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Von
der Untertanenbitte zum Grundrecht: Kurzer historischer Abriss zum
Petitionsrecht
Sich mit einem Anliegen an höchste Vertreter bzw. Organe staatlicher
Gemeinwesen richten zu dürfen, ist eine alte Tradition. Seine Ursprünge
gehen bis auf die »Römische
Kaiserzeit zurück. Als Recht wurden gut zu begründenden und sich auf
Belange von allgemeinem Interesse zu beziehenden Eingaben in Deutschland
erstmals im »Allgemeinen
Preußischen Landrecht (1794) unter der Herrschaft »Friedrichs
des Großen (1712-1786) fixiert und ihre sorgfältige Prüfung
zugesichert. Mit der »Paulskirchenverfassung
von 1848, die nach der gescheiterten »Revolution
(1848/49) nicht verwirklicht wurde, sollte jedem Deutschen das Recht
gewährt werden, sich mit einem Anliegen einzeln oder in Gemeinschaft mit
anderen an Volksvertretungen und den Reichstag zu wenden. Ein besonderer
Ausschuss, Petitions-Ausschuss genannt, sollte sich diesen
Angelegenheiten widmen. Auch in den Verfassung des »Deutschen
Kaiserreiches von 1871 und der »Weimarer
Reichsverfassung von 1919 ist das Petitionsrecht enthalten. Unter
der »NS-Diktatur
(1933-1945) "wurde das Petitionsrecht seiner kritisch
oppositionellen Potenz beraubt; demokratisch legitimierte, durchsichtige
Prüfverfahren waren außer Kraft gesetzt. Das Petitionsrecht verlor für
das Individuum seine schützende Funktion gegenüber staatlicher Willkür.
Schlimmer noch: »Hartnäckigen Quenglern« drohte »Schutzhaft«"1)
In der »DDR
(1949-1990) gab es zwar seit 1960 ein Eingabewesen, doch diente dies
"nicht der externen Kontrolle der Verwaltung". Stattdessen haftete
diesem System des Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen der Verwaltung "der
Ruf an, dass mit ihnen Gnade statt Recht gewährt werde." 2)
1949 wurde das Petitionsrecht im Grundgesetz
der Bundesrepublik Deutschland erstmals als unantastbares
Grundrecht verbürgt (Art 17 GG).
Seit 1975 ist auch der Petitionsausschuss des Bundestags im Grundgesetz
institutionalisiert (Art. 45c GG)
Da die repräsentative Demokratie in Deutschland den Bürgerinnen und
Bürgern von der Ausübung ihres Wahlrechtes kaum Möglichkeiten bietet,
direkt auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen,
plebiszitäre Elemente wie Volksentscheide von Fragen der
Länderneuregelung einmal abgesehen, darin keine Rolle spielen, soll "das
Petitionsrecht dem gestiegenen Bedürfnis nach Mitsprache in öffentlichen
Dingen entgegen(kommen) und (...)
zur Mitverantwortung, Gestaltung und Fortentwicklung des politischen
Lebens und Rechtssystems an(regen)."3)
Das Petitionsrecht im Grundgesetz
Das
Petitionsrecht ist eines der im Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland verbürgten
Grundrechte. In Artikel 17 des
Grundgesetzes ist formuliert:
"Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit
anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen
Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."
Jeder Mann oder jede Frau, jedes Kind, Deutsche und Menschen anderer
Herkunft, selbst dann wenn sie nicht in Deutschland leben, kurz und gut:
wirklich jedermann, gleich welcher Staatsangehörigkeit, hat damit das Recht,
sich in Deutschland mit seinem/ihrem Anliegen, direkt an den Deutschen
Bundestag zu wenden. Wenn man sich z. B. über eine Entscheidung einer
Behörde beschweren will oder einen Verbesserungsvorschlag von allgemeinem
Interesse machen will, kann man sich einzeln oder in einer Gruppe an die
Volksvertretung wenden und damit auf einem bis ins Einzelne festgelegten Weg
in seiner/ihrer Sache vorstellig werden (Legislativpetition).
Eine Petition (lat., Bittschrift. Gesuch, Eingabe) kann sich
dabei auf einen politischen Sachverhalt beziehen, es kann aber auch darum
gehen, dass sich jemand von einer Behörde ungerecht behandelt fühlt.
Oft hat ein Petent, wie man die Person nennt, die eine Petition stellt,
auf anderen Wegen, manchmal mit vielen Enttäuschungen, versucht, ein Problem zu
lösen. Mit der Petition will er sich dann noch einmal Gehör verschaffen. Wichtig: Die Inanspruchnahme des Petitionsrechts darf sich dabei auf
den Petenten nicht nachteilig auswirken.
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
Der Bundestag ist nach Art. 45c GG verpflichtet, einen Ausschuss
einzurichten, "dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag
gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt." Dieser Ausschuss trägt den
Namen »Petitionsausschuss.
Der Ausschuss hat 28 Mitglieder (2014), die nach dem Verhältnis der Sitze
der Parteien im Bundestag von den jeweiligen Fraktionen in den Ausschuss
entsendet werden. In die Ausschussarbeit involviert sind ca. 80 Personen.
Der Petitionsausschuss ist verpflichtet, Eingaben (Petitionen)
entgegenzunehmen. Petitionen können als
Einzelpetition oder als Massen- oder Sammelpetition auf
unterschiedlichen Wegen an den Petitionsausschuss gelangen. Dabei versteht
man unter Massenpetitionen Eingaben
in größerer Zahl mit demselben Anliegen, deren Text ganz
oder im Wesentlichen übereinstimmt. Sammelpetitionen
sind dagegen Unterschriftensammlungen mit demselben Anliegen oder
öffentliche Petitionen, die auf der Internetseite des Petitionsausschusses
des Deutschen Bundestages mitgezeichnet wurden. Petitionen müssen
schriftlich erfolgen und müssen vom jeweiligen Petenten gezeichnet
werden. Wenn Sie als Einzel-, Sammel- oder Massenpetitionen an die
Postadresse des Petitionsausschusses gehen müssen sie von den Petenten unter
Angabe ihrer Wohnadresse eigenhändig unterschrieben sein. Bei E-Petitionen,
die seit 2005 ebenfalls möglich sind, muss man sich anderweitig legitimieren
(s.u.)
Aus der Verpflichtung zur Annahme einer Petition kann aber nicht abgeleitet
werden, dass ein Petent einen Rechtsanspruch darauf geltend machen kann,
dass sein vorgebrachtes Anliegen auch von den Mitgliedern des Gremiums
mündlich erörtert wird. Hier handelt der Ausschuss letzten Endes von Fall zu
Fall. Maßgeblich ist zwar stets der Inhalt der Petition, in der Praxis wird
es wohl bei öffentlichen Petitionen auch darauf ankommen, wie viele
Personen in welchem Zeitraum eine Petition mit unterzeichnet haben (z.B. E-Petition). Ist
die Petition formal korrekt eingereicht, hat der Petent Anspruch darauf
einen Bescheid zu erhalten, aus dem hervorgeht, ob der Petitionsausschuss in
der Sache tätig sein wird oder nicht. Eine Begründung muss er dafür nicht geben.
Natürlich sind die Möglichkeiten des Petitionsausschusses, einer bestimmten
Eingabe zum Erfolg zu verhelfen beschränkt, zumal er sich letztlich nur als
Scharnier zwischen Bürger und Staat oder als eine Art Notrufsäule
betrachtet. Privatangelegenheiten, Rechtstreitigkeiten von Privatpersonen
kann der Petitionsausschuss nicht behandeln. Diese gehören vor die Gerichte.
Und Gerichtsurteile können vom Petitionsausschuss nicht überprüft werden.
Nimmt sich der Petitionsausschuss eines Anliegens an und hält es für
berechtigt, kann er die zuständigen Behörden zu einer Stellungnahme zwingen.
Weisungen kann er ihnen allerdings nicht erteilen. Was die staatlichen
Behörden verfügt haben, kann der Petitionsausschuss also nicht aufheben oder
irgendwie abändern, weil er selbst keine verbindlichen Entscheidungen fällen
oder Verwaltungsakte anordnen kann. Wohl kann er aber die Regierung, die
betreffenden Regierungsbehörden ersuchen, gefällte Verwaltungsentscheidungen
erneut zu überprüfen und zu Gunsten des Petenten zu ändern. Ebenso kann er
den Gesetzgeber auffordern, die vorhandene Gesetzeslage zu prüfen. Insgesamt
gesehen verschafft die Tatsache, dass der Petitionsausschuss nicht allein
von der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung ausgehen muss, wie
dies Gerichte tun, sondern auch deren Zweckmäßigkeit beurteilen kann. Aus
diesem Grund kann der Petitionsausschuss bei der Beurteilung einer
behördlichen Entscheidung die Fakten auch unter Umständen zu Gunsten eines
Petenten gewichten.
Petitionen als Korrekturmechanismus
Seit dem Jahr
1980 wird die Anzahl der eingereichten Petitionen aufgelistet. (s. Tabelle)
Waren es 1980 noch 10.735, ist es 2013 knapp ein Drittel mehr. Immer mehr
Bürgerinnen und Bürger versuchen sich offenbar mit Petitionen Gehör zu
verschaffen, den Petitionsausschuss des Bundestags als eine Art
Korrekturmechanismus einzusetzen, um Bitten und Beschwerden vorzutragen oder
um auf Missstände hinzuweisen. Ob Petitionen allerdings wirklich als
Korrekturmechanismus fungieren und die ihnen zugeschriebenen
positiven Wirkungen entfalten können, wird von Kritikern bezweifelt. Sie
mahnen unter anderem an, dass Petitionen vom Bundestag ernsthafter behandelt
werden müssten, als dies derzeit der Fall sei.
Von den 13.765 natürlichen Personen, die Petitionen beim Deutschen
Bundestag im Jahr 2013 eingereicht haben, waren 67,85% männlichen und 25,16%
weiblichen Geschlechts. (vgl.
ebd., S.93)
Von den Petitionen, die den Weg in die parlamentarische Beratung gefunden
haben, das ist in etwa die Hälfte der eingegangenen Petitionen, wurden in
der parlamentarischen Beratung ca. einem Drittel (30,25%) nicht entsprochen.
Die andere Hälfte der Petitionen wurden ohne parlamentarische Beratung durch
Rat, Auskunft, Verweisung, Materialübersendung usw. erledigt (32,33% aller
eingegangenen Petitionen), 11,61% wurden, weil das Vorbringung des Anliegens
"ohne Anschrift, anonym, verworren, beleidigend usw." erfolgte, ohne
parlamentarische Beratung beschieden. Und etwa 10% der beim
Petitionsauschuss des Deutschen Bundestages eingegangen, von diesem aber
nicht parlamentarische beratenen Anliegen, wurden an die jeweilige
Volksvertretung der Länder abgegeben. (vgl.
ebd., S.97)
Öffentliche E-Petitionen
Seit dem Jahr 2005 hat die E-Demokratie mit ihren digitalen Möglichkeiten
und Plattformen im Internet (Wikis, Blogs, sozialen Netzwerken etc.) auch
den Deutschen Bundestag erreicht. Seitdem können Petitionen auch online
eingereicht werden. Sie schaffen damit ganz neue Möglichkeiten der →E-Partizipation
in der
Demokratie und →E-Demokratie
der Bundesrepublik Deutschland.. Voraussetzung dafür: Petitionen müssen nicht mehr, wie
früher gefordert, handschriftlich unterzeichnet sein. Und immer mehr
Bürgerinnen und Bürger (über 50 Prozent davon sind zwischen 40 und 65 Jahre
alt) machen
inzwischen von E-Petitionen Gebrauch.
Neu ist seitdem auch die Möglichkeit, öffentliche E-Petitionen einzureichen.
Solche Petitionen, für deren Einreichung man sich – mit E-Mail-Adresse und
Postadresse - registrieren muss, müssen verschiedenen Kriterien
entsprechen, wenn sie veröffentlicht werden wollen (vgl. »Richtlinien
für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (pdf):
-
Das Anliegen muss von
allgemeinem Interesse sein.
-
Es darf sich weder als Ganzes
noch in Teilen nicht erkennbar auf Personen beziehen.
-
Anliegen und Begründung
müssen knapp und allgemein verständlich in deutscher Sprache formuliert sein.
-
Es werden nur Themen
veröffentlicht, bei denen eine sachliche Diskussion zu erwarten ist.
-
Das Anliegen darf nicht gegen
die Menschenwürde verstoßen.
-
Es darf keine offensichtlich
falschen, entstellenden oder beleidigenden Meinungsäußerungen enthalten.
-
Das Anliegen darf nicht
offensichtlich unsachlich sein und/oder der Verfasser darf nicht von
offensichtlich falschen Voraussetzungen ausgehen.
-
Mit einer Online-Petition
darf man nicht zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auffordern oder
Maßnahmen verlangen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen
das Sittengesetz verstoßen.
-
Die Formulierung des
Anliegens darf keine geschützten Informationen enthalten, die in
Persönlichkeitsrechte von Personen (z.B. durch Namensnennung)
eingreifen. Ebenso wenig dürfen damit kommerzielle Produkte oder
Verfahren beworben werden. Werbung in diesem Sinne ist untersagt.
-
Der Petitionstext darf keine
Links auf andere Webseiten enthalten.
-
Das Anliegen muss "sich einer
der Würde des Parlaments" angemessen Sprache bedienen.
Sind diese Kriterien erfüllt und stehen einer Veröffentlichung nicht
weitere Hindernisgründe entgegen (z.B. eine Belastung des sozialen Friedens,
der internationalen Beziehungen oder des interkulturellen Dialogs), wird sie nach einer etwa dreiwöchigen
Prüfung durch den Ausschussdienst, der den Petitionsausschuss in seiner
Arbeit unterstützt, zugelassen und veröffentlicht. Mit dem Zeitpunkt der Zulassung gilt
dann eine Frist von 6 Wochen, während der der Petitionstext online gestellt
wird. Während dieses Zeitraums kann die Petition von allen unter Angabe
ihres Namens unterzeichnet werden. Misst man den „Erfolg“ einer
Online-Petition daran, dass die Petenten vom Petitionsausschuss des
Bundestags eingeladen und angehört werden, muss die Online-Petition in den
ersten vier Wochen nach ihrer Einreichung bzw. Freischaltung 50.000
Unterstützer gefunden haben. So geschieht dies aber nur im Regelfall. Denn
selbst bei Erreichen des Quorums können sich die Abgeordneten des
Petitionsausschusses mit einer Zweidrittel-Mehrheit gegen die Beratung einer
Petition in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Genauso ist es auch
möglich, dass eine Petition öffentlich beraten wird, obwohl sie das nötige
Quorum nicht erreicht hat. Maßgeblich ist letztlich stets der Inhalt der
Petition. Die Grenze von 50.000 Unterstützern in der Vier-Wochen-Frist
erreichen allerdings nur sehr wenige Petitionen. Dafür genügt schon ein
Blick in das »Petitionsforum des E-Petitionen-Portals des Deutschen Bundestags.
Im »Jahresbericht
des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (2014) werden für das
Jahr 2013 34 Massen- oder Sammelpetitionen aufgeführt, die mehr als 5.000
Unterzeichner gefunden haben. Lediglich 17 der im Jahr 2013 eingereichten
öffentlichen E-Petitionen gewannen
mehr als 5.000 Online-Mitunterzeichner, wobei manche von ihnen dazu weitaus
mehr Offline-Mitunterzeichner fanden.
Dass im Falle der Petition mit dem
Titel "Verpflichtung der Internet-Anbieter, alle Datenpakete im Sinne der
Netzneutralität gleich zu behandeln", mit 76.530 elektronischen
Mitzeichnungen vorne liegt , kann natürlich nicht verwundern, trifft ihr
Anliegen doch mitten ins Herz der netzaffinen Unterstützergemeinde. Bei der
Petition "Abschaffung der Luftverkehrssteuer", die insgesamt mit 148,987
Mitunterzeichnern auf dem 1. Platz der öffentlichen Petitionen mit mehr als
5.000 elektronischen Mitzeichnungen landete, zeichneten die öffentliche
Petition etwa ein Drittel online mit (42.762). Zwei Drittel (106.235)
unterstützten die Petition durch andere Formen der Mitzeichnung (z.B.
Offline-Unterschriften-Listen u.ä.). (vgl.
ebd. S.107)
Grundsätzlich hängt die parlamentarische Prüfung einer Petition allerdings
nicht von der Anzahl der Unterstützer ab, sondern das in Art. 17 GG gewährte
Petitionsrecht gilt für die Einzelpetition ebenso wie für eine öffentliche
Petition.
Anmerkungen
1)
"Von der Untertanenbitte zum politischen Bürgerrecht" - Einführung in das
Petitionsrecht. Aus der wechselvollen Geschichte des Petitionsrechts
(Webseite des Deutschen Bundestages)
2) ebd.
3) ebd.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.12.2014 |
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