Friedrich Schiller wird am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren.
Sein Vater Johann Caspar (27.10.1723 - 7.9.96)
dient zu dieser Zeit im
württembergischen Heer von
Herzog Carl Eugen (1728 - 93) im Range eines
Leutnants als Wundarzt und Feldscher. Seine Mutter,
Elisabetha Dorothea
(13.12.1732 - 29.4.1802), seit ihrem sechzehnten Lebensjahr (1749) mit
Johann Caspar verheiratet, ist eine Tochter von
Georg Friedrich Kodweiß, des
Wirts zum "Goldenen Löwen“ in Marbach.
Die Familie hat in der Stadt einen
guten Namen, seit der Ur- und der Großvater der Braut als Bürgermeister in
der Stadt tätig gewesen waren. Auch die Familie von Georg Friedrich Kodweiß
gilt als wohlsituiert und das von ihm über die Gastwirtschaft hinaus
ausgeübte Amt eines herzöglichen Inspektors für das Floßbauwesen scheint
eine Weile lang die gesellschaftliche Erfolgsgeschichte der Familie
fortzuschreiben. Die Mutter Dorotheas, so der Rufname der Ehefrau Johann
Caspar Schillers, stammt dagegen aus einer katholischen Bauernfamilie in
Röhrach. Johann Caspars Vorfahren stammen aus Württemberg, sind Bäcker,
Küfer, Bauern und Gastwirte, die hin und wieder auch als Gemeindevorsteher
oder Dorfbürgermeister in Erscheinung getreten sind.
Schon kurz nach der Heirat des jungen Paares steht
Georg Friedrich Kodweiß,
der sich im Holzhandel verspekuliert hat, 1752 vor dem endgültigen Ruin. Mit
seinem ganzen Privatvermögen muss er für sein kaufmännisches Missgeschick
haften, verliert alles und auch der "Goldene Löwe“, fast dreißig Jahre in
seinem Besitz, kommt unter den Hammer. Johann Caspar, der seinem
Schwiegervater in seinem finanziellen Abwärtsstrudel mit dem Erwerb eines
Anteils an dem Gasthof noch unter die Arme gegriffen hat, kann alles gerade
noch rechtzeitig weiterveräußern, ehe die Gläubiger auch seinen Anteil der
Konkursmasse zuschlagen können. (vgl.
Alt Bd. I, 2004 S. 64) Johann
Caspar, der nach alldem an keine gute bürgerliche Zukunft in Marbach glaubt,
tritt im Januar 1753 wieder in den Militärdienst ein, wird bald wieder
Regimentsmedicus und setzt sich damit wieder von seiner Frau mit ihren vor
der Deklassierung stehenden Eltern in Marbach ab, ohne allerdings die
eingegangene Bindung zu Dorothea damit aufzugeben. Diese lebt noch bis zum Jahr 1756 in diesem Gasthof,
hin und wieder mit dem Mann, wenn er zu Besuch kommen kann.
Georg Friedrich Kodweiß stürzt mit seiner Familie sozial ab und wird zum Bettler
mit einer Art Gnadenbrot als Stadttorwächter von Marbach (vgl.
Safranski 2004,
S. 20).
Nach ihrem Auszug aus dem Goldenen Löwen ziehen Dorothea und Johann Caspar
für drei Jahre in das Beck-Schmid’sche Haus, das in dessen unmittelbarer
Nachbarschaft liegt. Dort kommt am 4. September 1757 Friedrich Schillers
ältere Schwester Christophine zur Welt. Als Dorothea ihrer nächsten
Niederkunft entgegensieht, mietet Johann Caspar eine Wohnung im Haus des
Ledergebers Schölkopf, welche die Familie, Caspar ist zu der Zeit in der
Nähe stationiert, 1759 bezieht. In der niederen und kleinen
Erdgeschosswohnung dieses Hauses nahe dem Niklastor von Marbach bringt
Dorothea am 10. November 1759 ihr zweites Kind, Johann Christoph Friedrich,
zur Welt. Die physische Konstitution des schwächlichen Neugeborenen lässt
zunächst nichts Gutes ahnen. Die Säuglings- und Kindersterblichkeit in
diesen Zeiten ist überaus hoch." Trotzdem“, so Rüdiger Safranski, einer der
neueren Schiller-Biographen, "soll es zugegangen sein wie bei einer
Hochzeit“ (Safranski 2004,
S. 17), als man am nächsten Tag eilig zur lutherischen Taufe schreitet. Die Liste der
Taufpaten macht gesellschaftlich durchaus etwas her. Es sind ihrer neun
Personen, darunter einige von Rang und Namen,
die mit ihrer Funktion auch
etwas aussagen über das Ansehen, das die Familie aller Probleme zum Trotz
genießt. Unter den Taufpaten sind der Kammerherr Friedrich von Gabelentz,
der Marbacher Bürgermeister Ferdinand Paul Hartmann und
Oberst Rieger, ein
enger Berater des Herzogs, ansonsten berüchtigt für seine brutalen Methoden
bei der Zwangaushebung von Soldaten. (Alt Bd. I, 2004,
2004, S. 28)
Die Jahre bis 1763 ist Friedrich mit seiner Mutter und seiner größeren
Schwester viel unterwegs. Da Johann Caspar, wenn er nicht gerade im Krieg
seinen Mann steht, mal hier mal da stationiert ist, reist ihm die Ehefrau
mit den Kindern oft hinterher und bezieht an den verschiedensten Orten
Württembergs Quartier. In einem so unsteten Leben, dessen Wohnplätze immer
nur Heimstatt auf Zeit sind, ist für die Kinder wenig familiäre Geborgenheit
zu spüren. Man lebt meist sehr beengt, muss sich mit schlechten hygienischen
Bedingungen abfinden, lebt in der Nähe der Militärlager ein Leben ohne
besondere Anregungen, allesamt Kennzeichen einer insgesamt "misslichen
Lebenssituation, die Ruhe und Intimität nie aufkommen lässt." (Alt Bd. I, 2004,
2004, S. 68) Vielleicht lassen sich auch die Krampfanfälle und die immer
wieder auftretenden Fieberschübe, unter denen Friedrich in seiner frühen
Kindheit leidet, auf diese ungünstigen Lebensumstände zurückführen. Auch
wenn diese Frage vom heutigen Standpunkt aus nicht mehr geklärt werden kann,
spricht einiges
für den von der Schwester behaupteten Zusammenhang. Soviel ist
jedenfalls klar: Eine "gesunde" psychosoziale Entwicklung des Menschen lässt
nach Erik Erikson ein Kind in den ersten Lebensjahren zwischen der
Geburt und dem Alter von drei Jahren ein "grundlegendes Vertrauen in seine
Umwelt entwickeln" (Zimbardo/Gerrig
2004, S.470) Und bekanntermaßen kann
ein
Mangel an engen und
liebevollen Beziehungen in der frühen Kindheit auch zu einer erhöhten
Infektionsanfälligkeit sowie Fiebern unbekannter Herkunft führen. (vgl.
ebd.)
Ob dem "zarten
schwächlichen Kind", wie Christophine später ihren kleineren Bruder jener
Tage beschreibt, ein Stück weit jenes Urvertrauen abgeht, das durch die
Zuwendung der Mutter oder anderer Bezugspersonen gefördert wird, lässt sich
heute sicher nicht sagen und am besten lässt man es daher bei solchen
Andeutungen daher auch bewenden.
Jedenfalls lernen die beiden ersten Kinder
von Dorothea in ihren ersten Jahren eigentlich
nur die weibliche Seite
einer Familie kennen. Vielleicht prägt Dorothea damit auch ihren Sohn
Friedrich in seiner frühen Kindheit so, dass er eine große "Neigung sowohl
zur Mutter als auch zur älteren Schwester" ausbildet, die auch später "die
Wahl der Frauen, die er in sein Leben lassen will," bestimmen wird. (Aufenanger
2006, S.15)
Unter
Umständen geht dies sogar soweit, dass er in den Frauen seines Lebens
immer wieder "das Abbild von Mutter und Schwester" suchen wird. (ebd.)
Auch die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen und die Entwicklung früher
Kinderfreundschaften fallen unter solchen Umständen gewiss nicht leicht. So
wundert es überhaupt nicht, dass Friedrichs ältere Schwester Christophine
für längere Zeit, selbst in Lorcher Tagen noch, seine wichtigste
Spielgefährtin ist. Der Fähigkeit Friedrichs, auch im späteren Leben,
Freundschaften zu schließen, tut dies indessen keinen Abbruch. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S.74)
Die Zeit zwischen verschiedenen Militärlagern verbringen Mutter und Kinder
zu Hause in Marbach, wo ja auch noch ihre Eltern leben. Allerdings kann sie
bei ihren Eltern wohl auch nicht allzu viel Trost erwarten, wenn sie um
ihren im Krieg stehenden Ehemann und damit um die Zukunft der eigenen
Familie bangt. Ihr Vater ist seit seinem Ruin ein gebrochener Mann.
Als Johann Caspar im Dezember
1763 Werbeoffizier in Schwäbisch Gmünd wird,
zieht die Familie von Marbach um in das kleine Dorf Lorch, das eineinhalb
Stunden Fußmarsch entfernt von Schwäbisch Gmünd liegt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.02.2022