Die •
Deutsche Volkspartei (DVP)
entstand nach dem Ende des Ersten Weltkrieges am 23. November 1918 durch
den Zusammenschluss des von Gustav Stresemann geführten rechten Flügels
Nationalliberalen Partei und Teilen der Fortschrittlichen Volkspartei.
Im
Wesentlichen handelte es sich dabei freilich nicht um eine Neugründung,
sondern wie Stresemann später betonte, um eine "Umgründung" der
Nationalliberalen Partei des Kaiserreichs. Das ursprüngliche Projekt, mit
einem regelrechten Parteizusammenschluss, die im Kaiserreich vorhandene
Spaltung des bürgerlichen Lagers in "Demokraten" und "Liberale" zu
überwinden, gelang freilich nicht, da liberaldemokratische Kräfte aus der
Fortschrittlichen Volkspartei trotz Zugeständnissen der Nationalliberalen
bei der Anerkennung einer republikanischen Staatsform als Ziel,
insbesondere gegen die Person Gustav Stresemanns deutliche Vorbehalte
hatten. Dieser hatte sich bis 1917 ihrer Ansicht nach allzu
sehr für umfassende deutsche Annexionen auf Kosten der Kriegsgegner
eingesetzt und so war der Annexionspolitiker als Gallionsfigur eines liberal-demokratischen bürgerlichen Lagers
für viele untragbar. Als sich die Fortschrittliche Volkspartei 1918 auflöste,
schlossen sich daher nur wenige mit dem rechten Flügel der ehemaligen
Nationalliberalen um Gustav Stresemann, Hugo Stinnes, Wilhelm Kahl,
Friedrich Rode und Julius Curtius zur DVP zusammen. 1927 erklärte der bis
dahin parteilose Reichsminister Hans Luther seinen Beitritt zur Partei.
Die große Mehrheit der ehemaligen Mitglieder der Fortschrittlichen
Volkspartei gründeten mit dem linken Flügel der
ehemaligen Nationalliberalen die •
Deutsche Demokratische Partei (DDP).
Die DVP unterschied sich in der Folgezeit von der DDP vor allem "durch
eine stärkere Betonung des nationalen Moments, eine schärfere Abgrenzung
von der Sozialdemokratie und durch Forderungen zugunsten der bäuerlichen
Landwirtschaft." (Winkler
1992/2005, S. 63)
Zunächst verfolgt die DVP einen klaren antirepublikanischen Kurs. Sie
lehnt die Weimarer Verfassung konsequent ab und strebt nach einer
Wiedererrichtung der Monarchie im Deutschen Reich.
Was die Forderung nach
Sozialisierung der deutschen Wirtschaft anbelangte, erklärte sich die
Partei sogar in ihrem Wahlkampfaufruf vom 15. 11.1918 bereit, "einer
Überführung dazu geeigneter Betriebszweige in die Leitung und das Eigentum
der öffentlichen Gewalt ... zuzustimmen, sofern dadurch für die
Allgemeinheit ein höherer Ertrag und für die Arbeitnehmer bessere
Lebensbedingungen geschaffen werden." (zit. n.
Winkler 1992/2005, S.63)
Die
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Gründsätze der Partei, einige Wochen zuvor verabschiedet auf
dem Leipziger Parteitag am 19.10.1919, zeigen freilich, dass eine solche
Passage die Partei ganz und gar nicht in die Nähe sozialdemokratischer
Sozialisierungsvorstellungen rückte. Das Konzept von Sozialisierung, das
darin noch unter dem Punkt
Wirtschaftsordnung zur
Sprache kommt, beruht auf der vorrangigen Anerkennung des Privateigentums
an Produktionsmitteln: "Bei der Überführung von wirtschaftlichen Unternehmungen in die öffentliche
Hand, die nur gegen Entschädigung erfolgen darf, wird die Deutsche
Volkspartei unter der Voraussetzung mitwirken, dass wesentliche Vorteile
für die Allgemeinheit dauernd gewährleistet sind. Im Allgemeinen wird eine
Beteiligung des Staates an freien Betrieben den Vorzug verdienen."
Was Wähler und Mitglieder anbelangte, zeigten sich DVP und DDP durchaus
ähnlich. "Sie sprachen vor allem die Bildungsschicht, die selbständigen
Unternehmer, Handwerker und Kaufleute, Beamte und Angestellte an." (ebd.)
Unterschiedlich waren die Lager der Wirtschaft, die DVP und DDP
unterstützten. Währen die DVP "einen starken, finazkräftigen Rückhalt bei
der Schwerindustrie" fand, konnte die DDP auf die Unterstützung führender
Unternehmer aus der Elektroindustrie und aus dem Bankwesen zählen. (vgl.
ebd.)
Erst nach und nach
nähert sich die Partei der Weimarer Republik an, auch wenn sie von 1920 an
allen Reichsregierungen beteiligt gewesen ist. Dass die Partei trotz ihrer
Ablehnung der republikanischen Staatsform sich nicht wie z. B. die
Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in eine Politik verstrickte, die auf
die Zerstörung der Republik um jeden Preis ausgerichtet war, machte sie
immer wieder, auch für bürgerlich-demokratische, aber national gesinnte
Wähler interessant und in wechselnden Koalitionen immer wieder
regierungsfähig. Im Kabinett des Zentrumkanzlers Konstantin Fehrenbach
(25.6 1920 bis 4.5.1921) übernahm die DVP drei Ressorts: Rudolf Heinze als
Justizminister und Vizekanzler, Ernst Scholz als Wirtschaftsminister und
Hans von Raumer als Schatzminister. Nach dem Scheitern dieser Regierung
unterstützt und toleriert die DVP bis 1922 die Regierungen des
Zentrumkanzlers Joseph Wirth, der eine Minderheitsregierung aus seiner
Partei, der SPD und der DDP anführt.
Im November 1922 beteiligt sich die DVP wieder an der Regierung. Im so
genannten "Kabinett der Wirtschaft" des parteilosen Reichskanzlers Wilhelm
Cuno, hatte die DVP mit Rudolf Heinze wieder das Reichsjustizministerium
und mit Johann Becker das Wirtschaftsressort inne.
Doch die Zeiten für
diese Minderheitsregierung (nur 172 der 459 Reichstagssitze trugen die
Regierungskoalition) waren äußerst schwierig. Das Krisenjahr 1923 mit
Ruhrbesetzung, Hyperinflation) führte zu einem starken Anwachsen des
politischen Drucks von rechts und links, so dass schon am 13. August 1923
die so genannte "Große Koalition" (SPD, Zentrum, DVP, DDP), dieses Mal
unter Gustav Stresemann als Reichskanzler, das Krisenmanagement übernahm.
Ihr gelang es gegen heftigen Widerstand von rechts, dass der Ruhrkampf mit
der Aufhebung der Ruhrbesetzung ein Ende fand und der galoppierenden
Inflation mit der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 Einhalt
geboten werden konnte.
Mit Hilfe der ehemals monarchistischen DVP konnten
somit die krisenhaften Anfangsjahre der Republik überwunden werden und
Staat und Gesellschaft traten in eine neue Phase ihrer weiteren
Entwicklung ein: Die
Phase der relativen Stabilisierung der
Republik (1924-1928). Gustav Stresemann, der als Reichskanzler
nur drei Monate lang agierte, machte seine Volkspartei zu einer der
staatstragenden Parteien in der zweiten Phase der Weimarer Republik. Er
selbst bekleidete in den folgenden von unterschiedlichen Koalitionen
getragenen Kabinetten bis zu seinem Tode (3.10.1929) das Amt des
Reichsaußenministers, zuletzt im zweiten Kabinett des SPD-Reichskanzlers
Hermann Müller (1928-1930).
Stresemanns überraschender Tod hinterließ eine große Lücke in der DVP,
aber auch in der deutschen (Außen-)Politik. Sein Parteifreund Julius
Curtius übernahm fortan das Außenministerium, Ernst Scholz den
Parteivorsitz.
Die letzte Regierungsbeteiligung erlangt die DVP im ersten
Kabinett des Präsidialkanzlers Heinrich Brüning (Zentrum). Die
Reichstagswahlen von 1930 bringen der Partei aber schwere Verluste.
In der
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Endphase der Weimarer Republik
(1929-1933) wächst der Einfluss des rechten Flügels innerhalb
der Partei immer stärker an. Sympathien für die DNVP, aber auch für die
kometenhaft aufsteigende NSDAP werden immer lauter, und es kommt sogar
dazu, dass sich die DVP in Thüringen an der ersten Landesregierung
beteiligt, zu deren Mitgliedern auch die Nationalsozialisten gehören.
Die
eingeleitete Rechtswendung der DVP brachte die Partei, die bei den
Reichstagswahlen immer mehr Wähler verlor, nicht wieder auf die
Siegerstraße zurück. Im Gegenteil: Zwischen NSDAP und DNVP zerrieben
versank sie am Ende der Weimarer Republik in der Bedeutungslosigkeit und
im Frühjahr 1933 forderte der stellvertretende DVP-Vorsitzende Otto Hugo
geradezu folgerichtig, die Partei komplett in die NSDAP zu überführen, was
allerdings vom DVP-Vorsitzenden Dingeldey noch bis zum Juni 1933 abgewehrt
wurde. Als diesem freilich Nationalsozialisten mit persönlichen
Konsequenzen drohten, gab er am 4. Juli 1933 den
Selbstauflösungsbeschluss bekannt, der wenige Tage zuvor vom
Reichsvorstand am 27. Juni 1933 beschlossen worden war.
(Quelle: u. a.
auch Wikipedia)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.09.2023