazu, dass sich das Weimarer Vielparteiensystem auf die Dauer nicht mehr durchsetzen konnte?

  2. Welche Entwicklungen führten zu den Konfigurationsveränderungen des Parteiensystems nach nach 1983?
     

 
     
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